Nachruhm und Legendenbildung
Es war nicht nur die borussische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, die den Mythos des ‚Großen Kurfürsten’ formte. Bereits sein Sohn und Nachfolger Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg/König Friedrich I. in Preußen begann, den Ruhm des Vaters durch das Medium der Kunst zu fördern. Ein beeindruckendes Beispiel hierfür ist das monumentale Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten nach dem Entwurf von Andreas Schlüter (1660–1714), das nach dem Vorbild von Reiterstandbildern der Antike und der Renaissance gestaltet wurde. Friedrich III. gab das Denkmal in Auftrag und platzierte die Bronzeplastik auf der Langen Brücke vor dem Berliner Schloss. Zudem wurde eine vergoldete Gipskopie auf dem Alten Markt in Potsdam aufgestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand die Bronzeplastik einen neuen Standort vor dem Schloss Charlottenburg, wo sie sich noch heute befindet. Auch ließ Friedrich III. die schon von Friedrich Wilhelm selbst beim seinem Hoftapetenmacher Pierre Mercier beauftragte Wandteppich-Folge mit großformatigen Darstellungen der Kriegsfahrten und Siege des Großen Kurfürsten fertig stellen. Durch die repräsentative, in Wolle und Seide umgesetzte Inszenierung als erfolgreicher Feldherr wurden Gebietsansprüche bekräftigt und die Bedeutung des Kurfürsten für die Nachwelt festgehalten. Nachhaltige Wirkung zeigten auch die anlässlich politischer und dynastischer Ereignisse zahlreich geprägten Medaillen.
Von seinen Nachkommen etablierte zuvorderst Friedrich II. (1712–1786), auch Friedrich der Große genannt, die Legende vom Großen Kurfürsten als mächtigen Kriegsherrn. So schrieb und publizierte er in den „Denkwürdigkeiten des Hauses Brandenburg“ ein Geschichtswerk mit einer Bewertung der Regierung seiner Vorgänger, in der er den Großen Kurfürsten in einem besonders günstigen Licht erscheinen ließ. Diese Idealisierung wurde auch in der bildenden Kunst umgesetzt, was sich vor allem im Potsdamer Stadtschloss in der Ausstattung des Marmorsaals manifestierte. Hier zeigten vier monumentale Gemälde des 17. Jahrhunderts von Theodoor van Thulden (1606-1669), Jacques Vaillant (1625–1691) und Paul Carl Leygebe (1664–1730), die teilweise noch unter Kurfürst Friedrich Wilhelm und seinem Sohn entstanden waren, die (Kriegs-)Taten des Großen Kurfürsten in allegorischen Darstellungen. Um diese Gemälde in einen größeren Kontext zu setzen, beauftragte Friedrich II. 1748 Amédée van Loo (1719–1795) mit einem Deckengemälde, das die Erhebung des Großen Kurfürsten in den Olymp darstellte. Gleichzeitig ließ er von Benjamin Giese (1705-1755) drei großformatige vergoldete Bronzereliefs mit den „Heldentaten“ des Kurfürsten anfertigen und sie als Supraporten im Marmorsaal anbringen. Damit trug er nachhaltig zur Idealisierung seines Vorfahren bei. Auch Gemälde des frühen 19. Jahrhunderts, die sich mit der „vaterländischen Geschichte“ beschäftigten, förderten die Legendenbildung um den Großen Kurfürsten durch anekdotische Historiendarstellungen, die ihn in seinen erfolgreichen Schlachten wiedergaben. Noch heute wird Kurfürst Friedrich Wilhelm mit dem Mythos des großen Feldherrn und mächtigen Herrschers assoziiert, obwohl die Forschung dies bereits teilweise widerlegt hat.
2020-04-15