1150 Jahre Stift Wunstorf

Das Ende des Stifts als selbstständige Organisation

Seit der Reformationsordnung von 1598 bestand das Stift Wunstorf aus dem Jungfrauenstift mit 7 Damen, von denen eine als Dechantin an der Spitze stand und dem Mannstift, das durch den Stiftssenior geleitet wurde. Gemeinsam mit dem erst später eingeführten Amt des Stiftseinnehmers leiteten sie das Gesamtstift.

Diese drei Personen waren auf Dauer auch diejenigen, die tatsächlich vor Ort residierten. Seit der Agrarreform veränderte sich die Finanzierung des Stiftes grundsätzlich. Bis dahin  wurden alle Haushalte des Stiftes im Wesentlichen durch Abgaben aus grundherrschaftlichen Rechtsverhältnissen gespeist. Nun wurden die Lasten, die auf den bäuerlichen Grundstücken lagen, abgelöst. Die Ablösung geschah gegen Geld, das in den Allgemeinen Hannoverschen Klosterfond floss, womit dieser die Finanzierung des Stiftes (Manns- und Jungfrauenstift) übernahm.

Das Mannsstift, das mehr und mehr der Finanzierung von königlichen Amtsträgern diente, wurde mit der hannoverschen Verfassungsänderung von 1848 aufgelöst, wobei es sich dabei nicht um eine Entscheidung im Einzelfall handelte. Außer Loccum, das mit dem Predigerseminar eine andere Bedeutung hat, wurden alle Mannsstifte geschlossen. Die Abwicklung zog sich bis 1863 hin. Die Finanzierung königlicher Amtsträger und der evangelischen Geistlichen vor Ort geschah nun auf anderem Wege.

Demgegenüber blieb das Jungfrauenstift / Damenstift weiter bestehen und über das Ende der preußischen Monarchie 1918 hinaus wurden weiterhin adelige Stiftsdamen eingeführt und der Damenkonvent immer wieder vervollständigt. Die Stiftsdamen kamen bis 1918 vor allem aus dem calenbergischen Uradel.

Nach der Agrarreform und dem vollständigen Übergang der Finanzen in den Klosterfonds gab es keine Notwendigkeit mehr für eine Leitung des Stifts durch eine Dechantin. Daher wurde 1872 das Amt der Dechantin abgeschafft und stattdessen eine siebte und achte Stiftsdamenstelle eingerichtet. Die letzte Dechantin war bis 1867 Wilhelmine von Hodenberg.

Im 20. Jahrhundert endete die Ernennung von Stiftsdamen und der Empfängerkreis und die Zweckbestimmung der Präbenden (Zuwendungen) wandelte sich hin zu Bedürftigen. Seit 1993 werden keine Präbenden mehr ausgezahlt. Das Stift existiert aber weiter als unselbstständige, seine Tätigkeit ruhenlassende Körperschaft des öffentlichen Rechts innerhalb der Klosterkammer. Die Klosterkammer ist weiterhin im Bereich Wohltätigkeit und Bildung tätig.

Nimmt man die evangelische Stiftskirchengemeinde hinzu, dann wird das ehemalige Vermögen des Stiftes auch weiterhin für die religiösen, wohltätigen und pädagogische Zwecke, also im Sinne der ursprünglichen Zweckbestimmung genutzt.

 

 

2021-10-11