2. "Krieg ist mein Lied!" - Die Grenadierslieder
Gleims Kriegslieder waren ein überwältigender literarischer Erfolg. Der Halberstädter Dichter verdankte ihnen eine außerordentliche Popularität, die lange anhielt. In vieler Hinsicht war Gleim jedoch eher Friedens- als Kriegsdichter.
Wer singt den König?
Die Bevölkerung war im Siebenjährigen Krieg nicht nur wie in jedem Krieg leidtragend, sondern sie nahm auch Anteil, indem sie ein lebhaftes Interesse für König und Land fasste. Eine patriotische Gesinnung wurde zu einer Gruppenidentität.
Der König wurde durch die glanzvollen Siege gegen eine feindliche Übermacht, die er in den ersten Kriegsjahren erfocht, als Genie und als Held wahrgenommen und enthusiastisch verehrt, obgleich er auch Niederlagen zu erleiden hatte und mancher Sieg so viele Menschenleben kostete wie manche Niederlage.
In der literarischen Welt erhoben sich bald Stimmen, dass dieser König und diese Siege den Stoff zu großer Dichtung abgeben würden. Gerade auch in Gleims Netzwerk von Literaten war dieser Ruf vielseits zu hören. Gleim trug die dichterische Bearbeitung der Ereignisse im Odenstil befreundeten Dichtern an (Ramler, Uz, Lessing), forderte sie ihnen geradezu ab. Er selbst beabsichtigte eine geschichtliche Darstellung des Krieges. Dies wäre eine für Gleim neue literarische Gattung gewesen. Bis dahin war er mit anakreontischer, mit tändelnder, scherzhafter Dichtung sowie jüngst mit Fabeln hervorgetreten. An einem Kriegslied hatte er sich zuvor zwar bereits versucht, nachdem nämlich sein Dienstherr Markgraf Wilhelm von Brandenburg-Schwedt vor seinen Augen einer feindlichen Kanonenkugel zum Opfer gefallen war. Diese überaus drastische Erfahrung hatte Gleim damals allerdings nicht anders als in einem anakreontischen, in einer tändelnden Pointe endenden Gedicht literarisieren können, das in dieser Stil-Lage dem Phänomen Krieg nicht hatte gerecht werden können.
Die Bearbeitung im hohen Stil forderte Gleim umso dringlicher, als eine Vielzahl niveauloser Dichtungen im Umlauf war. Gleim an Kleist: "Auf H. Ramlern bin ich ein Bißchen böse, daß er die elenden Sänger unsres Friederich’s nicht mit einer kleinen Ode zu Schanden macht. Die Stümper singen ihn voller Herrlichkeit, und man lobt sie, weil doch gesungen sein soll und Niemand ist, der besser singt." (6.1.1757)
Gleims Grenadierslieder
Gleims "Preußische Kriegslieder" waren als literarische Gattung nicht nur für Gleim neuartig, sondern auch für die Literaturgeschichte. Die Dichtungen sind in einer gehobenen, liedhaften Versform vorgetragen und gestalten erhabene Bilder. Dabei bedienen sie sich aber doch meist einer einfachen, archaisierenden Sprache. Diese Dichtungen stellen sich dar als Verbindung von Tatsachenbericht, in welchem noch Gleims anfängliches Ansinnen wirksam war, eine historiografische Darstellung der Feldzüge zu verfassen - als Verbindung von Tatsachenbericht also und Ode. Am ehesten sei die Form dem vergleichbar, was man sich unter dem Gesang der Barden vorzustellen habe, meinte etwa Lessing in seinem Vorwort zu der Sammlung der Kriegslieder, die er 1758 herausgab. Auch Goethe räumte ihnen einen "hohen Rang" in der Literaturgeschichte ein (Dichtung und Wahrheit, 2. T., 7. Buch).
Zunächst hatte Gleim die Absicht, die Geschichte des Krieges zu schreiben. Hierfür sandte ihm Kleist die ausführlichen Berichte über die Kriegsereignisse, auch so manche Gefechtskarte. Doch Gleim hatte von Anfang an noch weitere Nachrichtenquellen, er betrieb für seinen literarischen Plan regelrecht Recherchen und war kurz davor, die bisherigen Kriegsschauplätze und die Front zu besuchen. Von allen Kriegslieddichtern des Siebenjährigen Krieges, und es gab viele davon, war Gleim vielleicht am gründlichsten informiert.
