Ansichtssache!

Abraham Ortelius - Das antike "Belgien"

Kartograph/Verleger Abraham Ortelius (1527–1598)
Kartentitel BELGII VETERIS TYPUS
Übersetzung Kartentitel Die Gestalt des alten Belgiens
Erscheinungsort Antwerpen
Datierung 1584
Objektmaße 40,1 x 55,3 cm (Blatt); 38,1 x 48,8 cm (Platte)
Inventar-Nr. Gr 20
Gebiet Ehemalige antike römischen Provinz Gallia Belgica, umfasste die
heutigen Benelux-Staaten, die angrenzenden linkrheinischen
deutschen Gebiete und den Norden Frankreichs

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Das Theatrum Orbis Terrarum des Abraham Ortelius, das diese Karte enthält, gilt als das erste moderne Atlaswerk. Es erschien zwischen 1570 bis 1612 (also auch nach dem Tode des Abraham Ortelius) in zahlreichen Auflagen, verfasst in verschiedenen Sprachen. Das vorliegende Blatt ist einer lateinischen Ausgabe des Jahres 1584 entnommen.

Die Karte zeigt die römische Provinz Gallia Belgica mit den angrenzenden Territorien Britanniens und Germaniens. Die Provinz wird detailliert kartographisch dargestellt, die Informationsfülle für die angrenzenden Gebiete ist marginal. Die Karte ist genordet. Sie besticht durch eine präzise Wiedergabe der Flussverläufe, darunter Rhein und Maas, Mosel und Schelde, und eine genaue Topographie der Städte. Die durch Sturmfluten (2. Hälfte des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts) entstandene Zuiderzee existierte zur Zeit Julius Caesars und Augustus‘ noch nicht. Die antike Moor- und Seenlandschaft wurde durch den Lacus Flevus dominiert. Er ist in der Karte angegeben, ebenso der unter Drusus im Jahre 12 v. Chr. erbaute Verbindungskanal vom Rhein zu diesem See, der den Weg der römischen Flotte in die Nordsee für die geplante Eroberung Germaniens verkürzen sollte. Die kartographische Darstellung der antiken Moor- und Seelandschaft konnte von Ortelius aufgrund fehlender präziser Quellen nur ungenau und ein wenig willkürlich festgelegt werden. Der waldreiche Süden der Provinz mit den Wäldern der Ardennen und der Eifel wird in der Karte besonders betont. Ortelius setzte lateinische Orts- und Flussnamen ein. Die Karte ist durchzogen von Angaben über die ansässigen germanischen Stämme, etwa die Ubier in der Umgebung von Köln oder die Eburonen; der querende Schriftzug „CELTAE“ weist die Provinz als keltisches (oder gallisches) Gebiet aus.

Die Erstauflage des Theatrums erschien 1570, nachdem Philipp II. (1527–1598) die Herrschaft von seinem verstorbenen Vater Karl V. (1500–1558) übernommen hatte. Als die lateinische Ausgabe mit der vorliegenden Karte im Jahre 1584 erschien, herrschte der spanisch-niederländische Krieg bereits seit 25 Jahre, der mit der Schlacht von Dahlen (dem heutigen Mönchengladbacher Vorort Rheindahlen) 1568 ausgebrochen war. 1579 hatten sich die nördlichen Provinzen der Niederlande in der Utrechter Union zusammengeschlossen und 1581 die Republik der Vereinigten Niederlande gegründet. Ortelius, der in Diensten Philipps II. stand, beschwört mit dieser Karte die Einheit der Niederlande, indem er sie in die Tradition der römischen Provinz Gallia Belgica setzte, ein unter römischer Herrschaft politisch geeintes Territorium. Die Inschriften der verschiedenen Kartuschen verstärken dies. In einer Rollwerkkartusche wird die Karte mit „BELGII VETERIS TYPUS“ betitelt. Es wird also „die Gestalt des alten Belgiens“ (entsprechend der Provinz Gallia Belgica) herausgestellt und damit auf die Beziehung der damaligen Niederlande zur antiken römischen Provinz hingewiesen. In einer zweiten Kartusche beginnt eine Widmung mit „S.P.Q.A.“ („Senatus Populusque Antverpensis“) in Anlehnung an das antike römische Vorbild „Senatus Populusque Romanus“. Entsprechend der Textinschrift widmet der Bürger Ortelius („civis Ortelius“) das Vaterland, das aus seiner Hand wiedererstanden ist, dem antikem Vorbild.

Quellen:
Abraham Ortelius, Theatrum Orbis Terrarum. Gedruckt zu Nuermberg durch Johann Koler Anno MDLXXII. Mit einer Einführung und Erläuterungen von Ute Schneider, 2., unveränd. Aufl., Darmstadt 2007.

2022-11-07