Bodenstanduhren
Diese Form der Großuhren entwickelte sich im 17. Jahrhundert zunächst in England und den Niederlanden. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen, den Stock- oder Stuhluhren, die meist auf Wandkonsolen platziert waren, stehen sie auf dem Boden. Der hohe Kasten schützt Gewichte und Pendel sowie das Uhrwerk, das meist mit einem Schlagwerk ausgestattet wurde. Um 1700 erreichten diese Uhren mit den langen Pendeln eine erstaunlich hohe Ganggenauigkeit, und schon 100 Jahre später wurde ihr Gebrauch immer häufiger. Für wissenschaftliche Zwecke verfeinerte man ständig die Mechanik, so dass sie als Präzisionspendeluhren in einfachen Gehäusen zum Einsatz kamen. Dagegen waren die kostspieligen Bodenstanduhren als Teil repräsentativer Raumausstattungen vorrangig in Adels- und reichen Bürgerhäusern zu finden, später in mitunter schlichten, preiswerteren Kästen als Haus- oder Dielenuhren in einfacheren Bürger- und Bauernhäusern oder in öffentlichen Gebäuden, wie Rathäusern oder Gerichten.
Die Bodenstanduhren wurden als Möbel aufgefasst und entsprechend der jeweiligen Mode in die Raumdekoration eingepasst. Dabei gab es auch regionale Unterschiede in der Gestaltung. Im Berliner und brandenburgischen Raum waren die Standuhrgehäuse anfangs stark von englischen und niederländischen Vorbildern beeinflusst oder wurden direkt in diesen Herstellungsländern bezogen. Neben der allgemeinen Mode kann man dies auch auf die engen verwandtschaftlichen Beziehungen des brandenburgischen Herrscherhauses in die Niederlande zurückführen. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts bestimmten mehr und mehr französische Dekorationsentwürfe das Aussehen der Uhrgehäuse. König Friedrich II. erwarb zunächst in Frankreich prunkvolle Uhren, ging dann aber dazu über, im eigenen Land produzieren zu lassen. Die einheimischen oder dafür angeworbenen ausländischen Kunsthandwerker vermochten es mit Hilfe königlicher Protektion, für den Bedarf des Hofes kostbare Marketerie- und Intarsienarbeiten anzufertigen, die Technik des französischen Ebenisten André Charles Boulle zu übernehmen und abzuwandeln sowie fein ziselierte, im Feuer vergoldete Gelbguss-Applikationen als Zierrat herzustellen. Die bekanntesten Künstler auf diesem Gebiet waren die Brüder Johann Friedrich und Heinrich Wilhelm Spindler sowie Johann Melchior Kambly. Für ihre kostbaren Uhren entwickelten sie Mitte des 18. Jahrhunderts einen eigenen, typisch Berlin-Potsdamer Stil, der auf die Entwürfe von Johann August Nahl oder Johann Michael Hoppenhaupt zurückging. Später lagen Dessins von Carl Ludwig Bauer, Johann Gottlob Fiedler oder aus dem Umkreis der Architekten Friedrich David Gilly und Karl Friedrich Schinkel zugrunde.
Nicht zu vergessen ist der französische Einfluss der angeworbenen Schweizer Uhrmacher, wie Abraham Louis Huguenin, der die Berliner Uhrenmanufaktur von 1765 bis 1769 leitete und mit seinem Fachwissen die Blüte der Uhrenherstellung in der Residenz mit begründete. Die vor allem im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wirkenden Uhrmacher Christian Ernst Kleemeyer und Johann Christian Möllinger gingen allmählich zur manufakturmäßigen Produktion mit entsprechender Arbeitsteilung über. Nur in seltenen Fällen sind die Hersteller der Uhrgehäuse bekannt, meistens dann, wenn sie als Hofkünstler in Erscheinung traten. Die Berliner Adressbücher des 19. Jahrhunderts führen etliche Personen mit der Berufsbezeichnung „Uhrgehäusemacher“ auf, so in den 1820er Jahren H. E. Droz, M. und P. Dufay, Düsen, Eschinger, Humberdroz, Lüdecke, C. A. Poiret, J. F. Remy, J. L. G. Schoening und 1837: L. Känel, F. E. A. Liebow, C. H. Perret, H. Pringal und Zarnack. Manche Namen erinnern noch an die französische oder Schweizer Herkunft ihrer Familien.
2022-06-23