Ansichtssache!

Nicolaus Visscher - Große Rheinkarte

Kartograph/Verleger Nicolaes I. Visscher (1618–1679) oder Nicolaes II. Visscher
(1649–1702)
Kartentitel RHENVS Fluviorum Europae celeberrimus cum MOSA MOSELLA, et reliquis in illum se exonerantibus fluminibus
Übersetzung Kartentitel Rhein – der Flüsse Europas bekanntester, mit Maas, Mosel und
restlichen Flüssen, die sich in diesen entleeren
Erscheinungsort Amsterdam
Datierung circa 1656–1702/1726 
Objektmaße 51,5 x 58,8 cm (Blatt); 41,6 x 47,5 cm (Platte)
Inventar-Nr. Gr 4
Gebiet Rheinverlauf vom Mittelrhein bis zur Mündung in die Nordsee 

Die Karte des niederländischen Verlegers und Kartographen Nicolaes Visscher zeigt den Rheinverlauf vom Mittelrhein bis zur Mündung in die Nordsee. Das abgebildete Gebiet umfasst die heutigen Niederlande, einen Teil Belgiens sowie den Nordwesten Deutschlands. Die niederländischen Provinzen Seeland und Holland befinden sich oben und die Nordsee rechts, da die Karte nach Westen ausgerichtet ist. Die niederländisch-deutsche Nordseeküste verläuft deshalb leicht diagonal von der oberen Kartenmitte nach unten rechts. Die Karte zeigt damit das gesamte Gebiet, das die verschiedenen Karten der Ausstellung abbilden.

Der untere Teil der Karte wird von einer Bildtafel und allegorischen Figuren eingenommen. Auf der Tafel steht der lateinische Kartentitel: „RHENVS. Fluviorum Europae celeberrimus cum MOSA MOSELLA, et reliquis in illum se exonerantibus fluminibus“. Auf Deutsch: „Rhein – der Flüsse Europas bekanntester, mit Maas, Mosel und restlichen Flüssen, die sich in diesen entleeren“. Die um die Tafel angeordneten allegorische und mythologische Gestalten gießen aus großen Krügen Wasser in ein Gewässer. Man kann davon ausgehen, dass die Szene eine Allegorie der Rheinquelle zeigt. Genau in der Mitte über Tafel thront eine kleine nackte Figur, die Dionysos, den antiken griechischen Gott des Weines darstellt.

Bei dem Objekt handelt es sich um einen Kupferstich in Schwarz-Weiß, der nachträglich von Hand koloriert wurde. Ein besonders auffälliges Merkmal ist die farbenfrohe Einzeichnung der territorialen Grenzen. Denn die Karte zeigt die politische Situation des abgebildeten Gebiets im 17. Jahrhundert. Die Namen der Territorien sind fast alle auf Lateinisch eingezeichnet und die Städte und Orte auf Niederländisch. Wichtige Reichsterritorien sind farbig markiert. Die farbliche Kennzeichnung erfolgt in Gelb, Magenta, Blau und Orange. Kleinere Herrschaften sind hingegen nicht oder unregelmäßig eingezeichnet. Auf der Karte nehmen Flüsse eine große Rolle ein. Insbesondere der Rhein, der von seiner Mündung in die Nordsee bis hinter Koblenz abgebildet ist, ist deutlich zu erkennen. Die beiden weiteren in der Überschrift angegebenen Flüsse Mosel und Maas sind auch zu sehen, obwohl die Maas eine deutlich präsentere Rolle einnimmt; die Mosel ist mit Ausnahme ihrer Mündung fast gar nicht zu sehen.

Bei der vorliegenden Karte handelt es sich nur um einen Teil einer eigentlich viel größeren Karte, die den kompletten Rhein von der Quelle in der Schweiz bis hin zur Mündung in die Nordsee zeigt. Auf dem zweiten Kartenteil findet sich oben links ein großes Band, dass die Wappen einiger Anrainerstaaten des Rheins präsentiert. Das Fehlen der zweiten Hälfte kann so erklärt werden: Die Karte wurde mit zwei separaten Druckplatten hergestellt und erst nach dem Druck wurden die beiden Papiere zusammengefügt. Die Karte gewinnt somit erheblich an Breite und wird je nach Exemplar über 90 cm breit. Es ist also nicht unbedingt auffallend, wenn man nur den einen Teil der Karte in der Hand hält.

Ein konkreter Urheber der Karte lässt sich nicht bestimmten. Unter dem Namen ‚Nicolaes Visscher‘ veröffentlichten sowohl Nicolaes I. Visscher (1618–1679) als auch sein Sohn, Nicolaes II. Visscher (1649–1702) ihre Karten und Atlanten. Die Karte erschien wahrscheinlich zwischen 1656 und 1702 (vielleicht sogar 1726) im Verlagshaus der Familie Visscher. Auch wenn die vorliegende Karte von Visscher stammt, gibt es noch zahlreiche andere Verleger, die in ihren Werken und Atlanten die Rhein-Karte verwendet und publiziert haben. Die Geschichte des Kartenmotivs lässt sich mindestens bis zum Jahr 1635 zurückverfolgen. In diesem Jahr erschien die Karte beim Verleger Willem Janszoon Blaeu (1571–1638) in seinem Atlas Theatrum Orbis Terrarum. Die vielen Varianten zeigen, dass die Druckplatte der Rheinkarte vielfältig wiedergenutzt oder imitiert wurde und bei diversen Verlegern sehr gefragt war.

Quellen:
VISSCHER, Nicolaus [II]: Catalogus van groote en kleene Land-Kaerten, Steden, Print-Kunst En Boecken. Van Nicolaes Visscher van Amsteldam. t ́Amsteldam; Op den Dam, in de Visscher, Amsterdam 1682, in: Jan van de Waals (Hrsg.): Prenten in de Gouden Euw. Van kunst tot kastpapier, uitgegeven bij de gelijknamige tentoonstelling in Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam 2006, S. 219–229.

Literatur:
HOLLSTEIN, Friedrich Wilhelm Heinrich: Hollstein’s Dutch and Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts ca. 1450–1700, Bd. 37: Claes Jansz Visscher to Claes Claesz Visscher II [Nicolaes Visscher II], 2 Teilbd: Text/Plates, Roosendaal 1991. KOEMAN, Cornelis: Atlantes Neerlandici. Bibliography of terrestrial, maritime and celestial atlases and pilot books published in the Netherlands up to 1880, Bd. 3: Merula-Zeegers, Amsterdam 1969

Internetressourcen:
VISSCHER, Nicolaes [II.]: Karte RHENVS Fluviorum Europae celeberrimus cum MOSA MOSELLA, et reliquis in illum se exonerantibus fluminibus, Amsterdam circa 1690, in: The David Rumsey Map Collection.

2022-11-07