"Krieg ist mein Lied"

Siegeslied nach der Schlacht bei Roßbach (den 5ten Novembr. 1757.)

In: Ein Schlachtengesang und zwey Siegeslieder von einem Preussischen Grenadier. Ohne Ort 1758, 8°, 94 S.

Nachdem die Form des erhaben-einfachen Siegesliedes einmal gefunden war, entstanden die weiteren in zeitlichem Anschluss an die bedichteten Ereignisse. Das Lied auf die Schlacht bei Roßbach war innerhalb eines Monats nach der Schlacht geschrieben, keine zehn Tage später schon gedruckt und bald auch vertont.
Das Lied auf den Sieg bei Roßbach ist das wohl populärste von Gleims Kriegsliedern geworden. Dies liegt sicherlich nicht zuletzt an der burlesken Darstellung des Rückzugs verschiedener Landsmannschaften aus dem Feld. "Dem Trierer, welcher guten Muth / In langen Beinen fühlt, / Im Laufen stürzt, und Nasenblut / Für Wundenströme hielt."
Lessing war es, der Gleim die humoristische Behandlung dieses Stoffes angeraten hatte; Kleist schrieb: "Herr Lessing empfiehlt sich Ihnen; Er sagt, der Grenadier könnte nun wol einmal ein lustig Stückchen singen" (Kleist an Gleim, 8.11.1757, Kleist’s Werke Bd. 2, S. 451).

Erschalle, hohes Siegeslied,
Erschalle weit umher!
Daß dich der Feind, wohin er flieht,
Vernehme hinter her.

Den, welcher unsern Untergang
In bösem Herzen trug,
Den schlage, muthiger Gesang,
Wie Friederich ihn schlug!

So wie ein junger Löwe liegt,
Und laurt auf seinen Feind,
Der stolz ist, in Gedanken siegt,
Ihn leicht zu zwingen meint;

So, tapfre Brüder! lagen wir,
Wir kleiner Hauf im Thal.
Der Abend kam, da schliefen wir,
Nach langem Marsch einmal!

Vom Pulverdonner eingewiegt,
Und von der Waffen Last
Ermüdet, schliefen wir vergnügt,
Und hatten gute Rast.

Nur Friedrich, welcher immer wacht,
Nur unser Held durchritt,
Voll Anstalt zu der nahen Schlacht,
Die Felder, Schritt vor Schritt.

Vom Sternenvollen Himmel sahn
Schwerin und Winterfeld,
Bewundernd den gemachten Plan,
Gedankenvoll den Held!

Gott aber wog bey Sternenklang
Der beyden Heere Krieg,
Er wog, und Preussens Schaale sank,
Und Östreichs Schaale stieg.

Der Neid, der neben Thronen sitzt
Im ungetreuen Wien,
Knirscht mit den Zähnen, Rache blitzt
Aus Augen, welche glühn;

Der hatte wider Deine Macht
Und Weisheit, Friederich!
Der Erde Fürsten aufgebracht,
Gott aber blieb für Dich.

Nun mögen sie bey ihrem Krieg
Verrathen im Gesicht:
Der Himmel gebe solchen Sieg
Dem Ungerechten nicht.

Der grosse Morgen brach hervor,
Und brachte grossen Tag.
Den Morgengruß in unser Ohr
Trug mancher Donnerschlag.

Wir aber hörten kaum darauf,
Wir dachten keinen Tod;
Wir stunden ausgeruhet auf
Und kochten Morgenbrod.

Die Feinde kommen, sagte man,
Wir aber blieben still,
Wir sahn sie kommen, nah daran,
Wir aber blieben still!

Denn Friedrich war noch nicht zu sehn,
Bis Moritz sagte: Marsch!
Von allen war er nun zu sehn,
Und alle sagten, Marsch!

Aus unser aller Augen stieg
Ein rechter Freudenstrahl,
Wir wurden alle lauter Sieg,
Und lachten ihrer Zahl.

Wir liefen alle, Mann bey Mann,
Ein jeglicher ein Held!
Als wollten wir, Berg ab Berg an,
Durchlaufen alle Welt.

