Der Bildhauer Ridolfo Schadow

Grabmal Anthony Ashley Cooper, V. Earl of Shaftesbury

Beschreibung

Das Grabrelief des Anthony Ashley Cooper, Earl of Shaftesbury (1761-1811), welches sich seit 1820 in Wimborne in der Kirche St. Giles in Dorset befindet, gehört zu Ridolfo Schadows späten Arbeiten. Das Werk aus weißem Marmor wurde 1818 von der Witwe des Earl, Barbara Countess of Shaftesbury († 1819), beauftragt. Nach ihrem plötzlichen Tod kam es zu vertraglichen Problemen, die aber zugunsten Schadows bereinigt werden konnten.

Neben einer Beschreibung des Grabmals durch Caroline von Humboldt (1766-1829) hat sich eine detailgetreue Zeichnung von Ignazio Podio (aktiv 1810-1830) in der Grafischen Sammlung der Stiftung Stadtmuseum Berlin erhalten. (Abb. 1) Sie wurde 1820 vor der Verschiffung des Bildwerks nach England in Schadows Atelier in der Via Quattro Fontane in Rom angefertigt und war 1824 auf der Berliner Akademie-Ausstellung zu sehen.

Die aufwändige Zierarchitektur des Grabmonuments folgt dem klassischen Formenkanon: Ein Dreiecksgiebel lagert auf einem Architrav und wird von zwei Pilastern der tuskischen Ordnung getragen. Unterhalb dieses Aufbaus findet sich eine Sockelzone mit der zweizeiligen Künstlersignatur: Rudolph Schadow fecit | Romae 1819 und der sechszeiligen Inschrift:

THIS MONUMENT WAS ERECTED BY | BARBARA COUNTESS DOWAGER OF SHAFTESBURY | TO THE MEMORY OF HER DEPARTED HUSBAND | ANTHONY ASHLEY COOPER FIFTH EARL OF SHAFTESBURY | HE WAS BORN ON THE 17TH OF SEPTEMBER 1761 | AND DIED IN THE 14TH OF MAY 1811.

Die kompositorische Nähe zu seinem Lehrer Bertel Thorvaldsen (1770-1844) lässt sich besonders gut an der zentralen Darstellung ablesen. Sie zeigt den Toten aufgebahrt auf einem Bett liegend. Zu seiner Rechten sitzt seine trauernde, verschleierte Ehefrau, die die Hand des Verstorbenen hält. Diese Komposition erinnert an Thorvaldsens Grabrelief der Baronin Jacoba Elisabeth von Schubart (1814) heute im Thorvaldsens Museum Kopenhagen.

Die ikonographischen Motive der weiteren Reliefs sind dem klassischen Altertum entlehnt: Die Darstellung der Nacht mit ihren Kindern Hypnos (Schlaf) und Thanatos (Tod) im Giebelfeld ist vermutlich auf die „Nachtbegeisterung“ des frühen 19. Jahrhunderts zurückzuführen, die von Edward Youngs „Night-Thoughts“ (1742-1745) und Novalis‘ „Hymnen an die Nacht“ (1800) ausgelöst wurde. Fortan nahm die Göttin der Nacht – Nyx – eine Schlüsselrolle als Vermittlerin zwischen Diesseits und Jenseits ein und wurde unter anderem 1815 von Bertel Thorvaldsen in einem seiner einflussreichsten Werke dargestellt, dem Tondo „Die Nacht“. Das untere Relief des Grabmonuments zeigt ein weiteres klassisches Motiv der Unterwelt: die drei Moiren – Klotho, Lachesis und Atropos. Die Schicksalsgöttinnen, die den Lebensfaden spinnen, ihn abmessen und schließlich durchtrennen, stehen für die Unabwendbarkeit des Todes. Schon Ridolfos Vater, Johann Gottfried Schadow, hatte das Motiv am „Grabmal des Grafen Alexander von der Mark“ (1788-1790; Alte Nationalgalerie SMB PK) verwendet. Die Darstellung Klothos mit dem Spinnfaden zeigt außerdem thematische Parallelen zu der von Ridolfo 1816 modellierten „Spinnerin“ und wirft die Frage auf, ob es sich bei dem grazilen jungen Mädchen möglicherweise auch um die Schicksalsgöttin handeln könnte.

Um Aufträge schnell und präzise ausführen zu können, zeichnete sich auch der Werkstattbetrieb in Schadows Atelier durch eine differenzierte Arbeitsteilung aus. Während die qualitativ hochwertige Modellierung des Grabmals auf den Meister und seinen Gehilfen Giacomo zurückgeht, wurde die Ausführung in Marmor an Martino (?) Carluccio († 1865) und Luigi Moglia (tätig 1819-1835) übertragen. Schadow gab den Reliefs dann den letzten Schliff.

Alexander Reich

Material/Technik
Marmor
 
Hergestellt
...wer    Schadow, Ridolfo
...wann  1818-1820

 

(Object from: Wimborne, Dorset, St. Giles)