Das Mühlenaktiv: Denkmalpflege von unten

Nachwort - Mühlen und deren Erhaltung heute

Bei ihrer Gründung im Dezember 1990 konnte die Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V. zu einem gehörigen Teil auf Mitglieder des Arbeitskreises Mühlen zurückgreifen. Zu ihnen gehörten Helmut Schenke, Dr. Heinrich Herzberg, Dirk Rösner und Friedhelm Nicks, der der erste Vorsitzende wurde. In gewisser Hinsicht gab es das Ansinnen, die Tradition aus dem AK Mühlen fortzuführen, mit der immer auch ein fachlicher Anspruch an Erhaltung und Nutzung von Mühlen verbunden war und ist. Seitdem konnte sich die Vereinigung zu einem vielseitig gefragten Netzwerk für die Dokumentation und Erhaltung von historischen Mühlen entwickeln. Dazu gehört auch eine rege Akkumulation von Wissen.

Im Müllerhaus der Marzahner Mühle in Berlin hat sich Jürgen Wolf, neben seiner beruflichen Tätigkeit, als Vereinsmitglied über viele Jahre der Pflege des Mühlenstandortarchivs sowie der Sammlung von Fachliteratur und Archivalien gewidmet. Er kaufte auch einen Teil der Sammlung von Bernd Maywald an. Ab 2010 verlagerte sich der Archivstandort peu à peu nach Potsdam in die Geschäftsstelle der Vereinigung. Zunächst gab es keine konkrete Idee, was mit der (Teil-)Sammlung aus dem Mühlenarchiv von Bernd Maywald „anzustellen“ sei.

Über ein Verbundprojekt des Museumsverband Brandenburg e.V. zu Fotografen in Brandenburg ergab sich die Möglichkeit, mit der Erschließung und Digitalisierung eines ersten Teils der Diasammlung zu beginnen und sie in museum digital zu zeigen. Mehrere Projektabschnitte, unterstützt durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, folgten. Bei der Bearbeitung ging es recht schnell auch um die Frage, wie der weitere Bestand erschlossen werden könnte, der nicht aus Fotos besteht.

Es gibt zwar zeithistorische Forschungen und Abhandlungen zur Arbeit des Kulturbunds der DDR, jedoch all das, was mit dem Bereich der technischen Denkmale und speziell mit Mühlen zusammenhängt, ist bisher kein Forschungsgegenstand gewesen. Daher rührte der Gedanke des Aufbaus eines Themenportals, das die (Foto-)Sammlung Maywald in einen Kontext setzt und auf das Wie der Arbeit im Mühlenaktiv/Arbeitskreis Mühlen eingeht.

Heute sind im Land Brandenburg über 200 Mühlen in der Landesdenkmalliste verzeichnet. Gewerblich arbeiten jedoch nur noch knapp 10 Betriebe. Ist handwerkliche Müllerei bald ein ausgestorbenes Handwerk? Die Technik- und Industriedenkmalpflege hat einen hohen Stellenwert für unser Bundesland – im BLDAM (Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum) gibt es ein Fachreferat mit zwei kompetenten Mitarbeiterinnen. Mühlen können von der Landesdenkmalhilfe partizipieren und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg fördert die Geschäftsstellentätigkeit der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V. Dadurch ist es den Mitarbeitenden der Vereinigung möglich, Einzelprojekte zu bearbeiten und Fragestellungen nachzugehen. Brandenburg ist damit ein bundesweiter Leuchtturm.

Mühlenerhaltung erfolgt heute in der Regel auf Basis ehrenamtlichen Engagements von lokalen Vereinen oder von Privateigentümern. Sie verfügen oft über wenig Erfahrungen im Umgang mit der Maschine Mühle und den notwendigen Erhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen. Hier fungiert die Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V. mit ihrer umfangreichen Fachbibliothek als Wissensspeicher und vermittelt ein breites Spektrum an Kompetenzen in maßgeschneiderten Workshops.

Ohne das Engagement der öffentlichen Hand und der Institutionen, deren Aufgaben im Denkmalschutzgesetz festgelegt sind, geht es jedoch nicht. Mühlen unter Schutz zu stellen, führt nicht zwangsläufig zu ihrem langfristigen Erhalt. Auf diesen Gebieten bestehen große Zukunftsaufgaben. Die systematische Dokumentation und Inventarisierung von Mühlen gehört ebenfalls dazu. Hierzu entwickeln wir gemeinsam mit dem BLDAM einen Dokumentations- und Erfassungsstandard für Mühlen.

Was fehlt und einer Diskussion und Erarbeitung harrt, sind Grundsätze für eine Restaurierung des technischen Kulturguts Mühle. Mühlen baulich zu ertüchtigen, den vorgefundenen Bestand an Inventar zu konservieren greift zu kurz, so kann kein Bild einer aktiven Mühle vermittelt werden. Mühlen müssen in ihrer kulturlandschaftlichen Verortung gesehen werden. Windmühlen brauchen Windfreiheit für ihren solitären Standort und Wassermühlen die z.T. über Jahrhunderte bestehende Möglichkeit, die Kraft des Wassers zu nutzen. Es darf nicht nur um den konservierenden Erhalt von baulichen und technischen Anlagen gehen, sondern auch um deren Nutzungsfortschreibung.

Nutzung geht immer einher mit der Bewahrung oder dem Erlernen von Wissen, ohne das technisches Kulturgut nicht wirklich in lebendiger Art und Weise erhalten werden kann.

Mühlen aus ihrem Nischendasein im gesellschaftlich-kulturellen Bewusstsein herauszuführen ist eine bis heute notwendige Fortsetzung dessen, was 1982 mit der Gründung des Mühlenaktivs begann.

 


Ein großer Dank geht an Anja Isabel Schnapka. Sie, die zuvor keine Berührungspunkte zu Mühlen hatte, wurde neugierig und nahm sich des Themas nicht nur als reine Dokumentarin an, sondern entwickelte eine breitgefächerte Sichtweise auf die „Mühlenerhaltung von unten“.

 


Potsdam im September 2022

Torsten Rüdinger und Frederic Schüler

2022-09-05