Handwerk in Brandenburg

Berufsschule

Die ausführliche, aber auch ideologisch geprägte begleitende Berufsschulausbildung im Handwerk in Brandenburg zu Zeiten des 3. Reichs, wird anhand der umfangreich erhaltenen Dokumente des Tremmener Stellmachers Otto Lehnhardt deutlich. Nachfahre Lothar Lehnhardt schreibt hierzu:

„Die Berufsausbildung war um 1935 in Deutschland formell anders als heute: man begann sie schon mit 14 Jahren, nachdem man die 1. Klasse verlassen hatte – das entspricht der heutigen 8. Klasse; man zählte die Jahrgänge damals rückwärts - und man schrieb in Sütterlin , die im Dritten Reich als „Deutsche Volksschrift“ gelehrt wurde.

In Handwerksberufen musste der Spross des Meisters, meist der Sohn, denselben Beruf erlernen und erhielt die praktische Ausbildung in der Regel beim Vater. Der Meister bildete aber auch Lehrlinge aus „nicht besitzenden“ Familien aus, die dann – wenn sie aus anderen Dörfern kamen – für die Lehrzeit beim Meister wohnten und beköstigt wurden. Am Ende der Ausbildung stand die Anfertigung eines Gesellenstücks, beim Stellmacher beispielsweise des eines Wagenrades.

In der Berufsschule wurde zunächst „Fachkunde“ unterrichtet und dabei ist es erstaunlich, wie umfangreich und gründlich diese Ausbildung war: im Lehrbuch für den Wagner (Stellmacher) wird auch der Aufbau der Zelle und die Zellteilung abgehandelt, im Lehrbuch für den Sattler der Bau der tierischen Haut und ein Schmiedelehrling musste natürlich genauestens die Anatomie eines Pferdehufes erlernen. Und es wurde viel Mathematik verlangt. Die Berufsschullehrer achteten außerdem sehr auf die Rechtschreibung und zensierten streng.

Ein weiteres Fach war die „Geschäftskunde“. Hier erlernte man alles, was man zum Führen eines Handwerksbetriebes können musste: Briefwechsel mit den Behörden, Bestellungen von Ware, Stellen von Rechnungen usw..

Die „Gesellschaftskunde“ bestand um 1935 natürlich vor allem darin, das Gedankengut des Nationalsozialismus zu verbreiten. Und wer um diese Zeit eine Lehre machte, musste in der Regel ab 1939 in den Krieg ziehen.“

 

2017-09-29

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