Die ersten Kriegslieder sind erst im Sommer des zweiten Kriegsjahres, 1757, entstanden. Welches das erste war, ist nicht genau erkennbar. Möglich, dass es das Lied auf die Schlacht bei Lowositz war, in deren Folge der Ruf nach patriotischer Dichtung laut geworden ist. Möglich auch, dass Gleim dieser Schlacht, in der sich besonders diese Waffengattung rühmlich ausgezeichnet hatte, auch die Idee zu der literarischen Rolle des Grenadiers verdankte. Die Dichtungen entstanden nicht synchron zu den besungenen Ereignissen. Das Lied zur Eröffnung des Krieges entstand frühestens als vierte der Dichtungen.
In seinen literarischen Netzwerk gab Gleim seine Kriegslieder nicht als eigene Dichtungen aus, sondern behauptete, diese von einem preußischen Grenadier empfangen zu haben, von einem einfachen, aber doch den Elitetruppen der Grenadiere zugehörigen Soldaten also. Die ersten Separatdrucke der frühesten Kriegslieder erschienen noch ohne die Angabe des fingierten Verfassers. Doch schon bei der wohl Anfang 1758 erschienenen Sammlung "Ein Schlachtengesang und zwey Siegeslieder" firmierte als Verfasser ein Grenadier, und so auch bei der Edition Lessings im August 1758.
In Zeiten der Bedrohung des Fürstentums Halberstadt durch feindliche Truppen, in denen auch das Briefgeheimnis nicht gesichert war, gebot es die Vorsicht, sich nicht als Autor patriotischer Schriften zu offenbaren. Darüber hinaus aber entsprach die literarische Rolle des Grenadiers, der an den Kriegen selbst teilnimmt, an den Siegen selbst Teil hat, exakt der Perspektive der ersten Person, in der die Dichtungen verfasst sind und in der deren bedeutendes identifikatorisches Potenzial bestand. Die Verfasserfiktion konnte als Metapher auch dafür dienen, dass diese Dichtung nicht nur Wort, sondern auch Tat war, dass sie an den Kämpfen Anteil hatte, indem sie den Kampfgeist der Truppe schürte; dass sie im Sinne der gemeinsamen Sache auf die öffentliche Meinung einwirkte, indem sie ebenso dem militärischen Verdienst Ruhm spendete.
Gleims Kriegslieder wurden bald zum Gemeingut und waren ein überwältigender literarischer Erfolg. Der Halberstädter Dichter verdankte ihnen eine außerordentliche Popularität, die bis in das 20. Jahrhundert hinein anhielt, dann jedoch abrupt abfiel. Als diese Werke gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder in den Blick gerückt und intensiver analysiert wurden, war man darauf aus, sie als Kriegsverherrlichung und Chauvinismus zu diskreditieren, auch dem Autor Naivität, Verblendung, Rückständigkeit und einen Mangel an Authentizität vorzuwerfen. Eine abgewogene Sicht formulierte erst David Lee 2011 (David E. Lee: Amor im Harnisch. Gleim als Anakreontiker und Grenadier. In: Euphorion, Jg. 105, Heft 1, 2011, S. 19-50).
Von einigen Ausfällen abgesehen, sind Gleims Kriegslieder weniger auf die Schmähung des Gegners aus, als vielmehr auf die Verherrlichung des Königs. Dessen Genie als Philosoph wie als Feldherr wird kultisch zelebriert. Das Konzept des Helden ist eines der wichtigsten Motive dieser Dichtungen. Immer wieder wird Friedrich als Vaterfigur sowie als Menschenfreund angesprochen und seine Friedensliebe dargetan. Gleims eigener Auskunft zufolge sei eben dies die Intention seiner Kriegslieder gewesen, die Friedensliebe Friedrichs II. zu beweisen (Gleim an Karl Friedrich Kretschmann, 23.8.1794).
Die Voraussetzung dieser Dichtungen war neben der Begeisterung für den König die völlige Überzeugung von der Gerechtigkeit seiner Kriege. Gleim befand sich in der Frage der Kriegsursachen in vollständiger Übereinstimmung mit den Argumenten Friedrichs II. Damit sah er nicht nur den Siebenjährigen Krieg als einen Preußen aufgezwungenen Konflikt an, auch dessen Voraussetzung, die ersten beiden Schlesischen Kriege rechtfertigte er als dem König abgenötigt (Körte in Vorwort zu SW IV. S. 9-20). Mit dieser Überzeugung war auf Seiten Gleims des weiteren das feste Vertrauen auf den Beistand Gottes als des Beförderers der guten Sache verbunden.
