Weltreich & Provinz

Niederrheinische Städte unter Spanischem Einfluss

Wechselnde militärische Besatzer waren für die Stadtbevölkerung – verschärft durch zusätzliche Einquartierungen – eine große Belastung.

Im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit war die Festung Jülich 1610 von den possidierenden Fürsten von Pfalz-Neuburg und Brandenburg eingenommen und durch niederländische Truppen besetzt worden. Nach der Belagerung und Eroberung von 1621/22 durch Ambrosio Spinola besetzte spanisches Militär die Festung. Damit war eine wichtige Relaisstation der sogenannten spanischen Straße von Oberitalien in die südlichen Niederlande für die Spanier wieder offen. Der jülich-bergische Landesherr, Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, der in Düsseldorf residierte, hatte deshalb weiterhin keinen Zugriff auf seine bedeutende Landesfestung.

Von 1641 bis zum Abzug der spanischen Truppen im Jahr 1660 war Don Gabriel de la Torre (um 1594–1667) Gubernator von Jülich. Er bewegte sich beständig im Spannungsfeld widerstreitender Interessen der spanischen Regierung in Brüssel, der gegenüber er letztlich alleinverantwortlich war, des Landesherrn in Düsseldorf und der Jülicher Stadtbevölkerung, vertreten durch den Rat. Hinzu kam die militärische Führung von in der Stadt einquartierten Truppen, die ihm mitunter ranggleich waren bzw. nicht seiner Verfügungsgewalt unterstanden. In solchen, sich häufenden Fällen, wurde es für die Stadtbevölkerung hart, war sie doch den Folgen der Einquartierungen schutzlos ausgeliefert. Weder ihr Landesherr, noch der für die Festung zuständige Gubernator konnten sich letztlich schützend vor sie stellen. Finanziell war die Stadt am Ende des Besatzungszeitraums mehr als ausgeblutet und hatte sich bei zahlreichen Gläubigern, darunter dem Gubernator selbst, hoch verschuldet. Zwischen 1610 und 1622 waren die lutherische und die reformierte Gemeinde unter dem Schutz der generalstaatischen Besatzung aufgeblüht. Die Spanier schränkten deren neu gewonnene Freiheiten sofort wieder ein und  unterstützten den Zuzug von katholischen Orden wie den Kapuzinern und den Jesuiten.

Die aus den zeitgenössischen Quellen anschaulich zu beschreibenden Bedrückungen sollen nicht relativiert werden, trotzdem wären die stadtjülich‘schen Quellen insoweit kritisch zu hinterfragen, dass die Folgen der Einquartierungen und anderer Ereignisse meist in düsteren Farben gemalt wurden, um bei den Adressaten um entsprechende Unterstützung zu werben. Die eingeforderten Kontributionen konnten anscheinend am Ende doch immer gezahlt werden, auch wenn man dafür Schulden aufnehmen musste. Die Stadt galt also weiterhin als kreditwürdig – trotz ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge der langen Kriegs- und Besatzungszeit.

Schloss und Herrschaft Rheydt unter dem Schutz der Spanier
Durch die großflächige spanische Offensive am Niederrhein durch Ambrosio Spinola nach der Einnahme von Schloss Rheydt mussten sich die Herr und die Bevölkerung von Rheydt auf absehbare Zeit mit der spanischen Anwesenheit arrangieren. Florens Hattard war in der Lage, über seine Nichte, eine Hofdame der Statthalterin der spanischen Niederlande Isabella Clara Eugenia, im Jahr 1623 einen Schutzbrief für Rheydt und Odenkirchen sowie einen Abzug der spanischen Truppen zu erwirken. Zwei Besonderheiten sind hier zu nennen: Nicht nur war auch die gesamte lokale Bevölkerung in das Schutzversprechen inkludiert, sondern die Infantin erkannte auch die freyherrscafft Rheid an. Die schon unter Otto von Bylandt begonnenen Bestrebungen, Rheydt aus dem Herzogtum Jülich loszulösen, schienen somit vollendet. Die Bedingungen für den Schutz waren aber weitreichend: Nicht nur waren die vorgelagerten Festungswerke des Schlosses zu zerstören, und zukünftige Fortifikationen verboten, sondern es wurden auch umfangreich Truppen in Odenkirchen und Rheydt stationiert. Bis zu seinem Tode 1636 standen Florens Hattard und seine Untertanten unter spanischem Schutz. Danach wurde Rheydt erneut ins Herzogtum Jülich eingebunden und die Herrschaft Odenkirchs ging an Jan van Werth über.

Tatsächlich differenziert das Verhältnis zwischen den spanischen Besatzern und der Jülicher wie Rheydter Bevölkerung das Bild des »bösen Spaniers«. Anders als die niederländischen Truppen, die die Bevölkerung und das Umland mit massiven Schutzabgaben erpressten und gängelten, fügten sich die verbündeten spanischen Truppen ins Alltagsgefüge ein. Für das benachbarte Gladbach zeigen die Taufregister und Heiratsbücher der Jahre 1619–1629 zahlreiche Eheschließungen lokaler Frauen mit spanischen Soldaten. Ebenso belegen Stadtrechnungen die rege Teilnahme spanischer Soldaten an gesellschaftlichen Ereignissen. Konfessionelle Gegensätze zwischen den Herrschenden, die Infantin war katholisch und Florens Hattard calvinistisch, schienen in den Hintergrund getreten zu sein.

