Militärischer Versorgungsraum

Erlanger Pantostat

Der "Erlanger Pantostat" ist ein Reizstromgerät, welches u.a. zur Behandlung von sogenannten "Kriegsneurotikern" während des Ersten Weltkrieges eingesetzt wurde. Hersteller war die Firma "Reiniger, Gebert und Schall" aus Erlangen.
Schwarz lackiertes Metallgehäuse mit aufgeschraubtem Motor und zwei seitlichen Tragegriffen, Firmenplakette mit Herstellerangabe auf der Vorderseite. Baujahr: um 1910. Technische Ausstattung: Motorumformer mit Anschluss für eine biegsame Welle, ein Milli-Ampèremeter mit mehreren Messbereichen, sieben Anschlußklemmen. Schalter für Kaustik, Endoskopie, Galvanoskopie und Sinus. Plakette auf dem Umformer mit technischen Daten. Zubehör: Untergestell. Zeitraum der Verwendung: ca. 1910-1935. Geräte dieses Typs wurden von dem während des Ersten Weltkriegs in Ludwigshafen am Rhein auf der "Nervenstation des Königlich bayerischen Reserverlazarettes" praktizierenden Stabsarztes Dr. Fritz Kaufmann in seinem viel beachteten Aufsatz "Die planmäßige Heilung komplizierter psychogener Bewegungsstörungen bei Soldaten in einer Sitzung" in Heft 63/1916 (Feldärztliche Beilage Nr.23) der Münchner medizinischen Wochenschrift empfohlen. Kaufmann schreibt dort u.a.: "Unser Vorgehen setzt sich aus 4 Komponenten zusammen: 1.) suggestiver Vorbereitung. 2.) Anwendung kräftiger Wechselströme unter Zuhilfenahme von reichlicher Wortsuggestion. 3.) strengem Innehalten der militärischen Formen unter Benutzung des gegebenen Subordinationsverhältnisses und Erteilen der Suggestionen in Befehlsform. 4.) unbeirrbar konsequenter Erzwingung der Heilung in einer Sitzung. ... Man muss dem Kranken gegenüber schon während der Vorbereitungstage betonen, dass die Behandlung zwar schmerzhaft ist, dass er aber durch den Strom in einer Sitzung sicher und dauernd geheilt wird. Ein psychischer Schock kann nur dann erzielt werden, wenn man durch den Strom empfindliche Schmerzen auslöst. ... Die Methode verlangt unbedingt eine sehr vorsichtige Indikationsstellung; denn sie ist, wenn länger fortgesetzte Anwendung schmerzhafter Ströme notwendig wird, ohne Zweifel etwas heroisch." (a.a.O., Seite 803) Das in der Kriegspsychatrie des Ersten Weltkrieges bald "Kaufmann-Kur" benannte Verfahren war in der deutschen und österreichisch-ungarischen Militärpsychatrie weit verbreitet, galt in einigen Fachkreisen allerdings als umstritten. Gegen Ende des Krieges geriet die "Kaufmann-Kur" nach etlichen Todesfällen zunehmend in Verruf. Ähnlich drastische "Heilungsverfahren" waren auch in der englischen und französischen Militärpsychatrie üblich. (© HMP Speyer, Ludger Tekampe)
(HMP_Z3 / temporäre Leihgabe des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt bis voraussichtlich November 2018)

(Object from: Historisches Museum der Pfalz - Speyer Original entry)

Material /Technique ...

Stahl, Eisen, Kupfer, Glas, Papier, Gummi

Measurements ...

100 x 70 x 47 cm

[Relation to time] ...

1910-1920