Gleim kam mit seinen Dichtungen auf die Schlachten Friedrichs II. zu Ruhm, doch hat er Krieg keineswegs befürwortet. Den Siebenjährigen Krieg nannte er einen "bösen Krieg" (Schlachtgesang vor der Schlacht bei Prag) oder auch ein "großes Trauerspiel" (Lowositz-Lied). An der humanitären Einstellung des Dichters kann kein Zweifel sein, schließen doch seine Ausführungen über die Schlesischen Kriege mit einem Appell, der (freilich nicht bevor mit dem nachrevolutionären Frankreich ein gemeinsamer Gegner erstanden war) nichts geringeres als Völkerverständigung heischt: "Möchten zur Erhaltung der Freiheit von ganz Europa die beiden Häuser, Preußen und Oesterreich, sich versöhnen, und in dem Grade, wie sie Feinde waren, Freunde werden!" (zit. nach Sämmtliche Werke, Bd. IV, S. 20) Gleim ist hier nicht Kriegs-, sondern Friedensdichter und vertritt einen europäischen Gedanken.
Gleims Kriegslieder entstanden in den Jahren 1757 und 1758. Danach verstummte der Grenadier. Die Gründe dafür, dass diese Dichtungen recht abrupt aufhören, sind vielfältig. Das letzte Lied, "Der Grenadier an die Kriegesmuse nach dem Siege bey Zorndorf", hatte eine lange briefliche Auseinandersetzung mit Lessing heraufbeschworen. Dabei hatte sich Gleim vorwerfen lassen müssen, der Patriot habe hier den Dichter und Weltmann überschrien. Ferner blieb das Kriegsglück Preußen nicht treu. Der König und mit ihm das Land gerieten in schwerste Bedrängnis. Die Begeisterung der ersten Kriegsjahre wich Beklemmung, Depression, Verzweiflung. Bei Kunersdorf brach im Sommer 1759 eine Katastrophe über Preußen herein, die der Monarchie beinahe die Existenz gekostet hätte. Der Tod Kleists in der Folge dieser Schlacht war für Gleim ein nicht zu verwindender Schicksalsschlag. Mehrfach erklärte er, auch der Grenadier sei bei Kunersdorf geblieben. Schließlich konnte es Gleim nicht zu weiteren Kriegsliedern anspornen, dass der König diese augenscheinlich nicht wahrnahm.
Im sogenannten ‚Kartoffelkrieg‘ (1778/79) nahm Gleim noch einmal die Rolle des Grenadiers an und die Gattung des Kriegsliedes auf, und letztmals in den 1790er Jahren unter dem Eindruck der Koalitionskriege. Doch war dies nur ein äußerliches Anknüpfen.
Die Bevölkerung war im Siebenjährigen Krieg nicht nur wie in jedem Krieg leidtragend, sondern sie nahm auch Anteil, indem sie ein lebhaftes Interesse für König und Land fasste. Eine patriotische Gesinnung wurde zu einer Gruppenidentität.
Der König wurde durch die glanzvollen Siege gegen eine feindliche Übermacht, die er in den ersten Kriegsjahren erfocht, als Genie und als Held wahrgenommen und enthusiastisch verehrt, obgleich er auch Niederlagen zu erleiden hatte und mancher Sieg so viele Menschenleben kostete wie manche Niederlage.
In der literarischen Welt erhoben sich bald Stimmen, dass dieser König und diese Siege den Stoff zu großer Dichtung abgeben würden. Gerade auch in Gleims Netzwerk von Literaten war dieser Ruf vielseits zu hören. Gleim trug die dichterische Bearbeitung der Ereignisse im Odenstil befreundeten Dichtern an (Ramler, Uz, Lessing), forderte sie ihnen geradezu ab. Er selbst beabsichtigte eine geschichtliche Darstellung des Krieges. Dies wäre eine für Gleim neue literarische Gattung gewesen. Bis dahin war er mit anakreontischer, mit tändelnder, scherzhafter Dichtung sowie jüngst mit Fabeln hervorgetreten. An einem Kriegslied hatte er sich zuvor zwar bereits versucht, nachdem nämlich sein Dienstherr Markgraf Wilhelm von Brandenburg-Schwedt vor seinen Augen einer feindlichen Kanonenkugel zum Opfer gefallen war. Diese überaus drastische Erfahrung hatte Gleim damals allerdings nicht anders als in einem anakreontischen, in einer tändelnden Pointe endenden Gedicht literarisieren können, das in dieser Stil-Lage dem Phänomen Krieg nicht hatte gerecht werden können.