Was meinte da der dumme Feind?
Er meint: es wäre Flucht;
Spricht sich einander, was er meint;
Schwillt auf von Siegessucht;

Zieht einen grossen halben Mond
Um unsre Flucht herum;
Ruft laut: der Hunde nicht geschont!
Wie dumm war er, wie dumm!

Wir liefen auf der Siegesbahn,
Die Friedrich in der Nacht
Geritten war, und nach dem Plan,
Den er allein gemacht.

Es war ein rechter Wettelauf;
Schnell aber hörten wir:
Halt! richtet euch! marschieret auf!
Steht! Plötzlich stunden wir.

Mit einem Blick konnt uns der Feind
Querüber übersehn.
Verspottend sah er uns vereint,
Uns, kleinen Haufen, stehn.

Da dacht ein witziger Franzos:
Unrühmlich sey die Schlacht,
Sein Ludewig sey viel zu groß,
Zu wenig Friedrichs Macht.

Als aber Keith drauf vor uns her,
Der Britte, Feuer! rief,
Und Feuer war; o da war er
Der erste, welcher lief.

Was dacht er doch in seinem Lauf?
Er dacht, erstarrt und stumm,
Der Hölle Rachen thut sich auf,
Lief fort, sah sich nicht um.

Welch einen Sieg, o Friederich!
Gab Gott uns bald und Du!
Acht Haufen stritten nur für dich,
Die andern sahen zu.

Sie stritten, angefeurt von dir,
Und Heinrichs Heldenmuth,
Er blutete, wir sahn es, wir,
Und rächeten sein Blut.

Ha, welcher Donner! welcher Kampf!
Wir speyten Flamm und Tod;
Wir wandelten in Rauch und Dampf,
Schwarz wie der Höllen Gott.

Du, Frankreichs großer Donnerer,
Verstummtest! Rächte sich
An deiner Kunst ein Stärkerer?
War Müller über dich?

Hat seines Donners Schlag auf Schlag
Dir nicht ein Haar verbrannt?
Die drohende Colonne lag
Stracks hingestreckt im Sand.

Mit seinem Häufchen Reuterey
Hieb Seydlitz mörderlich;
Welch ein Gemetzel, welch Geschrey:
Wer kann, der rette sich!

Franzose, nicht an Mann und Pferd,
An Heldenmut gebrichts.
Was hilft dir nun dein langes Schwerd
Und grosser Stiefel? Nichts!

Dich jagt der schwärmende Husar,
Mit einem wilden Blick.
Nur drohend, bracht er eine Schaar
Gefangener zurück.

Reicht ihm der Ritter und der Graf
Die Orden Ludewigs,
Geduldig wie ein frommes Schaaf,
Zum Zeichen seines Siegs:

So fordert er kein Menschenblut,
Schenkt ihm das Leben gern,
Und spricht mit ihm vom Heldenmut
Des Königs, seines Herrn.

Den Bittenden verschonet er,
Den andern haut er scharf;
Vergnügt, wenn er zu seiner Ehr
Kein Blut vergiessen darf.

O, welch ein Schlachtfeld, welche Flucht!
Wo blieb der grosse Mond?
Wo rufen sie voll Siegessucht:
Der Hunde nicht verschont!

Willkommen war die dunkle Nacht
Dem Reuter und dem Roß,
Das langsam anfing seine Schlacht,
Geschwinde sie beschloß;

Und allem Volke, das vom Neid
Hinein gezwungen war,
Aus allen Landen weit und breit,
Am zehnten Januar.

Dem Pfälzer, der vor Schmerz nicht lief,
Starrhaltend seine Hand
Stillstand, und Himmel! Himmel! rief;
Mein Finger ist verbrannt!

Dem Trierer, welcher guten Muth
In langen Beinen fühlt,
Im Laufen stürzt, und Nasenblut
Für Wundenströme hielt.

Dem Franken, der erbärmlich schrie,
Wie eine Katz’ im Fang,
Gebehrden macht, als macht er sie
Auf einer Folterbank.

