Die Erforschung des Luftmeeres

International koordinierte Ballonaufstiege zur Erforschung der höheren Atmosphäre

Entwicklungsschub in der Meteorologie durch die Luftschifffahrt und in der Luftfahrt durch die Aerologie

Mit diesem Themenportal stellt das Wettermuseum Telegramm- und Briefdokumente einer historischen Akte vor und fügt historische Fotos und andere Abbildungen zur Veranschaulichung hinzu. Die Akte wurde im Meteorologisch-Magnetischen Observatorium in Potsdam angelegt und umfasst den Zeitraum von 1893 bis 1904. Sie befindet sich heute im Archiv des Wettermuseums.

Die Überschrift dieser Ausstellung wurde von drei Aufsätzen übernommen, die Arthur Berson und D. Hildebrandt in den Jahren 1903 und 1907 in der Berliner Illustrierten Zeitung "Die Woche" veröffentlicht haben (siehe Literaturliste).

Beim Inhalt der Dokumente handelt es sich vor allem um Abstimmungen zwischen den Beteiligten an intenational koordinierten Ballonaufstiegen.  Es sind 46 international koordinierte Aufstiegs- und Beobachtungstermine zwischen dem 26.10.1900 und dem 1.12.1904 in der Akte dokumentiert, die in diesem Zeitraum zum Teil monatlich stattgefunden haben. Aus dem davor liegenden Zeitraum von 1893 bis 1899 sind es vor allem die Aufstiege und Beobachtungen im Rahmen der Wissenschaftlichen Luftfahrten Prof. Richard Assmanns (1845 - 1918) vom Königlich Preußischen Meteorologischen Institut in Berlin und des "Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt" in Berlin sowie des Königlich Preußischen Luftschiffer-Bataillons, die durch Telegramme und Briefe mit Prof. Adolf Sprung (1848 - 1909) am Meteorologisch-Magnetischen Observatorium in Potsdam abgestimmt worden sind.

Mit solchen koordinierten Simultan-Aufstiegen versuchten die Aerologie-Pioniere im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts und in den Folgejahren die  Zustände und Vorgänge in der freien Atmosphäre über  größeren Teilen der Nordhälfte unserer Erde gleichzeitig in Erfahrung zu bringen. Man kann von dem Versuch sprechen, nach dem Muster des Netzes von meteorologischen Boden-Beobachtungsstationen in der Höhe  ein ähnliches Netz zu betreiben.

Ein Vorbild für die Systematik und Regelmäßigkeit dieser Aufstiege waren die "Berliner Wissenschaftlichen Luftfahrten" von Prof. Richard Assmann. Dokumente zu den Verabredungen während dieser Vor-Phase befinden sich ebenfalls in der Akte, weil auch Assmann schon gleichzeitig mit den Ballon-Aufstiegen meteorologische Messungen am Boden und Wolkenbeobachtungen in Potsdam erbeten hat. Seine wissenschaftlichen Luftfahrten begannen 1888 und wurden  bis 1899 fortgeführt. Ab 1896 waren sie Teil der international koordinierten Aufstiege. Bereits im Jahr 1889 wurde Assmann zum 1. Vorsitzenden des Deutschen Vereins zur Förderung der Luftschiffahrt" gewählt (siehe Höhler, Sabine "Ballonfahrer und Meteorologen" in Trischler/Schrogl [Hg.] "Ein Jahrhundert im Flug", Frankfurt a. M., 2007, S. 31 ff.)

Im Jahr 1896 hatte die Internationale Meteorologische Organisation (IMO, die Vorläuferin der heutigen  "Weltorganisation der Meteorologie" [OMM/WMO]) auf ihrer Konferenz in Paris eine "Internationale Aeronautische Kommission" gegründet (später umbenant in "Kommission für wissenschaftliche Luftschiffahrt") und den Leiter des Landeswetterdienstes im Elsaß, Prof. Hugo Hergesell (1859 - 1938), zum Leiter dieser Kommission gewählt. Die in der vorliegenden Akte  dokumentierten Koordinierungen gehen zum überwiegenden Teil auf seine Initiative zurück. In der Geschichte der Meteorologie stellt diese Phase der Erforschung der Atmosphäre den eigentlichen Beginn der Aerologie dar,  und in der Luftfahrtgeschichte ist sie der Anfang für den Übergang von der reinen Ballon-Aufstiegstechnik zu den Lenk-Luftschiffen mit Antrieb sowie zu den Gleitfliegern und den Motor-Flugzeugen.

In die aerologischen Simultan-Aufstiege mit Ballons und Drachen (im Jahr 1896 = eine, und im Jahr 1897 = drei Simultan-Auffahrten, siehe Erks Bericht über "Die erste Konferenz der internationalen aeronautischen Kommission" in Meteorologische Zeitschrift, Juli 1898, S. 241 ff.)  wurden Beobachtungen meteorologischer Bergstationen einbezogen. Die Gründung solcher Bergstationen war bereits auf dem Kongress der Meteorologen in Rom 1879 beschlossen worden, um auch schon ohne die Luftfahrt mehr über die Atmosphäre in der Höhe zu erfahren. Und die photogrammetrischen Wolkenvermessungen im "Internationalen Wolkenjahr 1896/97", an denen zahlreiche Institute weltweit beteiligt waren, darunter ebenfalls wieder das Meteorologisch-Magnetische Observatorium in Potsdam, wurden in die Auswertung der Aufstiegs-Ergebnisse ebenfalls mit einbezogen.

Das oben gezeigte Foto wurde bei der ersten Versammlung dieser Internationalen Aeronautischen Kommission in Strassburg im Jahr 1898 aufgenommen.  Der bei Riedinger in Augsburg hergestellte Drachenballon nach den beiden Entwicklern, A. von Parseval und Bartsch von Sigsfeld, wurde bei diesem Treffen erstmalig gezeigt und im Einsatz vorgeführt. Der Ballon hatte einen Durchmesser von 4,5 m und eine Länge von 11 m. Sein Gewicht betrug 110 kg und sein Volumen 222 Kubikmeter. Der Vorteil gegenüber einem herkömmlichen kugelförmigen Fesselballon lag darin, dass er auch bei stärkerem Wind nicht sofort zu Boden gedrückt wurde. Durch die Schrägbefestigung des Ballons am Fesseldraht bewirkte  der Wind stets einen Auftrieb wie beim Drachen, und der Drachenballon überwand auf diese Weise den radialen Niedergang um den Haltepunkt des Fesselseiles  länger, als ein kugelförmiger Fesselballon.

Das Foto ist Teil einer historischen Glasplattenphoto-Sammlung im Archiv des Wettermuseums und ist außerdem abgebildet im Bericht "Die Konferenz der Internationalen Aeronautischen Kommission zu Strassburg" in  "Illustrierte Aeronautische Mitteilungen", 2. Jahrgang, 1898, S. 65.  Es kann als  ein zentrales Dokument der Anfangssituation betrachtet werden, die in der Aerologie mit den international koordinierten Simultanaufstiegen geschaffen worden war und zeigt gleichzeitig durch die Entwicklung dieses neuen Fesselballon-Typs, wie erfindungsreich die Aerologie-Pioniere vorgegangen sind. Ein großer Teil der Teilnehmer wird am unteren Bildrand genannt, ohne dass eine eindeutige Zuodnung der Namen zu den abgebildeten Personen in jedem Fall möglich ist. Eventuelle Hinweise auf den Fotografen befinden sich in den unteren Bildecken, links: "Bauer", rechts "Bureau".

Dieses Themenportal wurde gefördert durch Mittel des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.

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2023-11-15

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