Die Entwicklung von Drachen als Träger von meteorologischen Registrierinstrumenten brachte zahlreiche Drachen-Typen hervor
Vom Eddy-Drachen mit nur einer Auftriebsfläche und ohne Steuerflächen zum Marvin-Drachen mit vier Auftriebsflächen in zwei hintereinander geordneten Zellen. Auf diesem Drachen-Typ bauten alle nachfolgenden meteorologischen Drachen auf.
Gegenüber den mit der Luftströmung treibenden Freiballons hatten die Drachen einen wesentlichen Vorteil: ihre Ortsfestigkeit. Dadurch war es möglich, die übereinander weitgehend an einem Ort vorzufindenden Zustände der Atmosphäre zu erkunden. Das führte sehr bald zur Erkenntnis der Schichtungen in der Atmosphäre. Allerdings war ihr Aufstieg vom Wind abhängig. Ohne Wind konnte kein Drachen steigen. Außerdem benötigte man für Drachenaufstiege eine motorgetriebene Winde für den Fesseldraht. Und bei größeren Höhen mussten mehrere Hilfsdrachen zusätzlich helfen, das mit der Höhe beaträchtlich zunehmende Gewicht des Fesseldrahtes zu tragen.
Abbott Lawrence Rotch (1861 - 1912) war auf dem Blue Hill bei Boston in den USA der erste, der systematisch von Drachen getragene Messinstrumente in die Atmosphäre aufsteigen ließ, nachdem Eddy und Hargrave die ersten Drachen-Typen für meteorologische Messungen entwickelt hatten. Besondere Verdienste für die Weiterentwicklung der Drachen erwarb sich Marvin, der das Prinzip Hargraves mit zwei hintereinander liegenden Kastenzellen weiterentwickelte. Seine Drachen waren durch eine neue Konstruktion wesentlich leichter als der Hargrave-Drachen, und sein Drachen wurde in den USA vom US Weather Bureau im Jahr 1898 bei 1217 Aufstiegen an anfänglich 17 Stationen eingesetzt, deren Zahl allerdings dann ziemlich bald auf zwei Aufstiegsstationen reduziert wurde (Süring, R.: "Die Beziehungen zwischen Meteorologie und Luftschiffahrt", in "Illustrirte Aeronautische Mittheilungen", Strassburg 1900, S. 47 ff).
Im damals zu Deutschland gehörenden Elsass wurden die ersten Drachenaufstiege im Februar/März 1897 von Hugo Hergesell in Strassburg veranlasst. Dabei wurden 2 Eddy-Drachen und ein Hargrave-Drachen eingesetzt (Bericht von Lieutenant Hildebrandt in der ersten Ausgabe der "Illustrirten Mittheilungen des Oberrheinischen Vereins für Luftschiffahrt", Strassburg 1897, S. 11ff).
A. L. Rotch war auch der Erste, der Drachen vom Schiff aus gestartet hat. Schiffe ermöglichten durch den Fahrtwind auch dann Drachen-Aufstiege, wenn keinerlei Wind wehte. In den Jahren 1900 bis 1903 führte Hergesell auf dem Bodensee ebenfalls vom Schiff aus Drachenstarts durch. Benutzt wurde dafür zunächst das von Ferdinand Graf von Zeppelin bereitgestellte Luftschrauben-Boot "Württemberg". Später hat Hergesell dann vom Schiff des Fürsten von Monaco "Prinzessin Alice" aus in der Passat-Zone des Atlantik und auf dem Mittelmeer die Drachen-Aufstiegstechniken auf dem Wasser weiterentwickelt.
Den Versuchen, Drachenstarts von Schiffen auszuführen, kam extrem hohe Bedeutung zu. Zwei Drittel der Erdoberfläche sind vom Wasser bedeckt und wären für meteorologische Messungen in der höheren Atmosphäre ausgefallen, wenn es nicht gelungen wäre, Aufstiegstechniken zu entwickeln, die es möglich machten, die Aufstiege auch von Schiffen aus zu bewerkstelligen. Etwas eingehender wird dieser Teil der international koordinierten Simultanuafstiege weiter hinten in dieser Ausstellung noch behandelt.
2023-12-03