"Mach mit!" und Feierabendbrigaden
Als Elektromonteur Jochen Köhler 1976 erfuhr, dass das hochbetagte Müllerehepaar Conrad in Bad Lauchstädt den Verfall ihrer Bockwindmühle mit anschauen musste, beschloss er zu helfen. Er fragte ein paar befreundete Handwerker, wandte sich an den Rat des Kreises Abteilung Kultur und meldete eine Arbeitsgruppe zur Mühlenrestaurierung in Eigeninitiative an. Dieses Ansinnen wurde sehr wohlwollend aufgenommen und unter die Schirmherrschaft des KB gestellt. Auch Köhlers Betriebsleiter war offen für das Projekt. Die Nutzung des firmeneigenen Maschinenparks war kein Problem. Die AG leistete gute Arbeit und so organisierte der KB Informationsveranstaltungen, die Presse erschien, und Bernd Maywald hörte davon. Köhler erfasste in der Folge für Maywald die Mühlen im Kreis Erfurt und Maywald unterstützte Köhler bei weiteren Mühlenrettungsprojekten.
Volkseigene Betriebe hatten durchaus ein Interesse, Imagepflege zu betreiben. Wenn sich Mitarbeiter nach Feierabend für Umweltbelange oder eben Denkmalpflege engagierten, womit sich Traditionsbewusstsein verbinden ließ, wurde das unterstützt. Es gab ein "Gesetzblatt 35"* das den Betrieben ermöglichte - wenn die Betriebsstruktur nicht vernachlässigt wurde, in eingeschränkten Zeiträumen "Feierabendtätigkeit" durchzuführen. Das hieß auch, die Nutzung von Betriebslogistik. Im Maywaldarchiv gibt es auf einem KB-Schreiben einen Hinweis auf Abrechnungsvordrucke für Feierabendbrigaden, ohne nähere Erläuterung.
Bei den Treffen der Mühlenaktivisten waren als Gäste immer auch engagierte Vertreter von Großmühlen, VEB oder LPG oder anderen Betrieben anwesend. So waren noch einige Betriebsleiter in der Lebensmittelverfahrenstechnologie gelernte Müller, die Interesse für den Erhalt alter Mühlen bekundeten und sie konnten Kontingente dafür freimachen, manchmal sogar Material.
Schöner unsere Städte und Gemeinden - Mach mit! - Aktionen waren die unmittelbarste Möglichkeit, Denkmalpflege von unten zu betreiben, Zeitungen griffen diese Maßnahmen auf und berichteten darüber, nicht immer liefen diese Aktionen unter professioneller Anleitung - mit entsprechendem Ergebnis. Die ein oder andere, von den Denkmalpflegern monierte Zufallsrestaurieung, kam sicher auch durch Mach mit! zustande.
*laut JK; nähere Angaben ließen sich noch nicht recherchieren
2022-09-07