Heimat im Krieg 1914-1918

Der ''Burgfrieden'' und die ''Judenzählung''

Die Verkündung des ''Burgfriedens'' und am Ende des Krieges die Verbreitung der ''Dolchstoßlegende''.

"In dem jetzt bevorstehenden Kampfe kenne ich in meinem Volke keine Parteien mehr. Es gibt unter uns nur noch Deutsche."
Kaiser Wilhelm II.
1. August 1914

Die Verkündigung des "Burgfriedens" durch den Kaiser soll für den Krieg eine verschworene Gemeinschaft zur Verteidigung des "Vaterlandes" schaffen. Auch jüdische Organisationen wie der "Centralverein der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens" rufen ihre Mitglieder zum Kriegsdienst auf. Gleich in den ersten Kriegswochen melden sich mehr als 11.500 Juden freiwillig an die Front. Insgesamt kämpfen im Weltkrieg rund 100.000 Deutsche mosaischen Glaubens, 12.000 bezahlen das mit ihrem Leben. Viele Juden erwarten aufgrund ihres Engagements endlich Chancengleichheit bei Karrieren in der Armee und im Staatsdienst. Denn diese blieben ihnen im christlichen Staat trotz der mit der Reichsgründung 1871 festgeschriebenen Bürgerrechte weitgehend verschlossen. Mit wachsender Dauer des Krieges und zunehmender Kriegsmüdigkeit verbreiten völkisch-nationale Kräfte das antisemitische Stereotyp des Juden als "Drückeberger". Am 11.10.1916 ordnet der preußische Kriegsminister eine Erhebung über die von Juden bekleideten Positionen im Heer an. Die Zählung erfolgt im Feldheer, im Besatzungsheer und bei den reklamierten Soldaten, die für zivile Kriegsdienste eingesetzt waren. Vorgeblich wird die Erhebung durchgeführt, um antisemitischen Vorwürfen zu begegnen. Die Ergebnisse der "Judenzählung" werden vom Kriegsministerium nicht veröffentlicht, die diskriminierende Wirkung bleibt dennoch nicht aus. Nach dem verlorenen Krieg gründet sich im Jahr 1919 der "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten". Er tritt der von rechten Kreisen verbreiteten Legende von "den Juden als Drahtziehern des Dolchstoßes in den Rücken des kämpfenden Heeres" aktiv entgegen.

2016-10-13