Der Bildhauer Ridolfo Schadow

Die Sintflut, 2. Fassung

Beschreibung

Das Relief der Sintflut gilt als das früheste bekannte Werk des gerade achtzehnjährigen Ridolfo Schadows und verfolgte den Zweck, die Bandbreite seines Könnens vorzuführen und sich als Bildhauer zu etablieren. Die aufwendige, bewegte Komposition baut sich rund um die zentrale, leblos herabhängende Frau auf, die von einer bärtigen Männergestalt in Rückenansicht aus den Fluten gerettet wurde. Gerahmt wird die Gruppe von zwei jüngeren männlichen Akten, die sich an Bäumen festhalten und von der eine versucht, eine weitere Person den Fluten zu entreißen, während bereits am unteren Bildrand eine ertrinkende Figur den Kampf aufgegeben hat. Gleich einer Madonnendarstellung findet sich im Hintergrund, erhöht und noch vor der Flut geschützt, eine Mutter mit Kind. Die Arbeit entstand während der Lehrjahre in der Werkstatt des Vaters Johann Gottfried Schadow, der sich nach eigener Aussage an der Gestaltung beteiligt hatte. Daneben hob der berühmte Bildhauer zugleich die Besonderheit der Arbeit seines Sohnes hervor. Ganz im Geiste der eigenen Porträtstudien verschiedener Lebensalter berichtet er, dass Ridolfo das Werk nach verschiedenen Modellen im Atelier geschaffen habe und dadurch „die verschiedenen Alter anbringen konnte, sodaß es gleichsam eine Familie ist, die sich aus den Fluten rettet". (Johann Gottfried Schadow an Johann Heinrich Meyer 29.9.1804, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, zitiert nach Scheidig 1958, S. 416)

Einem beispielhaften Lehrstück gleich entwickelte Ridolfo diese Zusammenstellung der Lebensalter und Geschlechter sowie der perspektivisch verkürzten Körperdarstellungen. Eingereicht wurde es für den Wettbewerb der sogenannten Weimarer Preisaufgaben, der von Johann Wolfgang von Goethe und Johann Heinrich Meyer zur Förderung junger Künstler in den Jahren 1799 und 1805 ausgelobt wurde. Als „Bergauf vor dem Wasser Flüchtende“ wurde Ridolfos Darstellung von den beiden Juroren betitelt, das 1804 das Thema des Wettbewerbs „Das Menschengeschlecht vom Elemente des Wassers bedroht“ aufgriff. Man beabsichtige mit den Weimarer Preisaufgaben eine Heranführung an die Antike, sowohl formal wie inhaltlich, auch wenn in besagtem Jahr die Themenstellung etwas offener gewählt worden war. Während sich Ridolfo später mit seinem Umzug nach Rom und der klaren Ausrichtung auf einen strengen Klassizismus einen Namen machte, zeigt diese Arbeit noch einen deutlich bewegteren, überschwänglichen Darstellungsmodus. Die Dynamik des Wassers und des in den aufgebäumten Draperien abgebildeten Winds verstärkt diesen Eindruck. Zugleich spiegeln die Einzeldarstellungen der Bildfiguren das intensive Aktstudium des jungen Bildhauers sowie – auch in ihrer kompositorischen Einbindung – die Auseinandersetzung mit frühneuzeitlichen Darstellungskonventionen. So verwies bereits Johann Heinrich Meyer in seiner schriftlichen Beurteilung der Arbeit auf die Vorbildhaftigkeit von Raffaels Sintflut in den Logen des Vatikans. Das dominante Rückenmotiv ist diesem Werk entlehnt, das Raffaels Werkstatt unter zentraler Mitarbeit Giulio Romanos entstammte. Als einzige eingereichte plastische Arbeit gelangte Ridolfos Beitrag unter die fünf prämierten besten der Weimarer Preisaufgabe.

Der im Bestand der Alten Nationalgalerie verwahrte Gips ist die zweite Fassung des Sintflutreliefs, das in der Berliner Akademie gezeigt wurde, während die erste Version nach Weimar ging. In die Sammlung der Nationalgalerie gelangte diese Fassung als Ankauf von 1888 aus dem Besitz Eugenie Schadows, ehemals d’Alton-Rauch. Die Enkelin Christian Daniel Rauchs heiratete den Bruder Ridolfos, den Maler Felix Schadow und verwaltete nach dessen Tod in großen Teilen den Nachlass ihres Schwiegervaters Johann Gottfried Schadow und der gesamten Familie.

Sintje Guericke

Material/Technik
Gipsrelief
 
Maße
Höhe: 58.50 cm - Breite: 61.50 cm - Tiefe: 9.00 cm
 
Hergestellt
...wer     Schadow, Ridolfo
...wann   1804

 

(Object from: Alte Nationalgalerie, SMB PK)