"Krieg ist mein Lied"

Brief von Karl Wilhelm Ramler an Gleim, Berlin, 29. Januar 1757

Ramler äußert einen entschiedenen Drang, die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges in dichterische Form zu bringen. Doch es bleibt einige Jahre beim bloßen Vorsatz. In dieser Zeit, etwa ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn, ist Ramler mit einer Übersetzung des "Cours de belles lettres ou principes de la littérature" (Paris 1747-50) des Charles Batteux beschäftigt und kommt darüber nicht zu den Oden auf den König.
Gleim klagt Ramlers Säumigkeit im Brief an Kleist vom 6.1.1757 an: "Auf H. Ramlern bin ich ein Bißchen böse, daß er die elenden Sänger unsres Friederich’s nicht mit einer kleinen Ode zu Schanden macht. Die Stümper singen in voller Herrlichkeit, und man lobt sie, weil doch gesungen sein soll und Niemand ist, der besser singt." (Sauer Bd. 3, S 175).

Berlin den 29ten Jan. 1757.
Liebster Freund,
Ich bin wiederum völlig gesund und frölich; ich habe meinen ersten Gang nach der Clubbe gethan, wie es einem guten Gesellschafter zukömmt, und habe dort meines Gleims baldige Ankunft angekündigt. Denn nun müßen Sie uns doch bald besuchen, und sehen, was unser Herr Krause wieder vor einen niedlichen kleinen Sohn bekommen hat, und sehen, wie Sulzer mahlt, wie Hempel faullentzt; wie unser alte Freund Nauman Bücher recensirt, wie ihr Ramler ausstreicht, was er geschrieben hat, wie gantz Berlin von seines Königes unbeschreiblicher Klugheit, und seiner Feinde gräulicher Thorheit voll ist. In der That könte man jetzt statt der Zeitungen Sottises du Siecle schreiben, und es würde keine Woche vorbeygehen, ohne daß man neue Materie bekäme. Zu einem Könige, mit deßen Feinde ich mich verbinde, zu sagen: stehe mir bey! und stehe mir so gar wider deinen Freund, das ist, wider dich selbst bey! - Zu einer gantzen Generalität, und was noch das tollste ist, zu einer Generalität, die mir treu bleiben will, öffentlich zu sagen: ihr seyd feige! - Einen kleinen Fürsten zu Zwingen, die Execution wider einen mächtigen Monarchen vorzunehmen, oder einen Hasen auf einen Löwen zu hetzen, sind das nicht unerhörte Sottisen? Aber gut. alles arbeitet daran, unsern Friederich wahrhaftig groß zu machen, und das letzte Unternehmen auf dem Reichstage ist vielleicht das gewißeste Mittel dazu. Seht doch, der Ramler spricht ja gar politisch. Ich weiß in der That nicht, wie ich dazu komme etwas dergleichen in einen Brief an Sie zu setzen. Aber ist es Wunder daß ich endlich einmal davon schreibe, wovon ich alle Mittage und Abende spreche? Möchte ich doch von aller Arbeit frey seyn, damit ich wenigstens vier Lobgedichte auf den König machen könte; denn in Eines kan ich nicht alles hineinbringen, was ich auf dem Hertzen habe. Die erste Ode solte heißen: Friedrichs Auszug, die zweyte: An den Generalfeldmarschall von Broun. Die dritte: An den Herrn Major v. Kleist. Die vierte: Friedrichs Zurückkunft. Soviel Stoff habe ich im verfloßenen Jahre. Was der König nun noch in diesem Jahre Thun wird, das giebt vielleicht vier neue Oden ab. Schreiben Sie doch Herr Uzen daß er der österreichischen Parthey beytritt: seine Reue zu bezeugen, muß er heimlich eine Ode auf des Königes Siege machen.
Haben Sie meinen gallsüchtigen Brief verbrannt, mein liebster Gleim? Wonicht, so bringen Sie ihn mir mit, damit ich sehe, wie ich gerast habe. Sie sind doch nunmehr vollkommen hergestellt? Ja Sie sind es, und Ihr Artzt erlaubt Ihnen eine Reise zu Ihren Freunden. So oft ich einen Wagen höre, so oft man an die Thüre klingelt: so pocht mein Hertz und will seinem Gleim entgegenspringen. O kommen Sie doch ja gewiß, damit wir uns recht satt lieben können. Wir wollen von nichts, als unserer Freundschaft, unserm Kleist und unserm Könige sprechen. Ich will nicht einmal vom Batteux reden, und auch nicht einmal von unsern unartig gewesenen Berlinern. Sehen sie welche Überwindung! Ja was noch das wunderbarste seyn wird: Eine Knasterwolcke, soll rund um uns sich wirbeln, und wer vorübergehet, soll sagen: Das sind Götter! Sie müssen wißen, ich bin seit vier Tagen ein solcher Gott geworden, der sich in solche Wolcken hüllt. Welche Verwandlungen seit Einem Jahre! Ja noch mehr, Ceres kocht mir jetzt, so gut wie H. Langen, stärckende Geträncke. Nun ist das Gemälde vollkommen. Ein ehemaliger Dichter sitzt mit einer Zeitung bey einem Glase Fredersdorfer und raucht. Ich lache selbst über mein eigenes Porträt. Sie bringen mir Ihre neuen Gedichte mit: (Es wird doch kein Heldengedicht seyn, was Sie gemacht haben?) oder sind es Briefe über die jetzigen Zeitläufte? Satyren sind es doch nicht? Mein Gleim ist jetzt friedfertiger als Ramler, der jetzt, kraft seines übernommenen Amtes, den Persius, Juvenal und Boileau übersetzen muß. - Gewiße Stücke nach Italienischen Gusto habe ich noch von Ihnen zu fodern. Sie zeigten sie hErrn Leßing vor zwey Jahren. Es sey was es sey, ich werde es gewiß für meines Gleims Arbeit erkennen, so wahr ich bin
Ihr
getreuester Ramler.

Textgestalt nach "Bw. Gleim/Ramler" - "Mein lieber deutscher Horaz". Der Briefwechsel Gleims und Ramlers [Arbeitstitel], hg. v. David Elwood Lee (in Vorbereitung)

(Object from: GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung Original entry)

Material /Technique ...

Handschrift auf Papier

Written ...

... Who:

... When:January 29, 1757

... Where:Berlin 

Received ...

... Who:

... Where:Halberstadt 

Literature ...

  • David Elwood Lee (in Vorbereitung)"Bw. Gleim/Ramler" - "Mein lieber deutscher Horaz". Der Briefwechsel Gleims und Ramlers [Arbeitstitel].
  • Lacher, Reimar F. (2017): "Friedrich, unser Held" - Gleim und sein König. Göttingen