Im Osten: Mühlentod durch Unterlassung
„Das letzte große Mühlensterben in der DDR begann in den 1960er Jahren, als mit der Kollektivierung in der Landwirtschaft und der Gründung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) die bäuerlichen Kleinwirtschaften aufhörten zu existieren. Damit verloren viele bis dahin noch arbeitende Handwerksmühlen ihre Kundschaft und wurden stillgelegt.“*(EJ)
Jochen Köhler (JK), später Gründungsmitglied des Mühlenaktivs und Spross einer alten Müller- und Mühlenbauerdynastie, wurde es aus diesem Grund 1969 von seinen Eltern verboten, ebenfalls Müller zu werden. Der Mühlenbestand in der DDR war zu dieser Zeit nur noch zu etwa 15% „[...] im Besitz von Müllerfamilien […], die übrigen befanden sich bereits im Besitz von Privatpersonen, Gemeinden oder Betrieben.“* Deren Bemühung um Erhalt der Objekte in ihrer technischen Funktionsfähigkeit, war mäßig bis gar nicht existent – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Im Wesentlichen fehlte es an Interesse und Verständnis, oder an Mitteln und Unterstützung. Im Gegensatz zum Westen, wo das Demontieren der Mühlenmaschinerie entlohnt und die Gebäude oft abgerissen wurden, ließ man im Osten stillgelegte Mühlen einfach stehen. Der Aufwand rechnete sich nicht. Ein Umstand, der für zahlreiche Sachzeugen der Produktionsgeschichte galt. Für die Denkmalpflege bedeutete das schon ein Einstiegsproblem: "Da die DDR im Grunde ein einziges großes und noch produzierendes Industriemuseum war, hatten wir es schwer, eine Abgrenzung zu finden, wo Denkmalpflege anfängt und wo sie aufhört." **(PR)
Die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten führte dann zu einem weiteren Sterben der Handwerksbetriebe, das ähnlich gründlich wie Jahre zuvor im Westen verlief.
Jedoch führte eine Besonderheit im Osten Deutschlands zu einer im Verhältnis zum Westen deutlich höheren Anzahl an funktionstüchtigen Mühlenanlagen ...
*(EJ) = Erhard Jahn: Mühlenerhaltung in der DDR. Beitrag in: (6) Molina Jg.8, 2020, S.48ff
**(PR) = Peter Rüegg
2022-09-07