Weltreich & Provinz

Die Frieden von 1648/1659

Die Westfälischen Friedensschlüsse von 1648 scheinen aus historischer Perspektive zwar nach rund 30 bzw. 80 Jahren endlich eine Friedensperiode in den Grenzen des Alten Reichs und Mitteleuropas zu etablieren, für die Beteiligten dauerte der Übergang von Krieg zu Frieden oft rund zwei Jahre: Sowohl die Widrigkeiten der Kommunikationsverhältnisse der Frühen Neuzeit, die Aufgabe von Besatzungen und das Rückführen der Truppen sowie die latente Befürchtung neuerlicher Auseinandersetzungen ließen die Grenzen von Krieg und Frieden verschwimmen.

Krieg und Kriegsgefahr blieben parallel zu den bereits seit 1635 mit dem gescheiterten Prager Frieden mit Unterbrechung laufenden Friedensverhandlungen weiterhin ein legitimes Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen. Die Einbeziehung ausländischer Kriegsparteien wie Schweden oder Frankreich, die qua ihrer Konfession in den Krieg eingetreten waren, erforderte es, die Verhandlungen nach Kriegsparteien zu trennen. In Münster wurde der Frieden zwischen Frankreich und dem römisch-deutschen Kaisertum verhandelt, während in Osnabrück der Konflikt mit den Reichsständen und Schweden beigelegt wurde.

Auch war es der Vrede van Munster, der den niederländisch-spanischen Krieg beendete und die de facto seit 1579 bestehende Unabhängigkeit der Republik der Zeven Verenigde Provinciën festschrieb. So heißt es im Friedensvertrag über diesen jetzigen und ewigen Frieden, dass der spanische König

»[…] erkläret […] und erkennet, daß die […] Staten General der vereinigten Niederlanden […] seyn freye und niemand unterworfene Staten, Provinzien und Länder, auf welche höchstgedachter Herr König nichts praetendirt, noch auch jetzt oder nochmalen vor ihne selbsten, seine Nachfolger im Reich und Nachkömmlinge immermehr etwas praetendiren soll.«

Für die Verhandlungen trafen sich seit 1643 109 diplomatische Gesandschaften aus 16 europäischen Ländern, 140 Reichsstände und 38 am Ausgang der Verhandlungen interessierte Herrschaftsträger. Unter den zahlreichen Diplomaten fand sich auch der frühere päpstliche Nuntius zu Köln Fabio Chigi (1599–1667), der spätere für das heutige barocke Stadtbild Roms so bedeutende Papst Alexander VII., der als päpstlicher Diplomat zwischen dem katholischen Spanien und ihren Gegnern Frankreich-Schweden vermitteln sollte. Auf seinen Reisen verweilte Chigi in der St. Vitus Abtei von Gladbach und bei den Kapuzinern in Jülich, wo er beim dortigen Festungskommandanten die Begnadigung für zwei geflohene Italiener, vermutlich desertierte Söldner, erwirkte. Chigi berichtet uns von dem interessanten Umstand, dass sowohl bei seinem Einzug in die Stadt Jülich um 3 Uhr nachmittags, als auch wenige Tage später bei seinem Einzug in tiefster Nacht in die Stadt Aachen zu seinen Ehren die Kanonen der Stadtbefestigung mit schreckliche[m] Lärm und Kanonengeböller abgefeuert wurden. Ob es sich hierbei um eine Alltagserfahrung für die kriegsgeplagte Bevölkerungen oder um ein besonders nachts Schrecken verbreitendes Szenario handelt, berichtet er leider nicht.

Für die Rheinlande und den Niederrhein waren die Westfälischen Friedensschlüsse aber ein pax imperfecta, da sich die spanische Monarchie noch ganz elf weitere Jahre mit Frankreich im Krieg befinden sollte. Aus strategischer Sicht konnte Spanien daher nicht auf die Sicherung der Spanischen Straße als Nachschublinie durch Festungsbesatzungen am Niederrhein verzichten. Durch den endgültigen Verlust der nördlichen Niederlande verlagerte sich diese jedoch weiter in den Süden. Köln und Trier kamen hier besondere Bedeutung zu. Die grundsätzliche Bedeutung der in Münster und Osnabrück geschlossenen völkerrechtlichen Verträge und zugleich eines Art Reichsgrundgesetzes wird hiervon aber nicht geschmälert: So waren u.a. zukünftig die drei Konfessionen im Reich gleichberechtigt und es wurde sich auf ein »Normaltag« (1.1.1624) der geistlichen und weltlichen Rechtsverhältnisse geeinigt, die wiederherzustellen waren. Auch die Souveränität der mächtigen Reichsfürsten gegenüber dem Kaiser wurde gestärkt und in der Folge ein »immerwährender« Reichstag als dauerhaftes Kommunikationsforum und Aushandlungsgremium eingerichtet.

Die Entscheidungen territorial- und mächtepolitischer Couleur dieser Kongresse wirken bis in die jüngste Zeit fort:  Die Unabhängigkeit der de facto seit 1579 selbstständig agierenden nördlichen Niederlande wurde formell anerkannt, die Schweizer Eidgenossenschaft wurde unabhängig vom Alten Reich und umfangreiche territoriale Neuordnungen sollten für die Kriege entschädigen, darunter u.a. die endgültige Abtretung der kaiserlichen Rechte auf das Elsass an Frankreich oder weite Teile des heutigen Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns an Schweden, welches fortan als Reichsstand auf Kreis- und Reichstagen stimmberechtigt sein sollte.

Erst der Pyrenäenfrieden zwischen Frankreich und Spanien vom 7. November 1659 sollte das Ende des spanischen Engagements in unserer Region einleiten. Ähnlich der Friedensumsetzungsprozesse im Anschluss an den Westfälischen Frieden führte auch der Pyrenäenfrieden nicht ad hoc zur vollständigen Auflösung sämtlicher Verwicklungen. So ist im Artikel 88 des Friedenvertrags festgehalten, dass die spanischen Truppen aus der Festung Jülich abzuziehen sind. Jülich konnte somit nach rund vier Jahrzehnten wieder in den Besitz seines rechtmäßigen Fürsten übergehen, seit 1653 war es Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg und Jülich-Berg (1615–1690). Auch wurden Vorkehrungen getroffen, damit eine so bedeutende Festung wie Jülich nicht an direkte Verbündete der Generalstaaten oder Frankreich fallen konnte. Das langjährige Ringen um die Besitzrechte und den Abzug des Kriegsgeräts aus der Festung Jülich selbst sollte noch bis 1672 andauern.

2021-10-28

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