"... und deutsches liest er nicht."

Brief von Karl Wilhelm Ramler an Gleim, 8. Juli 1749

In der literarischen Öffentlichkeit war Friedrichs Geringschätzung der deutschen Sprache und Literatur bereits lange vor der Veröffentlichung der Schrift "De la Littérature Allemande" (Über die deutsche Literatur, 1780) (#) wohl bekannt. Man bemühte sich nach Kräften beständig, wenngleich mit wenig Erfolg, dem König die maßgeblichen deutschen Werke bekannt zu machen.

Mein liebster Freund,
Meine Festtage sind mit der Revüe zu Ende gegangen. Kommen Sie nun zu mir, ich habe sie in diesem Jahre noch nicht gesehn. Ich bekomme zwar wieder Ferien, aber erst im Herbst, und dann werde ich nicht in der großen ausgesuchten Gesellschaft seyn, die, in ihrer Celle, dem Hundesstern entgegen trinckt. Ich werde dann hier mit unserm Langemack so viel Kirschen eßen, als uns dienl. sind. Ich werde am Abend unter Linden und Weiden oder auch unter Castanienbäumen einsam und keusch herumspatzieren, und indeßen alle meine Freunde in Halberstadt in den Wollüsten ersoffen sind, werde ich hier nicht einmal das Vergnügen haben die Nachrichten davon zu erhalten; denn wie wolten sie so viel Zeit übrig haben sie zu beschreiben? Jedoch was quält mich die Zukunft? Ich kan vielleicht, ja ich kan mehr als vielleicht euch alle überraschen. Als mir ihr letzter Brief von Sulzern gegeben wurde, ließ er mich zu sich ruffen mit dem Vorgeben, es erwartete mich jemand bey ihm, dem Diener war verboten mir niemand zu nennen. Ich ging, in der gewißen Hoffnung Sie dort anzutreffen; Als ich sie nicht sahe, suchte ich sie, und als ich sie nicht fand, wolte ich wieder weggehen, denn ich war böse, daß ich betrogen war, ohngeachtet ich mich selbst betrogen hatte. Hempel war bey ihm, der mir zwar sehr lieb ist, er muß aber nicht da stehn wo ich sie zu sehen verlange. Er wird bald wieder nach Magdeburg gehn, von da zu ihnen, und mir ihr Porträt meisterhaft mahlen; denn ich muß sie am ähnlichsten haben, ihre Braut nicht; denn dieser geben sie lieber ein lebendiges Bild von sich.
Was ihnen beym Frülinge einfallen wird, schreiben sie mir fleißig und getreulich, damit er etwas weitläuftiger werden kan, etwan tausend Zeilen starck - - Dies ist das gewöhnliche Maaß der Tragödien, der Helden=Bücher und andrer großen Gedichte, wenn ich richtig überschlagen habe.
Vieleicht sammelt der h. v. Kleist jetzt auch noch, und wird es einstreuen wann sein Gedicht wieder zu ihm, als zur letzten Instantz, kommt. Was macht Uz, denn ich muß wißen was er ist und wo er ist, damit er vocirt werden kann, wenn einige witzige Köpfe nach Berlin verlangt werden. Wißen sie nichts von Goetz? auch dieser muß unter einer guten Gesellschaft leben, wenn er vortrefl. werden soll. Aber, güldene Träume! Der König, wenn die Nachricht nicht apocryphisch ist, hält den Canitz für den ersten und letzten deutschen Poeten; und bekennt, daß die Deutschen ihre Barbarey, bis auf die eintzige Sprache, ziemlich abgelegt haben. Wie kan er anders dencken, so lange man ihm den Haller, Hagedorn, und sie selbst, mein liebster Minnesinger, ingleichen Zachariam den Poeten, den Schäfer Rost, den Seraphischen Klopstock und alle die noch vor der Thür stehn, vorenthält? Ich will künftig mehr plaudern. Dieser Brief muß zu Sulzern. Ich umarme sie tausend mal in Gedancken, und bin
Ihr
getreuester Freund
Berlin d. 8ten Jul.
1749. Ramler.
Die Hälfte des Jahres ist vorbey!
Die Hälfte des Seculi ist bald vorbey!
Gott helfe weiter!

Textgestalt nach "Bw. Gleim/Ramler" - "Mein lieber deutscher Horaz". Der Briefwechsel Gleims und Ramlers [Arbeitstitel], hg. v. David Elwood Lee (in Vorbereitung)

(Object from: GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung Original entry)

Material /Technique ...

Handschrift auf Papier

Written ...

... Who:

... When:July 8, 1749

... Where:Berlin 

Literature ...

  • David Elwood Lee (in Vorbereitung)"Bw. Gleim/Ramler" - "Mein lieber deutscher Horaz". Der Briefwechsel Gleims und Ramlers [Arbeitstitel].
  • Lacher, Reimar F. (2017): "Friedrich, unser Held" - Gleim und sein König. Göttingen