Ansichtssache!

Kartenraum II: Der Niederrhein in der Frühen Neuzeit

Im zweiten Kartenraum der Ausstellung befinden sich 8 Karten, welche den Niederrhein in der Frühen Neuzeit abbilden. Die ersten 4 Karten zeigen das gesamte Gebiet des Niederrheins und sind chronologisch sortiert. Die anderen 4 Karten zeigen Nahaufnahmen einzelne Territorien am Niederrhein. Der folgende Text ist ein Vertiefungstext zum Niederrhein im 17. Jahrhundert. Sie können auch direkt zu den Karten weitergehen.

Die seit dem Mittelalter bestehende territoriale Zersplitterung des Niederrheins konnte in der Frühen Neuzeit bis zur Eroberung durch die Franzosen am Ende des 18. Jahrhunderts nicht überwunden werden, was vor allem zwei strukturelle Ursachen hatte. Zum einem waren die Herrschaften der Region auf drei verschiedene Reichskreise aufgeteilt und zum anderen verhinderte das Erzstift Köln mit seinen über die Region verstreuten zugehörigen Besitzungen die Arrondierung der benachbarten weltlichen Territorien. Die Gebiete der Spanischen Niederlande gehörten zum burgundischen Reichskreis, das Erzstift Köln zum kurrheinischen Reichskreis und die Hochstifte Lüttich und Münster, die Herzogtümer Jülich, Kleve, Berg und die Grafschaften Mark und Ravensberg zum niederrheinisch-westfälischen Reichskreis.

Am Niederrhein wurden die großen politischen und militärischen Konflikte der Zeit ausgetragen. Die Bruchlinien und Verwerfungen dieser Konflikte zogen sich insbesondere in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert quer durch den niederrheinischen Raum. Dieser war im Spanisch-Niederländischen-Krieg (1568–1648), in welchem die Generalstaaten um die Unabhängigkeit von der spanisch-habsburgischen Krone kämpften, sowie im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648), in dem auch die Großmächte Frankreich und Schweden involviert waren, ein wichtiger Kriegsschauplatz. Beide Konflikte wurden durch den Westfälischen Frieden offiziell beendet, der am 24. Oktober 1648 in Münster und Osnabrück unterzeichnet worden war. Infolgedessen zogen sich die Truppen der ausländischen Mächte allmählich aus der Region zurück. Der Friedensschluss bestätigte zudem die Unabhängigkeit der Generalstaaten. Da diese nun faktisch aus dem Reichsverband ausschieden, wurde der Niederrhein zu einer Grenzregion.

Ferner wurde die politische respektive territoriale Entwicklung der Region im 17. Jahrhundert maßgeblich von einem weiteren großen Konflikt bestimmt, dem Jülisch-Klevischen Erbstreit (1609–1666/72). Nach dem Aussterben der jülisch-klevischen Dynastie im Jahr 1609 stritten die beiden erbberechtigten Parteien, die brandenburgischen Hohenzollern und die Herrscher von Pfalz-Neuburg, einer Nebenlinie der pfälzischen Wittelsbacher, lange um die Herrschaftsnachfolge. Das Erbe wurde schließlich aufgeteilt. Während das Herzogtum Kleve und die Grafschaften Mark zu Brandenburg kamen, fielen die Herzogtümer Jülich und Berg an Pfalz-Neuburg. Der Niederrhein geriet dadurch in eine weitere Peripherie, denn sowohl die Hohenzollern als auch die Pfalz-Neuburger hatten ihren Herrschaftsschwerpunkt außerhalb der Region in anderen Teilen des Reiches. Eine Ausnahme in dieser Entwicklung stellte die Regierungszeit von Johann Wilhelm II. (1679/90–1716) dar, der als Kurfürst von der Pfalz und Herzog von Jülich und Berg in Düsseldorf residierte. Jedoch wurde die Residenz nach seinem Tod 1716 in die Kurpfalz verlegt. Auch geistliche Territorien gelangten unter die Kontrolle außerregionaler Dynastien. Die bayerischen Wittelsbacher stellten von 1585 bis 1761 den Kölner Erzbischof und banden das Erzstift in ihre reichspolitischen Ambitionen ein.

Während in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts am Niederrhein Kriege geführt und um Erbschaften gerungen wurde, erfolgte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine Konsolidierung der neuen Herrschaften und ihrer Territorien. Die vom französischen König Ludwig XIV. zwischen 1667 und 1697 geführten Reunionskriege wurden zum Teil auch im niederrheinischen Raum ausgetragen, jedoch war er nicht Hauptort der Kampfhandlungen. Diese wurden vor allem in den südlichen Generalstaaten, den spanischen Niederlanden, Lothringen, im Elsass und der Kurpfalz ausgetragen. Auch im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714) war der deutsche Niederrhein nur ein Nebenschauplatz.

Literatur:
HANTSCHE, Irmgard.: Atlas zur Geschichte des Niederrheins, Bd. 1 (= Schriftenreihe der Niederrhein-Akademie; 4), 5., überarb. Aufl., Bottrop/Essen 2004.

HANTSCHE, Irmgard: Atlas zur Geschichte des Niederrheins, Bd. 2 (= Schriftenreihe der Niederrhein-Akademie; 8), Bottrop/Essen 2008.

MALETTKE, Klaus: Die Bourbonen, Bd. 1: Von Heinrich IV. bis Ludwig XIV. 1589–1714, Stuttgart 2008.

SCHMIDT, Georg: Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreissigjährigen Kriegs, 2. Aufl. München 2018.

WESTPHAL, Siegrid: Der Westfälische Frieden, München 2015.

Internetressourcen:
ARNDT, Johannes: Niederländischer Aufstand, in: Enzyklopädie der Neuzeit Online: http://dx.doi.org/10.1163/2352-0248_edn_COM_318913. Letzter Aufruf 25.09.2022.

Internetportal Westfälische Geschichte:
Der Vergleich von Kleve 1666. Letzter Aufruf 25.09.2022.

2022-10-24