AEROARCTIC

Der Aerologie-Pionier Hugo Hergesell im Büro im Aeronautischen Observatorium in Lindenberg.

Hergesell wurde 1859 geboren und studierte 1878 bis 1881 Mathematik, Physik und Geografie. Nach dem Studium war er als Physiker Privatdozent an der Universität Straßburg. Dort wurde er 1887 mit dem Aufbau eines meteorologischen Beobachtungsnetzes betraut. Von 1891 bis 1914 war er Direktor des Meteorologischen Landesdienstes von Elsaß-Lothringen. Im Jahr 1900 wurde er Professor in Straßburg. Durch Hergesell wurde Straßburg zu einem der Ausgangspunkte der aerologischen Forschung. Er führte 1897 dort die ersten Drachenaufstiege in Europa durch. Bereits im Jahr 1908 stellte er Versuche zur drahtlosen Übertragung von Daten der Registrierballons während der Aufstiegsdauer an. Er veröffentlichte grundlegende Arbeiten über den Aufbau der Atmosphäre, besonders im Passat. Mit Unterstützung des Fürsten von Monaco hatte Hergesell von 1904 bis 1909 Drachen- und Ballonsondierungen auf dem Mittelmeer und im Passatgebiet des Atlantischen Ozeans durchgeführt. Dabei konnte er beweisen, dass die von Teisserenc der Bort und R. Assmann 1902 über dem europäischen Kontinent gefundene Inversionsschicht oberhalb der Troposphäre (die Tropopause mit anschließender Stratosphäre) auch über den Ozeanen vorhanden ist. Im Jahr 1909 regte er in Hamburg die Bildung eines Arbeitsausschusses zum Bau eines Luftschiffhafens für die Erforschung der arktischen Gebiete mit dem Zeppelin an, die in den Gegenden nördlich von Spitzbergen stattfinden sollte. Der Ausschuss stand unter der Leitung des Prinzen Heinrich von Preußen. Eine entsprechende Vorerkundungsexpedition mit dem Schiff führte Hergesell dann mit Graf Zeppelin und dem Prinzen Heinrich im Jahr 1910 in Spitzbergen durch. Zudem veranlasste er im Jahr 1912 die Errichtung einer ständigen meteorologischen und aerologischen Forschungsstation in Ebeltofthafen auf Spitzbergen, die ihr Ende durch den Beginn des Ersten Weltkrieges fand. Von 1896 bis 1919 war Hergesell Vorsitzender der Kommission für Wissenschaftliche Luftfahrt in der Internationalen Meteorologischen Organisation (IMO). In dieser Funktion koordinierte er international durchgeführte simultane Ballonaufstiege mit weiteren meteorologischen Beobachtungen, so zum Beispiel auch mit den Photogrammetrischen Wolkenvermessungen am Meteorologisch-Magnetischen Observatorium in Potsdam. Von 1914 bis 1932 war er in der Nachfolge Richard Assmanns Direktor des Aeronautischen Observatoriums Lindenberg. Während des Ersten Weltkrieges war Hergesell parallel zur Leitung in Lindenberg auch Leiter des militärischen Wetterdienstes im Großen Hauptquartier. Im Jahr 1921 richtete er in Berlin-Adlershof eine wissenschaftliche Flugstelle ein, bei der Flugzeuge als Träger von meteorologischen Messgeräten genutzt wurden. In der von Schmidt-Ott 1920 gegründeten Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft wurde Hergesell in den Hauptausschuss gewählt. In dieser Position förderte er zahlreiche meteorologisch orientierte Forschungsprojekte wie die Deutsche Atlantische Expedition mit der „Meteor“ von 1925 bis 1927 und die Grönland-Expedition von Alfred Wegener 1929/1930. Aus der „Internationalen Studiengesellschaft zur Erforschung der Arktis mit dem Luftschiff“ schied Hergesell schon 1924 aus. Die Ursache dafür war ein Zerwürfnis mit dem Vorsitzenden der deutschen Gruppe, Erich Kohlschütter. Von 1927 – 1935 war Hergesell erneut Präsident der Internationalen Aeronautischen Kommission der Internationalen Meteorologischen Organisation, wo er den zwischenzeitlich mit der Präsidentschaft betrauten Ludwig Weickmann wieder ablöste. „Hergesell schuf durch die Normierung der aerologischen Routinemessungen die Voraussetzung für weltweite Höhenwetterkarten.“ (Brockhaus Enzyklopädie, Mannheim 1989, Band 9, S. 702). Er gilt als Mitbegründer der Aerologie und gab der heute im Zentrum der meteorologischen Forschung stehenden Radiosondierung ihren Namen. Hugo Hergesell starb im Jahr 1938.

2023-04-27

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