Und als er hinter sich den Tod
Von Bergen kommen sah,
Andächtig betete zu Gott,
Und sprach: da kommt er ja!

Dem Bruchsaler, dem armen Tropf,
Der Fluch und Segen sprach,
Sich zu verstecken, seinen Kopf
In Weiberhaube stach;

Und seinen grossen Knebelbart
Abschnitt, und einen Pfahl,
Zu springen schnell nach Frosches Art,
Von einem Weinberg stahl.

Dem Schweizer, der auf seiner Flucht,
Hoch lebe Friedrich! rief;
Unaufgeschwellt von Siegessucht,
Gern laufen sah, und lief;

Und sagte: »Bruder! Friedrich ist
Ein rechter Schweizerheld,
Ein Tell, Gott hilft ihm wider List
Und Macht der ganzen Welt!«

Dem Schwaben, der mit einem Sprung
Mit berganstehndem Haar,
Von Roßbach bis nach Amelung
In seiner Heimat war.

Dem Paderborner, welcher Gott
Hoch pries und seinen Sporn,
Und doch von kaltem Schrecken todt
Ankam zu Paderborn.

Dem Nürenberger, dessen Witz
Umrennte, wie sein Tand,
Gerührt vom ersten Waffenblitz,
Starr ward, und stille stand.

Dem Münstermann, der kriechend schlich
In dicker Finsterniß,
Voll Furcht und Hunger, ritterlich
In Pumpernickel biß.

Dem Cöllner, welcher rothes Blut
Verglich mit weissem Wein,
Und sprach: Wie gut wär es, wie gut,
Bey meiner Braut am Rhein!

Dem Würtenberger, der sein Pferd
Aus dem Geschwader riß,
Mehr flog, als ritt, Pistol und Schwert
Zum Teufel von sich schmiß.

Und dem bezahlten Maynzer auch,
Der ohne Huth und Herz,
Saß hinter einem Dornenstrauch,
Beweinend seinen Schmerz.

Flieh, riefen tausend, Bruder, flieh!
Sie kommen! sie sind da!
Auf ihren Bäuchen lagen sie,
Und baten Leben. Ha!

Wir gaben es. Der Menschenfreund,
Der grosse Friederich,
Demüthigt seinen stolzen Feind,
Und dann erbarmt er sich.

Er siegt! - - Fürtreflicher Gesang,
Wir haben noch zu thun,
Halt ein, und werde künftig lang,
Wenn wir von Arbeit ruhn.

Wenn Friedrich, oder Gott durch ihn,
Das grosse Werk vollbracht,
Gebändigt hat das stolze Wien,
Und Deutschland frey gemacht.

Wenn er im Schooß des Friedens ruht,
Mit Lorbeern - vollem Haupt,
Nicht müssig, täglich Wunder thut,
Und keine Wunder glaubt.

Nachtwachend seiner Völker Glück
Und Wohlfahrth überlegt,
Und Gnad und Huld im scharfen Blick
Der grossen Augen trägt;

Zu Potsdam große Weisen lies’t,
Nach Weisheit Thaten mißt,
Und mehr als alle, die er lies’t,
Ein grosser Weiser ist:

Dann sing uns alle Thaten vor,
Die wir mit ihm gethan,
Der Enkel hab ein lauschend Ohr,
Und steh und gaff uns an.

Jetzt folgen wir dem Menschenfreund,
Den Blick gekehrt nach Wien,
Zu schlagen einen andern Feind,
Und lassen diesen ziehn.

(Object from: GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung Original entry)

Material /Technique ...

Druck

Measurements ...

8°, 94 S.

Published ...

... When:1758

Written ...

... Who:

... When:1757-1758

... Where:Halberstadt 

[Relationship to location] ...

Roßbach (Braunsbedra) 

[Relationship to location] ...

Prussia 

Literature ...

  • Lacher, Reimar F. (2017): "Friedrich, unser Held" - Gleim und sein König. Göttingen