Der Bildhauer Ridolfo Schadow

Bildnis Friederike Unger

Beschreibung

Erworben 1911, aus dem Nachlass ihres Ehemannes, des Regisseurs Karl Stawinsky

Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Inv. 5920

Die Büste zeigt eine schlanke, etwa 25-jährige aparte junge Frau mit zur Seite gelegtem Haar, dessen am Hinterkopf geflochtener Zopf hochgesteckt ist und sich in losen Strähnen nach vorne über ihre Stirne legt. Ihr ebenmäßiges, regungsloses Antlitz hat sie nach links gewendet; der lange Hals ruht auf einem runden Schulterstück, das von einem schlichten, gefältelten Kleid gerahmt wird. Von ihrer rechten Schulter fällt ein diagonal über die Brust geführtes Tuch.

Die hier Dargestellte ist die Schauspielerin Friederike Unger, Tochter des Bildhauers Christian Unger (1746-1827), der im Berliner Hofbildhaueratelier von Jean-Pierre Antoine Tassaert (1727-1788) tätig war, und dem mit Johann Gottfried Schadow (1764-1850) eine enge Freundschaft verband. Friedrike Unger war ein besonders beliebter und sehr gern gesehener Gast im Hause Schadows, wo sie dem Meister oft Modell gestanden hat. Dies belegen nicht nur Zeichnungen und Tonstudien, so genannte Bozzetti, sondern vor allem die um 1802 vollendete Statue der Hoffnung, die ihre Züge trägt. Gottfried Schadow berichtet selbst, dass sie es wünschte, dass er aus ihrer Büste ein vollständiges Standbild fertige (Kriegsverlust, ehemals Schloss Monbijou – Hohenzollernmuseum, GK III 4817), Abbildungen der sich mit beiden anmutig verschränkten Armen auf den oberen Querbalken eines großen Ankers aufstützenden jungen Frau finden sich bei Mackowsky, 1951, S. 143, Abb. 117und 118 sowie S. 145, Abb. 119.

Wenige Jahre später hat sich Gottfried Schadow für den 20. bis 30. November 1809 in seinem Schreibkalender den Termin für eine weitere „Büste der Mamsell Unger“ notiert. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die hier vorgestellte Büste, das entsprechende Exemplar ist, zumal das Werk auf der Rückseite die Signatur seines ältesten Sohnes Ridolfo – „R. Schadow“ – trägt. Es stellt sich nun allerdings die Frage, ob der Sohn den Auftrag seines Vaters etwa übernommen oder ob er parallel an einem eigenen Porträt der Schauspielerin gearbeitet haben könnte? Denn auffallend ist, dass die jugendliche Frische der Friederike Unger, welche das Antlitz der „Hoffnung“ noch ausstrahlt, hier weitaus reiferen Zügen gewichen ist, so dass eine Datierung in das Jahr 1809 oder 1810 durchaus plausibel erscheint. Auf jeden Fall ist es ein Werk, dass der damals 23-jährige Ridolfo noch unter dem künstlerischen Einfluss seines Vaters und Lehrers schuf. Erst als Ridolfo wenig später im Jahre 1810/11 nach Rom zog, überwand er die naturalistische Porträtauffassung seines Vaters und öffnete sich schließlich dem klassizistischen Stil Bertel Thorwaldsens (1770-1844).

Die Büste wurde um 1910 im Gertraudenstift in Berlin wiederentdeckt. Sie gelangte dort aus dem Nachlass einer dort verstorbenen Dienerin des Schauspielers und Regisseurs Karl Stawinsky, der 1806 Friederike Unger geheiratet hatte. 1911 konnte das Werk für die Berliner Skulpturensammlung der damals noch Königlich-Preußischen Museen erworben werden.

Hans-Ulrich Kessler

Material/Technik
Gips, übermalt
 
Maße
Höhe: 60 cm
 
Hergestellt
...wer    Schadow, Ridolfo
...wann  um 1810
...wo      Berlin
 
Literatur
Mackowsky, Hans: Die Bildwerke Gottfried Schadows, Berlin 1951, S. 142-145, Kat. 99

 

(Object from: Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, SMB PK)