Wilmersdorf-Dahlemer Schnellbahn

Schnellbahnstreit

Schnellbahnstreit zwischen Charlottenburg und Wilmersdorf

Um 1900 verzeichneten die von Berlin noch unabhängigen Vorortgemeinden und Städte einen sprunghaften Bevölkerungsanstieg. Zur Mietsicherung der beliebten westlichen Wohngebiete kamen Ende des 19. Jahrhunderts Pläne zur Erschließung des Berliner Raumes durch Schnellbahnen auf. Das von Siemens & Halske geplante Hochbahnprojekt von 1891 sah eine Schnellbahnverbindung zwischen Warschauer Straße und Zoologischen Garten vor. 1902 erhielt Charlottenburg schließlich eine Anbindung an das U-Bahnnetz bis zum Knie (heute: Ernst-Reuter-Platz). 1906 wurde die Bahnstrecke bis zum Wilhelmsplatz (heute: Richard-Wagner-Platz) und 1908 bis zum Reichskanzlerplatz (heute: Theodor-Heuss-Platz) verlängert. Die benachbarte Stadt Schöneberg eröffnete 1909 eine eigene elektrische Untergrundbahnstrecke, mit deren Bau 1909 begonnen worden ist. Im gleichen Jahr legte auch Wilmersdorf den Grundstein für eine eigene U-Bahnlinie. In den ersten Verträgen mit der Hochbahngesellschaft wurde vorgesehen, dass die Strecke vom Wittenbergplatz bis zum Fehrbelliner Platz verlegt werden sollte. Die Gesellschaft verpflichtete sich den auf Charlottenburger Stadtgebiet gelegenen Streckenabschnitt bis zum Nürnberger Platz auf eigene Kosten zu bauen. Ein Jahr vor der Grundsteinlegung beantragte die „Königliche Kommission zur Aufteilung der Domäne Dahlem“ erfolgreich eine Weiterführung der Strecke vom heutigen Breitenbachplatz bis zum Thielplatz. Die Bauarbeiten verzögerten sich jedoch bis 1910, da die Stadt Charlottenburg Einspruch eingelegt hatte. Charlottenburg befürchtete einen Abzug finanzstarker Einwohner und plante stattdessen, eine eigene Schnellbahnstrecke vom Wittenbergplatz unter dem Kurfürstendamm mit der Endhaltestelle Uhlandstraße zu bauen. Zu den Streitpunkten zählte auch eine Änderung der geplanten Trassenführung und eine finanzielle Beteiligung der Stadt Wilmersdorf an der Kurfürstendammlinie. Der „Schnellbahnstreit“ konnte erst im Sommer 1910 durch die Hochbahngesellschaft mit folgendem Ergebnis beigelegt werden: die Wilmersdorfer-Dahlemer-Untergrundbahn wurde in der vorgesehenen Form gebilligt, die Charlottenburger Kurfürstendammlinie sollte mit der späteren Option einer Verlängerung bis Grunewald gebaut werden. Der vorher zweigleisige U-Bahnhof Wittenbergplatz, der mit nur zwei Seitenbahnsteigen ausgerüstet war, musste aufgrund der Bauplanänderungen zu einem Abzweigungsbahnhof der Wilmersdorfer Bahn und der Kurfürstendammbahn umgebaut und erweitert werden. Die vom Wittenbergplatz kommenden Gleise mussten in Tieftunneln unter der Stammbahn hindurchgeführt werden. Bei der Abzweigung der Trassenführung zur Nürnberger Straße wurde im Zuge der Arbeiten ein unterfahrenes Eckhaus abgerissen. Über den Bahntunnel wurde der sogenannte „Tauentzienpalast“ neu errichtet. Die von Charlottenburg zugestandene Kurfürstendammlinie verlor bis heute nicht das Signet als Verhandlungstrick. Für diese Zweiglinie mit dem Endbahnhof Uhlandstraße hat die Stadt Charlottenburg einen Zuschuss von 2.5 Millionen Mark beigesteuert.

2023-04-26

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