1150 Jahre Stift Wunstorf

Die Reformation im Stift Wunstorf: Wandel des religiösen Lebens und die Bedeutung des frühneuzeitlichen Stiftes innerhalb der evangelischen Kirche des Fürstentums Calenberg

Die Reformation führte zu weitreichenden Veränderungen im und für das Stift Wunstorf. Auch wenn die Reformation in ihrer Frühzeit wohl noch auf die großen Städte im Fürstentum Calenberg-Göttingen, wie Hannover, Göttingen, Nordheim und Hameln beschränkt blieb, erreichten die Umwälzungen den ländlichen Bereich spätestens in der als "Fürsten-Reformation" bezeichneten zweiten Phase ab 1538 und damit auch Wunstorf.

Als sich die reformatorischen Gedanken in ganz Deutschland und darüber hinaus verbreiteten, regierte Fürst Erich I. im Fürstentum Calenberg-Göttingen, als kaisertreuer Katholik stand er der Reformation ablehnend gegenüber. Mit dem Tod Erichs 1540 übernahm seine Ehefrau Elisabeth von Brandenburg die Vormundschaft für ihren gemeinsamen Sohn Erich II. und damit die Regierung des Fürstentums. Elisabeth war seit 1538 bekennende Anhängerin des lutherischen Glaubens und begann umgehend mit der Umsetzung der Reformation im Fürstentum Calenberg-Göttingen. Sie beauftragte noch im selben Jahr den aus Hessen kommenden Antonius Corvinus mit der Ausarbeitung einer neuen Kirchen- und Klosterordnung für das Fürstentum, welche zwei Jahre später in Form der Calenberger Kirchenordnung fertiggestellt wurde.

1542 übernahm Corvinus die Pfarrstelle in Pattensen und wurde zum ersten General-Superintendenten des Fürstentums Calenberg ernannt.

Als Erich II. 1546 mit dem Erreichen der Volljährigkeit die Regentschaft im Fürstentum übernahm, wandte er sich wieder der kaiserlichen Seite und dem Katholizismus zu und versuchte die reformatorischen Bestrebungen seiner Mutter rückgängig zu machen. Dieses Unternehmen war jedoch nicht von langfristigem Erfolg gekrönt und 1553 musste er den Landständen die Freiheit des evangelischen Bekenntnisses erneut zusichern.

Im Zuge der neuen Kirchenordnung wurde das religiöse Leben auch im Stift in Wunstorf lutherisch. Für die Stiftsdamen bedeutete das wohl keine Reduzierung der Gebetsverpflichtungen. 

Viel radikaler wirkte sich der Konfessionswechsel für die Kanoniker aus. Zwar blieben die Präbenden im Wesentlichen bestehen. Der mit ihnen verbundene Dienst an den Altären und in den Kapellen, der mit der katholischen Heilgenverehrung verbunden war, fiel jedoch weg. Die vielen Kapellen um die Stiftskirche herum verloren dadurch ihr Funktion. Die Präbenden dienten nun der finanziellen Unterstützung von evangelischen Amtsträgern und herzoglichen Beamten.

Unter ihnen waren die Generalsuperintendenten, ihr Amt war ab 1593 bis 1725 überwiegend mit dem des Stiftsseniors in Wunstorf verbunden. Das Stift wurde dadurch für fast anderthalb Jahrhunderte Sitz des Generalsuperintendenten und damit das kirchliche Zentrum des Fürstentums Calenberg, was die regionale Bedeutung des Stifts verdeutlicht.

Der Herzog übernahm das Amt der Äbtissin, so dass unter seiner Hoheit eine Vizedechantin bzw. Dechantin an die Spitze der Stiftsdamen rückte.

 

2021-10-12