Die Festungstadt Rheinberg

Das militärische Ringen um Rheinberg, eine kurkölnische Zollstation am Rhein und Exklave im Herzogtum Kleve, das der Stadt den Ruf der Kriegshure (»putana guerra«) einbrachte, begann infolge des Truchsessischen Krieges. Am 3. Februar 1590 eroberten die Spanier Rheinberg. Es folgte die Vertreibung der Spanier am 20. August 1597 durch die Generalstaaten unter Moritz von Oranien und ein Jahr später die Rückeroberung durch die Spanier unter General Francisco de Mendoza. Einen Tag vor der Eroberung am 15. Oktober 1598 wurde bei der Belagerung der Stadt durch die Spanier ein Pulverturm getroffen. Durch die Explosion wurden große Teil der Stadt stark beschädigt. Bereits 1601 vertrieben die Generalstaaten unter der Führung von Moritz von Oranien die Spanier wieder. Am 1. Oktober 1606 konnte Ambrosio Spinola Rheinberg wiederum in die Hände der Spanier bringen, die die Stadt nun für 27 Jahre besetzt hielten. Die Rückeroberung durch die Generalstaaten erfolgte schließlich am 2. Juni 1633. Erst durch den Feldzug König Ludwigs XIV. 1672 wurden die Niederländer gezwungen, die Festungsstadt Rheinberg zu räumen.

Die Hansestadt Wesel

Anders sah es in der Hansestadt Wesel im Herzogtum Kleve aus. Bereits seit Mitte des 16. Jahrhunderts hatten zahlreiche Glaubensflüchtlinge sukzessive die konfessionelle Zusammensetzung der Stadt verändert. Zudem ermöglichten Flüchtlinge aus den niederländischen Provinzen in den 1540er- und 1550er-Jahren mit ihrem Wissen über die Produktion feiner Tuche einen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt.

Trotz zwischenzeitlicher konfessioneller Konflikte Wesels, die auch die großen Reeformatoren Johannes Calvin und Philipp Melanchthon (1497–1560) nicht auflösen konnte, etablierte die Stadt sich mit Beginn des spanisch-niederländischen Kriege erneut als Fluchtort. Wilhelm V., Herzog von Jülich-Kleve-Berg, indes befahl ob der spanischen Gefahr, die seinem Land drohte, den Weselern sämtliche Aufständischen und Sektierer, auch Calvinisten, auszuweisen. Erst als 1572 ein Gerücht umging, der Herzog von Alba mache mobil gegen Wesel, versuchte man halbherzig die Befehle des Landesherrn umzusetzen: Von den rund 1.000 Zugewanderten wurden 54 zur Befragung vorgeladen und alle schworen, nichts mit dem Aufstand zu tun zu haben. 16 von diesen erhielten wenige Jahre später das Weseler Bürgerrecht.

Indes entwickelte sich Wesel zu einem bedeutenden Produktionsort und Umschlagplatz für Rüstungsgüter: So liefen auch umfangreiche Waffenlieferungen für Wilhelm von Oranien über Wesel und es befanden sich allein 1572 29 Harnischmacher in der Stadt. Neben dem Rüstungssektor waren es auch zugewanderte niederländische Drucker, die in ihren Zeitungen seit 1572 die spanischen Bluttaten anprangerten. Obgleich diese zwei Jahre später ausgewiesen wurden, war Wesel längst in den Fokus spanischer Aufmerksamkeit gerückt.

Die spanische Offensive unter Mendoza, die das Leben Wirich VI. von Daun-Falkenstein kostete und Otto Heinrich von Bylandt vertrieb, erzwang von Wesel ein Schutzgeld in Höhe von 300.000 Gulden und riesigen Getreidelieferungen an die Armee. Konfessionspolitisch setzte Mendoza die spanischen Interessen durch und ließ alle nicht-katholischen Konfessionen verbieten sowie übertrug die Weseler Gotteshäuser an die Katholiken.

Es war jedoch Ambrosio Spinola, dessen Offensive 1614 nicht nur die Eroberung von Aachen, Duisburg oder Orsoy zur Folge hatte, sondern auch die Schlüsselfestung der Spanischen Straße am Rhein und Rüstungsstadt Wesel. Die rund vierzehnjährige Besatzungszeit mit rund 1.000 (zeitweise erheblich mehr) spanischen Besatzungssoldaten war verbunden mit gewaltsamer Rekatholisierung, Verfolgung anderer Konfessionen sowie Unterdrückung der gesamten nicht katholischen Bevölkerung. Die Eroberung durch die Generalstaaten im Jahr 1629 beendete diesen Zustand, jedoch wurde nun das Eigentum der Lutheraner und der Juden Opfer niederländischer Truppen. Erst 100 Jahre später sollten die Lutheraner erneut ein Gotteshaus erhalten.

2021-10-28

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