Erinnerung

Mutter und Kind

Wenige Monate vor seinem Freitod, entsetzt und bis ins Innerste gepeinigt von einem Krieg, der alle bisherigen Konventionen und Vorstellungen der westlichen Zivilisation zutiefst erschüttert hatte, bestürmt von Selbstzweifeln und Depressionen, nahm Wilhelm Lehmbruck mit dieser späten Plastik ein Urthema der Bildhauerei auf. Die schmerzlich und zugleich innig wirkende Gruppe übersetzt den Typus der Pietà mit aktuellem Sinngehalt in seine Zeit. In der lapidaren Formbehandlung geht Lehmbruck an die Grenzen des zeitgenössischen Begriffs von Bildhauerei. Nur fragmentarisch sind die Gesichtszüge modelliert, die steil aufragende Stirn des weiblichen Kopfes wölbt sich wie eine Kuppel und schließt durch einen vom Hals zur Brust verlaufenden Bogen das Kind in die Gesamtform ein. Diese Vereinigung von Mutter und Kind äußert fern jeglicher Geste Lehmbrucks Erschütterung über eine vom zerstörerischen Geist bedrohte Menschlichkeit. Lehmbruck, der die Ambivalenz von Leib und Geist wie kein anderer Bildhauer im 20. Jahrhundert fern jeglicher Geste in der menschlichen Figur zum Ausdruck gebracht hat, äußerte mit dieser Plastik ein letztes Mal seine Erschütterung über den Heilsverlust des vom männlich-zerstörerischen Geist beherrschten Menschen.

(Object from: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) Original entry)

Material /Technique ...

Steinguss

Measurements ...

H: 58 cm x B: 37 cm x T: 9 cm

Created ...

... Who:

... When:1917-1918

Literature ...

  • Hüneke, Andreas (2005): Das schöpferische Museum. Halle (Saale)
  • Schneider, Katja (Hg.) (2008): Moderne und Gegenwart - das Kunstmuseum in Halle. München

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