Die Bearbeitung im hohen Stil forderte Gleim umso dringlicher, als eine Vielzahl niveauloser Dichtungen im Umlauf war. Gleim an Kleist: "Auf H. Ramlern bin ich ein Bißchen böse, daß er die elenden Sänger unsres Friederich’s nicht mit einer kleinen Ode zu Schanden macht. Die Stümper singen ihn voller Herrlichkeit, und man lobt sie, weil doch gesungen sein soll und Niemand ist, der besser singt." (6.1.1757)
Gleims Grenadierslieder
Gleims "Preußische Kriegslieder" waren als literarische Gattung nicht nur für Gleim neuartig, sondern auch für die Literaturgeschichte. Die Dichtungen sind in einer gehobenen, liedhaften Versform vorgetragen und gestalten erhabene Bilder. Dabei bedienen sie sich aber doch meist einer einfachen, archaisierenden Sprache. Diese Dichtungen stellen sich dar als Verbindung von Tatsachenbericht, in welchem noch Gleims anfängliches Ansinnen wirksam war, eine historiografische Darstellung der Feldzüge zu verfassen - als Verbindung von Tatsachenbericht also und Ode. Am ehesten sei die Form dem vergleichbar, was man sich unter dem Gesang der Barden vorzustellen habe, meinte etwa Lessing in seinem Vorwort zu der Sammlung der Kriegslieder, die er 1758 herausgab. Auch Goethe räumte ihnen einen "hohen Rang" in der Literaturgeschichte ein (Dichtung und Wahrheit, 2. T., 7. Buch).
Zunächst hatte Gleim die Absicht, die Geschichte des Krieges zu schreiben. Hierfür sandte ihm Kleist die ausführlichen Berichte über die Kriegsereignisse, auch so manche Gefechtskarte. Doch Gleim hatte von Anfang an noch weitere Nachrichtenquellen, er betrieb für seinen literarischen Plan regelrecht Recherchen und war kurz davor, die bisherigen Kriegsschauplätze und die Front zu besuchen. Von allen Kriegslieddichtern des Siebenjährigen Krieges, und es gab viele davon, war Gleim vielleicht am gründlichsten informiert.
Die ersten Kriegslieder sind erst im Sommer des zweiten Kriegsjahres, 1757, entstanden. Welches das erste war, ist nicht genau erkennbar. Möglich, dass es das Lied auf die Schlacht bei Lowositz war, in deren Folge der Ruf nach patriotischer Dichtung laut geworden ist. Möglich auch, dass Gleim dieser Schlacht, in der sich besonders diese Waffengattung rühmlich ausgezeichnet hatte, auch die Idee zu der literarischen Rolle des Grenadiers verdankte. Die Dichtungen entstanden nicht synchron zu den besungenen Ereignissen. Das Lied zur Eröffnung des Krieges entstand frühestens als vierte der Dichtungen.
In seinen literarischen Netzwerk gab Gleim seine Kriegslieder nicht als eigene Dichtungen aus, sondern behauptete, diese von einem preußischen Grenadier empfangen zu haben, von einem einfachen, aber doch den Elitetruppen der Grenadiere zugehörigen Soldaten also. Die ersten Separatdrucke der frühesten Kriegslieder erschienen noch ohne die Angabe des fingierten Verfassers. Doch schon bei der wohl Anfang 1758 erschienenen Sammlung "Ein Schlachtengesang und zwey Siegeslieder" firmierte als Verfasser ein Grenadier, und so auch bei der Edition Lessings im August 1758.
In Zeiten der Bedrohung des Fürstentums Halberstadt durch feindliche Truppen, in denen auch das Briefgeheimnis nicht gesichert war, gebot es die Vorsicht, sich nicht als Autor patriotischer Schriften zu offenbaren. Darüber hinaus aber entsprach die literarische Rolle des Grenadiers, der an den Kriegen selbst teilnimmt, an den Siegen selbst Teil hat, exakt der Perspektive der ersten Person, in der die Dichtungen verfasst sind und in der deren bedeutendes identifikatorisches Potenzial bestand. Die Verfasserfiktion konnte als Metapher auch dafür dienen, dass diese Dichtung nicht nur Wort, sondern auch Tat war, dass sie an den Kämpfen Anteil hatte, indem sie den Kampfgeist der Truppe schürte; dass sie im Sinne der gemeinsamen Sache auf die öffentliche Meinung einwirkte, indem sie ebenso dem militärischen Verdienst Ruhm spendete.
