Weltreich & Provinz

Die Welt um 1600 - Konflikt und Fortschritt

Im 16. Jahrhundert veränderte sich das Bild von der Welt, von Lokalem und Fremden, nachhaltig und verrückte die Position der Erde und damit des Menschen darin unwiederbringlich. Die ratio des Humanismus und das heliozentrische Weltbild stellten die Deutungshoheit der katholischen Kirche in Frage. Parallel dazu zerbrach die Einheit der Kirche, die bis ins 15. Jahrhundert die europäischen Länder auch im Krieg verbunden hatte. Im Zuge des Schismas und der Anerkennung einer neuen christlichen Konfession auf dem Augsburger Reichstag 1555 war Europa, insbesondere das Alte Reich, um eine weitere Konfliktlinie reicher.

Während sich seit Luthers legendärem Thesenanschlag die verschiedenen Konfessionen stritten, rückte das Osmanische Reich weiter auf Europa vor. Die Belagerung von Wien durch osmanische Truppen unter dem Kommando Sultan Süleymans I. dem Prächtigen bedeutete eine existentielle Bedrohung für die österreichische Linie der Habsburger. Letztlich waren es weniger die christlichen Verteidiger, als vielmehr der einsetzende Winter und die schlechte Wetterlage, welche den Vormarsch der Osmanen auf Europa stoppte.

Fortschritte in der Mechanik und der Technik beförderten das Aufblühen der allgemeinen Naturwissenschaften: Das Schleifen von Glaslinsen ermöglichte es mit Fernrohren den Sternenhimmel genauer in Augenschein zu nehmen und mit Mikroskopen die Welt im Kleinen sichtbar zu machen. Die Welt wurde nicht länger nur mit bloßem Auge betrachtet und durch die Schöpfung erklärt.

War es Aufgabe der Kartografie eine räumliche Orientierung für die Menschen auf der Welt zu erschaffen, so nahm die Astronomie für sich in Anspruch die Wunder der Schöpfung zu dokumentieren und zu erforschen. Der Platz des Menschen im Universum, der im über Jahrhunderte dominierenden Ptolemäischen Weltbild im Zentrum angesiedelt war, wurde von Nikolaus Kopernikus (1473-1543), über Tycho Brahe (1546-1601) und Johannes Kepler (1572-1630) bis schließlich Galileo Galilei (1564-1641) nachhaltig verückt. Die einsetzende kopernikanische Wende bedeutete den Niedergang des geozentrischen Weltbildes und den beginnenden Triumph der Wissenschaft über die Deutungshoheit der Kirchen.

Derart fundamentale Umbrüche führten aber auch zu tiefgreifenden Verunsicherungen, die durch die »kleine Eiszeit« weiter verstärkt wurden: Dieses Klimaphänomen sorgte zwischen dem späten 16. Jahrhundert und der Mitte des 17. Jahrhunderts für ein Absenken der Jahresdurchschnittstemperatur um mehrere Grad Celsius. Starke Regenfälle im Sommer, Unwetter, Winter so hart, dass der Rhein bei Köln und auch der Bodensee zugefroren waren, häuften sich. Die Folgen waren gravierende Missernten und Teuerungen, Hungersnöte und Seuchen. Während das goldene Zeitalter der Entdecker, Künstler und Mäzenen ausklingt, wurden religiöse und soziale Minderheiten von der krisengeplagten Bevölkerung für die Nöte verantwortlich gemacht und verfolgt.

2021-11-02

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