Das Brustbild Winckelmanns von Anton Raphael Mengs dürfte rund zehn Jahre nach dem Tod des Archäologen entstanden sein. Der Maler und der Dargestellte hatten in enger Verbindung miteinander gestanden. Das Porträt mutet in seinem bescheidenen Dekorum wie auch in dem asketischen Ausdruck des Kopfes beinahe als Gegenentwurf zu dem Werk von Mengs‘ Schwager und einstigem Schüler Maron an.  

Wie die übrigen Porträtgemälde zeigt Mengs den Gelehrten im Deshabillé – barhäuptig im Hemd mit offenem Kragen und mit einem über die linke Schulter und den rechten Unterarm getragenen Umhang. Wie der Shawl auf dem Porträt der Angelika Kauffmann ist dieser als Reminiszenz an das Kostüm der griechischen Antike zu verstehen. 

Das Buch ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht mehr auf das Bildnis des Gelehrten beschränkt, sondern erscheint als geläufiges Attribut musisch-geistiger Bildung. Niemals allerdings erlangte das Motiv derartige Signifikanz wir hier, wo es per Rückenbeschriftung in griechischen Majuskeln als die Ilias bestimmt ist. Homer wird damit wie bereits bei Maron als Wahrzeichen für die Geisteshaltung des Archäologen ins Bild gesetzt. 

Das Original befindet sich im Metropolitan Museum of Art, New York. Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine 1943 entstandene Kopie von Albert Aereboe.