Gleims Kriegslieder wurden bald zum Gemeingut und waren ein überwältigender literarischer Erfolg. Der Halberstädter Dichter verdankte ihnen eine außerordentliche Popularität, die bis in das 20. Jahrhundert hinein anhielt, dann jedoch abrupt abfiel. Als diese Werke gegen Ende des 20. Jahrhunderts wieder in den Blick gerückt und intensiver analysiert wurden, war man darauf aus, sie als Kriegsverherrlichung und Chauvinismus zu diskreditieren, auch dem Autor Naivität, Verblendung, Rückständigkeit und einen Mangel an Authentizität vorzuwerfen. Eine abgewogene Sicht formulierte erst David Lee 2011 (David E. Lee: Amor im Harnisch. Gleim als Anakreontiker und Grenadier. In: Euphorion, Jg. 105, Heft 1, 2011, S. 19-50).
Von einigen Ausfällen abgesehen, sind Gleims Kriegslieder weniger auf die Schmähung des Gegners aus, als vielmehr auf die Verherrlichung des Königs. Dessen Genie als Philosoph wie als Feldherr wird kultisch zelebriert. Das Konzept des Helden ist eines der wichtigsten Motive dieser Dichtungen. Immer wieder wird Friedrich als Vaterfigur sowie als Menschenfreund angesprochen und seine Friedensliebe dargetan. Gleims eigener Auskunft zufolge sei eben dies die Intention seiner Kriegslieder gewesen, die Friedensliebe Friedrichs II. zu beweisen (Gleim an Karl Friedrich Kretschmann, 23.8.1794).
Die Voraussetzung dieser Dichtungen war neben der Begeisterung für den König die völlige Überzeugung von der Gerechtigkeit seiner Kriege. Gleim befand sich in der Frage der Kriegsursachen in vollständiger Übereinstimmung mit den Argumenten Friedrichs II. Damit sah er nicht nur den Siebenjährigen Krieg als einen Preußen aufgezwungenen Konflikt an, auch dessen Voraussetzung, die ersten beiden Schlesischen Kriege rechtfertigte er als dem König abgenötigt (Körte in Vorwort zu SW IV. S. 9-20). Mit dieser Überzeugung war auf Seiten Gleims des weiteren das feste Vertrauen auf den Beistand Gottes als des Beförderers der guten Sache verbunden.
Gleim kam mit seinen Dichtungen auf die Schlachten Friedrichs II. zu Ruhm, doch hat er Krieg keineswegs befürwortet. Den Siebenjährigen Krieg nannte er einen "bösen Krieg" (Schlachtgesang vor der Schlacht bei Prag) oder auch ein "großes Trauerspiel" (Lowositz-Lied). An der humanitären Einstellung des Dichters kann kein Zweifel sein, schließen doch seine Ausführungen über die Schlesischen Kriege mit einem Appell, der (freilich nicht bevor mit dem nachrevolutionären Frankreich ein gemeinsamer Gegner erstanden war) nichts geringeres als Völkerverständigung heischt: "Möchten zur Erhaltung der Freiheit von ganz Europa die beiden Häuser, Preußen und Oesterreich, sich versöhnen, und in dem Grade, wie sie Feinde waren, Freunde werden!" (zit. nach Sämmtliche Werke, Bd. IV, S. 20) Gleim ist hier nicht Kriegs-, sondern Friedensdichter und vertritt einen europäischen Gedanken.
Gleims Kriegslieder entstanden in den Jahren 1757 und 1758. Danach verstummte der Grenadier. Die Gründe dafür, dass diese Dichtungen recht abrupt aufhören, sind vielfältig. Das letzte Lied, "Der Grenadier an die Kriegesmuse nach dem Siege bey Zorndorf", hatte eine lange briefliche Auseinandersetzung mit Lessing heraufbeschworen. Dabei hatte sich Gleim vorwerfen lassen müssen, der Patriot habe hier den Dichter und Weltmann überschrien. Ferner blieb das Kriegsglück Preußen nicht treu. Der König und mit ihm das Land gerieten in schwerste Bedrängnis. Die Begeisterung der ersten Kriegsjahre wich Beklemmung, Depression, Verzweiflung. Bei Kunersdorf brach im Sommer 1759 eine Katastrophe über Preußen herein, die der Monarchie beinahe die Existenz gekostet hätte. Der Tod Kleists in der Folge dieser Schlacht war für Gleim ein nicht zu verwindender Schicksalsschlag. Mehrfach erklärte er, auch der Grenadier sei bei Kunersdorf geblieben. Schließlich konnte es Gleim nicht zu weiteren Kriegsliedern anspornen, dass der König diese augenscheinlich nicht wahrnahm.
Im sogenannten ‚Kartoffelkrieg‘ (1778/79) nahm Gleim noch einmal die Rolle des Grenadiers an und die Gattung des Kriegsliedes auf, und letztmals in den 1790er Jahren unter dem Eindruck der Koalitionskriege. Doch war dies nur ein äußerliches Anknüpfen.
2012-01-12