Angelika Kauffmann übertrug ihr Porträt Winckelmanns bald nach dessen Fertigstellung als einen ihrer ersten Versuche in dieser Technik eigenhändig in die Radierung. 1780, zwölf Jahre nach Winckelmanns Tod, überarbeitete sie die Druckplatte und publizierte sie in Oxford erneut. 

Mit beinahe noch lebhafterem Interesse als die Entstehung seiner Porträts begleitete Winckelmann deren druckgrafische Reproduktion, von der er sich ungleich mehr Publizität versprechen konnte und die zur Ausstattung seiner Schriften beitragen sollte. An der Radierung der Kauffmann Arbeit wird in einem Brief an Heinrich Wilhelm Muzel, den Besteller des Porträts von Maron, zwar nicht ausdrücklich ein Ungenügen festgestellt, aber doch eine Erklärung für einen Mangel gegeben, nämlich die noch fehlende Routine in der Technik: „[…] die Mahlerinn ätzte daßelbe selbst in Scheidewaßer; aber es ist einer der ersten Versuche in dieser Art." (Muzell-Stosch 15.8.1766, WB III, Nr. 789, 197-198) Tatsächlich entspricht die Radierung der Kauffmann (Abb. 3) bei der Unbestimmt in der Zeichnung, vor allem auch im Physiognomischen, und bei der Freiheit in der Wiedergabe, die sich nur der Urheber einer Vorlage erlauben darf, nicht der Ästhetik der florierenden Reproduktionsgrafik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 

Bezeichnet: IO. WINCKELMANN. Antiq. Pontif. et Prof. Graec. L. in biblioth. Vatic. Unten links: Angelica Kauffmann dipin. e inc. Unten rechts: in Roma anno 1764.