Das Mühlenaktiv: Denkmalpflege von unten

Resümee - A. I. Schnapka

Betrachtet man den Inhalt der Archivkartons, die bei der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V. als Vorlass von Bernd Maywald lagern, wird man unweigerlich neugierig auf mehr. Mehr Hintergrundinformation, mehr Material. Einerseits sind da die Spuren des Entertainers Maywald, über die man schnell hinweglächeln könnte - ein Mühlenverrückter eben - die aber bei genauer Betrachtung kaum kaschieren, wie hartnäckig Maywald der rationalen Denkmaltheorie folgte, um über den Wert der "Sachzeugen" zu urteilen. Dann die Updates auf Postkarten von "Mühlenfreunden" oder "Mühlenfans", die inhaltlich fundiert Informationen zu Mühlenstandorten lieferten. Was für eine Art von Mühlenrettung war das eigentlich Anfang der 1980er Jahre? Und wieso korrespondiert die Denkmalpflege so selbstverständlich mit einem Fernsehregisseur, dessen "Hobby" Mühlen waren? Was war da los, bei diesem Mühlenaktiv, das in der äußeren Gestaltung von Berichten so etwas bastelstundenhaftes verströmte, aber mit wissenschaftlichen Großkalibern wie Dr. Otfried Wagenbreth und Dr. Hermann Wirth Hand in Hand daran arbeitete, um irgendeinen schiefen Windbock zu retten? Denkmalpflege von unten? In der DDR?

Wie eingangs zu diesem Themenportal erwähnt, bewahrt die Mühlenvereinigung nur einen Teil der Sammlung, ein anderer Teil lagert beim Deutschen Technikmuseum Berlin. Das in den Räumlichkeiten der Historischen Mühle von Sanssouci vorhandene Material ist lediglich in einigen Passagen sortiert - mal chronologisch, mal thematisch, mal gar nicht. In den rund zehn Jahren Bewahrung des maywaldschen Archivguts wurden teilweise Recherchematerial sowie Fotoabzüge entnommen und in die Mühlenkartei des Verbandes integriert - was Sinn macht, weil dieses Material, neben weiteren Dokumenten, die Grundlage für Begutachtungen und Dokumentationen liefert, die nach wie vor durchgeführt werden. Nahezu jede Brandenburger und Berliner Mühle hat hier ihre "Patientenakte" vorliegen, die bei einer erforderlichen Untersuchung zu Rate gezogen und ergänzt wird.

Die Idee, nach der Digitalisierung des Diapositivbestandes, auch die Karteikarten mit ihren Schwarz/Weißaufnahmen digital zu erfassen und das aus diversen Dokumenten bestehende Zusatzmaterial in einem Themenportal vorzustellen, war schnell gefasst. Welch ein Ausmaß allerdings die Recherche einnehmen würde, zeigte sich erst während des Projekts. Das Mühlen ein "spezielles" Thema sind, war klar. Die Funktionsweise von Mühlen, ihre Bedeutung in der Geschichte und die Schaffung von Grundnahrungsmitteln sind (seltsamerweise) kein Allgemeinwissen. Das aber nahezu der gesamte Kontext der hier ausgewählten und vorgestellten Dokumente, wie z.B. das Institut für Denkmalpflege, die Massenorganisation Kulturbund der DDR (die eben nicht nur aus Schriftstellern und Künstlergruppen bestand) und ihre mannigfachen Abzweiger und Unterorganisationen, in Stadt-, Kreis-, und Bezirksräten, sowie das gigantische Gefüge von Ehrenamtlichen, der ganz eigene Bereich der betrieblichen Sonderregelungen und so weiter und so fort, dass dieser Kontext bisher kaum gesellschaftlich oder wissenschaftlich aufgearbeitet wurde, damit hatte zumindest ich nicht gerechnet.

Das Themenportal stellt einen V e r s u c h dar, Auszüge des Materials in ihren Kontexten vorzustellen. Gespräche mit Zeitzeugen waren erhellend, vor allem dahingehend, dass noch lange nicht alle Zusammenhänge, Erfahrungen, Faktoren gefunden oder berücksichtigt waren. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Jahresangaben nicht in jedem Falle verifiziert werden konnten - die Erinnerungen schwanken, die Dokumentenlage ist zu dünn. Gelegentlich zeigte sich ein gewisses Unverständnis, wenn man nach Umständen fragte, wie z.B.: "Wie kam es zur Gründung des Mühlenaktivs?" Keiner der Befragten konnte dazu konkrete Angaben machen - das Wie war ja auch nicht wichtig, dass es sich gegründet hat, war entscheidend. Dieser ergebnisorientierte Pragmatismus zeigt sich in den damaligen Beratungsprotokollen und ist bei den Beteiligten auch heute noch wahrnehmbar. Ein Umstand, der die Arbeit an diesem Themenportal positiv beförderte.

Klar ist, das Maywaldmaterial bietet manche Ausgangspunkte und viele Anregungen für weitere Forschungen. Das weite Feld der Institutionen habe ich bereits erwähnt. Die Geschichte der Definition und Anerkennung von technischen Denkmalen ist ein weiteres zu erforschendes Areal, dessen Spannungsbogen sich international ausdehnt. Auch heute noch scheinen in einigen Landesdenkmalbehörden die technischen Denkmale die Schmuddelkinder zu sein, bei denen man nicht so genau hinschauen muss.

Das Schlagwort "Mühlensterben" beinhaltet ein großes Spektrum von Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung - soweit nichts Neues. Betrachtet man folgende Passage des oben zitierten Gerichtsbeschlusses und vergleicht hier das marktwirtschaftliche mit dem planwirtschaftlichen Mühlenreduktionsszenario, eröffnet sich eine ganz neue Forschungsperspektive:

IV 46,b): Der Vorschlag, der Staat solle stillgelegte Mühlen übernehmen und bereithalten, um sie in Notzeiten in eigener Regie zu betreiben, wäre kaum zu verwirklichen. Abgesehen davon, daß die "Sozialisierung" von Mühlen ein erheblicher Eingriff in die Privatautonomie wäre, könnte dieses "System der eingemotteten Staatsmühlen", wie die Mühlenstelle einleuchtend dargelegt hat, praktisch nicht funktionieren. Dem Gesetzgeber kann nicht angesonnen werden, eine solche mit weittragenden Eingriffen in das private Eigentum verbundene, dazu kostspielige und unpraktische Maßnahme zu ergreifen. (14)

Es finden sich wohl in jedem Kapitel dieses Themenportals Ansätze zu Fragen. In diesem Sinne möge die Lektüre Anregung sein für alle, die sich weiter mit dieser Thematik beschäftigen möchten.

2022-09-04