Das Mühlenaktiv: Denkmalpflege von unten

Diffuse romantische Verklärung … und andere Sünden

  Im allgemeinen Bewusstsein ist von der früher massenhaften Existenz der Wind- und Wassermühlen nicht viel übriggeblieben. „Die Handwerksmühlen sind eine Projektionsfläche für die vergangene und vermeintlich 'heile Welt' geworden. Es entsteht ein idyllisches Bild ländlichen Lebens“* mit Wind- und vor allem Wassermühlen, die mit der Realität von harter, teilweise gefährlicher Arbeit in Abhängigkeit von schwer berechenbaren Elementarkräften nur selten zusammenpasst.

Schon um 1900 und fortlaufend, in Ost und West gleichermaßen oft, wurden Mühlen zu Ausflugslokalen umfunktioniert. Meist ausgestattet mit einem kläglichen Rest dekorativer, aber nicht allzu verwirrender Mühlentechnik, wurden sie zu Orten der Erlebnisgastronomie. Eine besondere Ausformung erlebten Mühlen in nichtmüllerischem Privatbesitz, die zu Wochenendhäusern oder Wohnungen umfunktioniert wurden, wie einige hier gezeigte Beispiele belegen. In den meisten Fällen jedoch, verfielen die Mühlen schlichtweg.

Bis Ende der 1960er Jahre gab es in der DDR kaum gesellschaftliche Akzeptanz zum Erhalt von Kulturerbe: „Politisch war [es] auch suspekt - ‘Früher‘, das waren die Junker und Kapitalisten. Wir haben sie entmachtet und nun zerstören wir auch ihre baulichen Hinterlassenschaften.“ (PR)**

Chronische Materialknappheit führte derweil dazu, dass aufgegebene Mühlen als Bauholzspender dienten, denn besonders Holz war begehrt, wie die Fotografie der Bockwindmühle Schönebeck-Felgeleben belegt. Auch Dielen und Treibriemen aus Leder wurden beispielsweise aus der Lobbeser Windmühle geräubert.*** "Buntspechte" also Altmetallsammler sabotierten den Mühlenrettungsversuch eines Müllers in Remkersleben (Börde), der fehlende Eichenschindeln leichtfertig mit Aluplättchen ersetzte. Eine statisch stabile Bockwindmühle in Stölln fiel "zufällig und ohne Zeugen" entgegen physikalischer Gesetzmäßigkeiten um. Windmühlen haben auch gerne mal gebrannt. Für einen "heißen Abriss" gab es keine konkreten Hinweise, es wurden auch keine gesucht, ein Blitzschlag, so die übliche Erklärung. Von der abgebrannten Bockwindmühle Drewitz bei Potsdam hieß es, Kinder seien zum Zündeln in der Mühle ermuntert worden.

 


*Sammlung: Der romantische Blick auf die Mühlen (Historische Mühle von Sanssouci)

** PR = Peter Rüegg, Zitate aus (2): Unveröffentlichte Notizen zur Arbeit im Kulturbund als geschäftsführender Sekretär der Gesellschaft für Denkmalpflege, aufgezeichnet 2005 für die Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg e.V. 

*** (3) Mühlennachrichten aus Berlin und Brandenburg, Dez 2017, S.11

2022-09-07

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