Der Bildhauer Ridolfo Schadow

Bildnis Johann Joachim Winckelmann (1717-1768)

Beschreibung

Als Ridolfo Schadow im Juli 1813 den Auftrag erhielt, für den bayerischen Kronprinzen Ludwig eine Hermenbüste des Altertumsforschers Johann Joachim Winckelmann anzufertigen, war der Bildhauer in seinen Gestaltungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Das Material und das Format der Büste waren ebenso vorgegeben wie der Ausdruck des Darzustellenden (vgl. den Beitrag zur Büste Georg Friedrich Händels). Hinzu kam, dass Schadow einen Auftrag zu erfüllen hatte, an dem sein römischer Kollege Salvatore de Carlis zuvor gescheitert war. Kronprinz Ludwig hatte de Carlis 1807 mit der Büste Winckelmanns betraut, war jedoch mit dem Ergebnis unzufrieden und hatte den Auftrag an Ridolfo Schadow neu vergeben. Die Büste war für eine Ruhmeshalle bestimmt, die es im Jahre 1814 noch nicht gab, für die Ludwig seit 1807 jedoch zahlreiche Büsten bei verschiedenen Bildhauern bestellt hatte.

Die Entscheidung über die Auswahl der in der Ruhmeshalle Geehrten traf Ludwig selbst. Bei den Büsten handelte es sich um Bildnisse vorbildlicher und geschichtlich bedeutsamer Männer und Frauen, die in ihrer Gesamtheit die ‚Größe‘ und Bedeutung der deutschen Nation feiern sollten. Mit der Errichtung der Ruhmeshalle und den darin aufgestellten Büsten versprach sich Ludwig eine Hebung des Patriotismus und des Nationalgefühls. Beim Begriff der Nation hatte er nicht an Landesgrenzen gedacht, sondern den deutschen Sprachraum gemeint. Gleichwohl war ihm bewusst, dass er die Errichtung der Halle nicht als Kronprinz, sondern nur als König durchführen konnte, zumal sich mit dem Denkmal eine politische Botschaft verband.

Nach dem Regierungsantritt im Jahre 1825 wurden die Vorstellungen zur Ruhmeshalle konkret. Am 18. Oktober 1832 wurde der Grundstein der Walhalla gelegt und zehn Jahre später konnte das Denkmal eröffnet werden. Beide Veranstaltungen standen im Zeichen des Jahrestages der Völkerschlacht bei Leipzig und der Überwindung Napoleons. In der Walhalla erinnern Gedenktafeln und Büsten an verstorbene Feldherren, Fürst/innen, Wissenschaftler/innen und Künstler/innen. 1842 reichte das zeitliche Panorama von Hermann dem Cherusker bis zu den verstorbenen Feldherren der Befreiungskriege. Personen, von denen authentische Bildnisse als Vorlagen überliefert waren, werden mit Büsten geehrt. Alle anderen Heroen, von denen kein verbürgtes Bildnis bekannt war, sind durch Gedenktafeln präsent.

In seiner Schrift „Walhalla’s Genossen“ (1842) erinnert König Ludwig daran, dass die Leistungen, der in der Walhalla versammelten Heroen gleichwertig sind. Diese Gleichwertigkeit sollte sich in der formalen Gleichheit der Büsten bzw. der Gedenktafeln ausdrücken. Insofern war Schadow aufgefordert, die individuellen Gesichtszüge Winckelmanns mit den formalen Vorgaben seines Auftraggebers zu verknüpfen. Als Vorlage diente ihm unter anderem ein Porträt, das der Künstler Anton von Maron 1768 gemalt hatte und von Winckelmann als äußerst ähnlich empfunden wurde. Schadows Büste fand die Zustimmung des Kronprinzen, wenngleich Schadow selbst die Qualität seines Werks als ’mittelmäßig‘ beschrieb. Für die Arbeit hatte er 550 Gulden erhalten. Vgl. den Beitrag zur Büste Georg Friedrich Händels.

Thorsten Marr

Material/Technik
Marmor
 
Maße
Höhe: 67,5 cm - Breite: 36,0 cm - Tiefe: 30,0 cm
 
Inschriften
Inschrift am Sockel vorn: WINKELMANN
Inschrift am Sockel links: Im Jahre 1814 / von Rud: Schadow
Inschrift am Sockel hinten: Nach einem Bilde nach dem Leben von Maron
 
Hergestellt
...wer     Schadow, Ridolfo
...wann   1814
 
Schlagworte
Büste
Rom
Walhalla
Porträt
Marmor
 
Literatur
Richard Messerer, Briefwechsel zwischen Ludwig I. von Bayern und Georg von Dillis 1807-1841 (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte Bd. 65), München 1966
Adrian von Buttlar, Leo von Klenze. Leben-Werk-Vision, München 1999
Eckart Götz, Ridolfo Schadow. Ein Bildhauer in Rom zwischen Klassizismus und Romantik, Köln 2000
Simone Steger, Die Bildnisbüsten der Walhalla bei Donaustauf. Von der Konzeption durch Ludwig I. von Bayern zur Ausführung (1807-1842), Diss. München 2011
Florian Knauß, Winckelmann als Vorbild für Ludwig I. und Leo von Klenze, in: Johann Joachim Winckelmann und Bayern: eine europäische Dimension, (Akten der internationalen Tagung Regensburg, 8.-9. November 2018), Petersberg 2020, 77-86
Hannelore Putz, Ludovicianische Perspektiven auf Winckelmann – Medien der Erinnerung, in: Johann Joachim Winckelmann und Bayern. Eine europäische Dimension (Akten der internationalen Tagung Regensburg, 8.-9. November 2018), Petersberg 2020, 87-94



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