1150 Jahre Stift Wunstorf

Abhängigkeiten und Interessenkonflikte: Das Stift zwischen Bischof, Stadt und Landesherrn

Das Stift stand in seiner Frühzeit in enger Verbindung zu den Bischöfen von Minden, da es Mindener Eigenkirche war und hatte dadurch eine Vielzahl an Privilegien und Rechten gegenüber der Siedlung und späteren Stadt Wunstorf, welche im Verlaufe der Jahre jedoch immer weiter abnahmen.

So hatte das Stift das Recht, Äbtissin und Vogt (Vertreter des Stifts nach außen, der für Schutz und Gerichtsbarkeit verantwortlich ist) selbst zu wählen. Diese Vogtei hatten die Grafen von Roden bereits im 12 Jahrhundert inne und es kam immer wieder zu Interessenskonflikten zwischen den Äbtissinnen und Grafen. So blieben große Teile der Gerichtsbarkeit in Händen der Äbtissin, während die Grafen für die Blutsgerichtbarkeit (Ahndung von schweren Vergehen, die mit körperlichen Strafen verbunden waren) verantwortlich waren.

Die Geschichte des Stifts in Wunstorf ist geprägt von einer Herrschaftskonkurrenz zwischen den Mindener Bischöfen auf der einen und den Grafen von Wunstorf-Roden auf der anderen Seite. Es kam im Verlauf des 13. Jahrhunderts immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Mindener Bischöfen und den Grafen von Roden, unter welchen auch das Stift litt. Beide Parteien wollten ihre Herrschaft in Wunstorf festigen, was sukzessive zu einem Bedeutungs- und Einflussverlust des Stiftes in Wunstorf führte. 1261 verlieh der Bischof der Stadt Wunstorf das Mindener Stadtrecht, um diese näher an sich zu binden. Es entstand im 13. Jahrhundert der Rat der Stadt Wunstorf und somit ein weiterer Akteur in dem Konflikt um die Vorherrschaft im heutigen Stadtgebiet. Mitte des 14. Jahrhunderts schwand der Einfluss der Grafen von Roden und der Bischöfe von Minden im Gebiet um die Stadt Wunstorf. Dies führte dazu, dass die Grafen von Wunstorf-Roden ihre Grafschaft und weitere Besitzungen 1446 an den Bischof von Hildesheim verkauften, welcher seinerseits die Grafschaft ein Jahr später an den Herzog von Braunschweig-Lüneburg abtrat. Seit 1495 gehörte Wunstorf zum Fürstentum Calenberg.

Auch wenn das Stift über die Jahrhunderte immer ein gewisses Maß an Autonomie gegenüber den rivalisierenden Parteien bewahren konnte, geriet es im Zuge der Reformation in vollkommene Abhängigkeit zu den Landesherren des Fürstentums Calenberg, als Herzogin Elisabeth hintereinander zwei ihrer unmündigen Töchter zur Äbtissin ernannte. Ihr Nachfolger und Sohn versuchte die reformatorischen Bestrebungen seiner Mutter rückgängig zu machen, indem er noch einmal eine neue Äbtissin für Wunstorf bestimmte. Diese wurde jedoch von Elisabeth wieder vertrieben, hielt aber ihren Anspruch auf das Amt bis zu ihrem Tode aufrecht. Bei ihr sollte es sich um die letzte Äbtissin handeln, der Konvent wurde mit der Zeit evangelisch und das Amt der Äbtissin wurde vom Herzog okkupiert. Organisatorisch wurde es durch das einer vom Herzog abhängigen Dechantin ersetzt.

2021-10-11