Das Mühlenaktiv: Denkmalpflege von unten

Westkontakte

Der Austausch mit Mühleninteressierten außerhalb der Staaten des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) begann für Maywald 1982 mit dem Erscheinen der gelben Broschüre Wind- und Wassermühlen als technische Denkmale. In einem so speziellen Fachgebiet wie der Molinologie erregte eine Publikation, die einen würdigen Stellenwert für Mühlen als Technische Denkmale zu etablieren sucht, international Aufmerksamkeit. So erhielt Maywald Anfragen aus dem Ausland und wurde Ehrenmitglied der TIMS. Staatsangehörigkeit und Ideologien spielten keine Rolle.

Im hier als PDF bereit gestellten Beitrag aus der Molina (6) schildert der hessische Mühlenkundler Karl-Heinz Schanz, wie er auf Bernd Maywald gestoßen ist und wie dieser Kontakt zu einem regen Austausch zwischen Mühlenfreunden in Ost und West führte. Im Mühlstein, dem Periodikum der DGM, wird dieser Prozess in Berichten begleitet. Die Mühlenaktivs aus den DDR-Bezirken formieren sich 1990 größtenteils zu eingetragenen Vereinen und treten der DGM bei. Diskussionen um den Erhalt von Wind- und Wassermühlen werden hier vehement weitergeführt. Die im Osten viel zu rasch vollzogene radikale Wertewandlung alarmierte Mühlenaktivisten in Ost und West, wie dieses Zitat aus dem Mühlstein belegt:

Akute Gefahren für Kulturerbe Die lawinenartigen Veränderungen, die sich in den fünf neuen Bundesländern im abgelaufenen Jahr 1990 ereigneten, haben in vielen Bereichen Anlaß zu großer Sorge gegeben, so auch im Bereich der Erhaltung und Bewahrung baulicher Substanz. Sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern gibt es dazu Stimmen, die vor den Folgen schneller Modernisierung in den neuen Bundesländern warnen. So schreibt Dr. Hermann Wirth, Dozent an der Hochschule für Architektur in Weimar, über die zu diesem Thema anläßlich der Gründungsversammlung des Thüringischen Mühlenvereins geführte Diskussion: „Dabei wurde deutlich, daß akute Gefahren für das technikgeschichtliche Erbe bestehen – Gefahren, die nicht mehr durch kulturfeindliche SED-Funktionäre, sondern von Verfechtern einer „aufgeräumten“ (oder ausgeräumten) Umwelt in der Ex-DDR sowie durch den Druck des kulturellen undisziplinierten Kapitals ausgehe, was vor Denkmalen nicht haltmacht. Die allgemein geteilte Sorge mündet in folgenden Aufruf an Interessenten und Betroffene, an Verantwortliche und Behörden: Erhaltet, bewahrt, schützt das technische Erbe; laßt nicht zu, daß der durch Verfall und Verschandelung reduzierte, immer noch reiche Bestand technik-geschichtlicher Sachzeugnisse aus der Kulturlandschaft verschwindet!“ Julius H.W. Kraft, Ehrenvorsitzender der Interessensgemeinschaft Bauernhaus e.V., die sich mit der Erhaltung und Bewahrung ländlich-dörflicher Strukturen und Bausubstanz befaßt, mahnt in einem offenen Brief im „Oberlausitzer Kurier“: „Überlegt jeden Schritt! Schnelle Entscheidungen taugen meist nicht viel, lassen sich im nachhinein nicht korrigieren. Laßt Euch nicht einreden, dass Ihr bankrott seid! Die das behaupten, möchten Euch möglichst bequem und billig einkaufen --- Seid Euch bewußt, was Ihr mit Eurer Heimat für kulturelle Werte einbringen könnt, was Eure Landschaft für den aufblühenden Tourismus bedeuten kann. Erhaltet Eure Landschaftsprägenden Bauten. Eure Ortsbilder sind das Kapital von morgen; wenn Ihr diese aufgebt, dann seid Ihr über kurz oder lang bankrott! … Ich kann Euch nur beschwören, macht nicht die gleichen Fehler, die wir in der Bundesrepublik gemacht haben. Alles, was Ihr wegschmeißt, ist unwiederbringlich verloren. Wir haben in der Nachkriegszeit mehr zerstört als im Krieg selbst! In der Wiederaufbaueuphorie ist so vieles verlorengegangen und unüberlegt weggerissen worden. Im nachhinein ist das Bedauern groß, doch diese Entscheidungen sind meist nicht zu korrigieren. Laßt Euch nicht verführen. Ich kann verstehen, daß Ihr schnell aufbauen wollt, doch laßt Euch Zeit, da habt Ihr bessere Ergebnisse, und die nächste Generation wird Euch an Euren guten Leistungen messen!

Dem ist aus der Sicht der „Mühlstein“-Schriftleitung nichts hinzuzufügen.*

 

*Scheweling, G. Akute Gefahren für Kulturerbe. In: (5) Der Mühlstein 1991, H. 1, S. 5.

2022-09-07

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