Else Boroffka-Niemeyer
Als zweites Kind und Tochter des Altphilologen Prof. Max Niemeyer und seiner Ehefrau Martha, geb. Rehorst, kommt Else Niemeyer am 18.August 1890 in Potsdam zur Welt. Nach dem Besuch des Lyzeums in der Alexandrinenstraße (heute Helene-Lange-Straße), wünscht der Vater für die Tochter einen praktischen Beruf. Else entscheidet sich für das Fotografenhandwerk und absolviert von 1910 bis 1913 ihre Ausbildung im Lette-Verein Berlin; mit anschließender Arbeit in einem auswärtigen Fotoatelier.
1913 eröffnet sie in der Wohnung der inzwischen verwitweten Mutter in der Potsdamer Eisenhartstraße 3 die „Lichtbildwerkstätte Niemeyer“. 1917 mietet sie ihre eigene Wohnung in der Spandauer Straße 2a, in der sie von nun an auch ihr Atelier betreibt. Im zweiten Stock des Hauses unterhält sie Wartezimmer, Atelier- und Arbeitszimmer, die zugleich Wohn- und Esszimmer sind. Das Speisezimmer lässt sich komplett verdunkeln und wird nach Bedarf zur Dunkelkammer – Gewässert werden die Negative und Abzüge im Bad. Else Niemeyer spezialisiert sich auf die Porträtfotografie. 1919 heiratet sie den 1891 in St. Petersburg geborenen Franz Paul Boroffka, Sohn eines Pianisten und Musikschulleiters. Ihre Lichtbildwerkstätte führt sie fortan unter dem Namen „Boroffka-Niemeyer“ weiter. 1920 und 1922 werden die Söhne Alexander und Olaf geboren. Franz Boroffka arbeitet ab 1923 trotz fehlender fotografischer Ausbildung im Geschäft seiner Frau mit. Von 1925 bis zur Selbstauflösung 1933 sind Else und Franz Boroffka Mitglieder der „Potsdamer Künstlergilde“. Zu ihren Freunden gehören u.a. lokal bekannte Künstler wie Heinrich Basedow d.Ä., Magnus Zeller, Ernst Richard Otto, Walter Bullert, Eduard Stichnote und Ernst Kretschmann. Die Geschäfte, vor allem im Sommer, laufen schleppend. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten entscheiden sich die Eheleute 1925 zur Eröffnung eines Saisongeschäfts in Ahrenshoop / Fischland; zunächst in gemieteten Räumen und ab 1928 im kleinen eigenen Haus, dem "Photohaus Boroffka". Der dritte Sohn Peter wird 1932 geboren. 1935 stirbt Elses Ehemann Franz Boroffka krankheitsbedingt. 1942 verliert sie ihren Sohn Olaf im Russlandfeldzug. Am Morgen des 14. April 1945 beschließt Else Boroffka-Niemeyer auf Grund der Kriegsereignisse die Abreise nach Ahrenshoop. Mit dieser Eingebung entgeht sie dem schweren Bombenangriff auf Potsdam, der noch in derselben Nacht beginnt. Sie kehrt erst 1946 wieder nach Potsdam zurück in die Wohnung, die sie derweil ihren ausgebombten Berliner Fotografenkolleginnen Hildegard Frensdorf, Frau Schlecht und Magarete Hoeland überließ. 1958 gibt Else Boroffka-Niemeyer ihr Fotoatelier in Ahrenshoop auf. 1962, im Alter von 72 Jahren, beendet sie auch ihr fotografisches Gewerbe in Potsdam und zieht in das Haus ihrer Eltern zurück. 1964 siedelt sie nach Berlin um, wo sie 1976 stirbt.
Die Ästhetik der fotografischen Arbeiten Boroffka- Niemeyers, insbesondere ihrer Porträtfotografien, ist geprägt durch eine weiche, dem natürlichen Licht annähernde Ausleuchtung. Die Posen sind gelegentlich mit einem gewissen Pathos versehen, der an die Gemütstiefe von Gemälden des deutschen Jugendstils erinnert. Diese Anmutung wird noch verstärkt durch die Anwendung von Edeldruckverfahren, beispielsweise Bromöl- und Gummidruck. Damit erfüllt Boroffka-Niemeyer wesentliche Kriterien des Piktorialismus – dem ersten Bestreben um die 20. Jahrhundertwende, die Fotografie als Kunstform zu etablieren. Ihre Mitgliedschaft in der Potsdamer Künstlergilde sowie die Verbindung zur Künstlerkolonie Ahrenshoop prägten zweifellos ihr künstlerisches Selbstverständnis.
2019-06-19