Bestandsaufnahme - Ein ganz normales Museum in Deutschland

Bestandsaufnahme: Die Magie des Authentischen. Das Historische Klassenzimmer II

Die Magie des Authentischen. Das Historische Klassenzimmer II

Die Magie des Authentischen. Das Historische Klassenzimmer II.

 

Im Raum sind eine Vielzahl von Zeitschichten aus dem vom Historiker Hobsbawm bezeichneten „Zeitalter der Extreme“ zu sehen. Die Sichtbarmachung und Auseinandersetzung mit der jeweiligen Zeit, aus der die Objekte stammen, haben weitreichende Konsequenzen für die im Raum präsente Geschichtserzählung. So war der Schulunterricht in Ludwigsfelde im Nationalsozialismus nicht nur ideologisch eingefärbt, sondern gibt auch Einblicke in die Verwobenheit der ortsansässigen Industrie mit NS-Funktionären. Sowohl Kreisamtsleiter Speer vom NS--Lehrerbund als auch Direktor Wolf von der Firma Daimler-Benz waren Ehrengäste der im Raum ausgestellten Eröffnungsfeier der Hermann-Löns-Schule, welche im Jahr 1938 stattfand. Der Namenspate der Schule war ein im Nationalsozialismus verehrter völkischer Heimatdichter, der für frauenverachtende Positionen bekannt war.

Auch der bereits erwähnte Rohrstock lässt sich an dieser Stelle noch einmal aufgreifen. Fotos, die bereits den Schullalltag in DDR-Zeiten abbilden, werden ohne bereitgestellte Objektinformationen und aufgrund der im Raum fehlenden historischen Einordnung mit dem Rohrstock in Verbindung gebracht. Dabei unterschied sich Schulerziehung in der BRD und der DDR unter anderem auch dadurch, dass in der DDR – trotz einer Vielzahl von Kritikpunkten – bereits 1949, in der BRD erst 1973 Körperstrafen abgeschafft wurden.

Historische Klassenzimmer erfreuen sich unter Kurator*innen auch deshalb großer Beliebtheit, weil sich heimatgeschichtliche Museen (zumeist unkritisch) traditionell lokalen Prozessen des sozialisiert Werdens widmen: Die bürgerliche Kleinfamilie und Schule. Schulen spielen gerade auch deshalb für das Gemeinschaftsgefüge einer Kommune eine zentrale Rolle, weil hier lokale Gemeinschaft gelebt, das Gemeinsame auch im Schulunterricht weitergegeben und durch ein gemeinsames Aufwachsen gefestigt wird. Zugleich präsentiert der Raum, in dem Sie sich befinden, die Schule als ein Tor in die Ferne. Dies bezeugen nicht zuletzt das Buch „der kleine Geograph“, das aus der Schultasche herausschaut oder der aus dem Jahr 1920 stammende Globus.

Auch wenn Schulen durchaus eine wichtige Rolle in der Sozialisierung einnehmen, wird in der in Heimatmuseen geläufigen Ausstellung des Schulalltags nicht selten außer Acht gelassen, dass der Prozess der Sozialisierung historisch betrachtet keineswegs gleichförmig und wie in heutigen Maßen standardisiert war. Er war klassen- und herkunftsspezifisch aufgeladen und stand z.B. Arbeiterkindern erst spät als gesellschaftliche Ressource zur Verfügung.

 

Fakt ist: Bildung vermittelt kein objektives Wissen. Die im Raum gezeigten Schulwandkarten sind Quellen, die, wenn sie in ihrem historischen Kontext betrachtet werden, viel über gängige Weltbilder verraten.

2023-04-27

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