Die Erforschung des Luftmeeres

In Deutschland entwickelt sich die Aerologie als neuer Zweig der Meteorologie zugleich mit der Luftfahrt

Luftschiffer erschließen der Meteorologie die Höhe - die Meteorologie macht mit ihrer aerologischen Forschung die Luftfahrt sicherer

Ballonfahrten gab es zahlreich zum ausgehenden 19. Jahrhundert, vor allem als Freizeitvergnügen und als Wettkampfsport. Einige Vereine für Luftschifffahrten wurden gegründet, so z. B. in Berlin (1881), München, Straßburg und Paris. Ferdinand Graf von Zeppelin war jedoch wegen der Abhängigkeit der Ballons vom Wind bereits in die Entwicklung eines Starrluftschiffes eingestiegen, und der Berliner Maschinenbauer Otto Lilienthal hatte den Vögeln gründlich zugeschaut und probierte ab 1891 seine ersten Gleit- und Flügelschlag-Flugapparate aus. Ab dem Jahr 1894 verkaufte er den in seiner eigenen Firma in Serie produzierten "Normalsegelapparat" in alle Welt. Beide, sowohl Ferdinand Graf von Zeppelin wie auch Otto Lilienthal waren Mitglieder im "Deutschen Verein zur Förderung der Luftschiffahrt" mit Sitz in Berlin.

Auch in dieser Phase der nicht mehr ganz neuen Fortbewegungsmöglichkeit durch die Luft war jedoch die Luftfahrerei den Zufällen des Wetters und den noch unbekannten Gesetzmäßigkeiten der Atmosphäre so hilflos ausgeliefert, dass hier ein dingender Forschungsbedarf gesehen wurde, vor allem nach dem tödlichen Absturz Otto Lilienthals. 

Auf der anderen Seite hatte sich in der bis dahin überwiegend am Boden forschenden Meteorologie die Erkenntnis breit gemacht, dass Voraussagen über zukünftiges Wetter aus den Daten-Sammlungen und statistischen Bearbeitungen der Boden-Messwerte allein nicht abgeleitet werden konnten. In Preußen wurden die Veröffentlichungen der meteorologischen Beobachtungen, die bis dahin in der "Statistischen Correspondenz"  mitveröffentlicht worden waren, ab 1879 dem durch die Internationale Meteorologische Organisation (IMO, das ist der Vorläufer der Weltorganisation für Meteorologie = WMO/MMO) vorgeschlagenen Beobachtungsschema angepasst und als "Ergebnissse der meteorologischen Beobachtungen" vom Königlich Preußischen Meteorologischen Institut (KPMI) direkt publiziert. Dieses Institut war auf dringendes Anraten Alexander von Humboldts im Jahr 1847 gegründet worden und hatte ein weit ausgebreitetes Netz von meteorologischen Boden-Beobachtungsstationen in Deutschland aufgebaut.

Ab 1849 wurde dieses Institut von dem bekannten Physiker Heinrich Wilhelm Dove (1803 - 1879) geleitet. Dove war seit 1844 ordentlicher Professor für Physik an der Berliner Universität und seit 1837 ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. "Als Meteorologe untersuchte er besonders  die Luftdruckveränderungen und die Windverhältnisse sowie die Wärmeverteilung auf der Erde" (Zitat aus Körber, 1997, S. 16). So trugen seine Arbeiten Wichtiges zur Entwicklung der synoptischen Meteorologie bei, schufen eine zentrale Voraussetzung zum Erkennen meteorologischer Gesetzmäßigkeiten und bereiteten die internationale Zusammenarbeit vor (Körber, 1997, S. 16). Ab 1871 übernahm wegen gesundheitlicher Einschränkungen Doves der Assistent des Instituts, Prof. Dr. Arndt  (1811- 1882) weitgehend die Leitungsarbeiten am Institut und nach dem Tod Doves im Jahr 1879 sogar interimistisch die Institutsleitung bis im Jahr 1882. Nach Arndts Tod wurde dem seit 1874 als Assistent am Institut tätigen Gustav Hellmann (1854 - 1939) interimistisch die Institutsleitung übertragen, bis 1885 Prof. Wilhelm von Bezold die Institutsleitung und die Professur für Meteorologie an der  Berliner Universität übertragen wurde. Während des größten Abschnittes des in der vorliegenden Akte behandelten Zeitraumes war also W. von Bezold der Leiter des KPMI.

Im Jahr 1888 startete Richard Assmann seine wissenschaftlichen Luftfahrten. Insgsamt waren das bis zum Jahr 1899 siebenundsiebzig Ballonaufstiege, wovon 68 Aufstiege mit bemannten Freiballons durchgeführt worden sind und neun Aufstiege mit unbemannten Registrierballons erfolgten (siehe Tabellen bei Assmann [Hg.] "Beiträge zur Erforschung der Atmosphäre mittels des Luftballons", Berlin 1900, S.102/103 und 160/161).

Ein  weiterführender Weg zu meteorologischen Erkenntnissen war in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts zunächst in der Beobachtung und Vermessung sowie Kategorisierung von Wolken gesucht worden. Aber auch auf diesem Weg zeigte sich schnell, dass man die physikalischen und chemischen Zustände und Vorgänge in den höheren Luftschichten direkt in der Höhe untersuchen musste, um die zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten erkennen zu können. Und so begann die Meteorologie, besonders auf Initiative von Richard Assmann am KPMI, in den letzten Jahren des 19. Jahrhundert von sich aus, sich der Luftfahrt anzunähern, um Messungen in der freien Atmosphäre durchzuführen (siehe den Artikel von Reinhard Süring "Die Beziehungen zwischen Meteorologie und Luftschiffahrt" in "Illustrierte Aeronautische Mitteilungen", Nr. 1 von 1900, S. 49 bis 51).

Es erfolgte deshalb die Gründung einer  "Internationalen Aeronautischen Kommission"  (später "Internationale Kommission für wissenschaftliche Luftfahrt") auf der Versammlung der Internationalen Meteorologischen  Organisation 1896 in Paris, zu deren Präsident der in Straßburg tätige Prof. Hugo Hergesell gewählt wurde. Die enge Zusammenarbeit zahlreicher Nationen bei dieser Erforschung der höheren Atmosphäre wurde ab diesem Zeitpunkt durch Hergesell koordiniert. Vier Versammlungen dieser Kommission wurden zwischen 1896 und 1904 durchgeführt: Straßburg 1898, Paris 1900, Berlin 1902 und Petersburg 1904. 

2023-11-17

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