Menschenbilder

Porträt Ewald Christian von Kleist

Das vorliegende kleine Bildnis erhielt Gleim im Mai 1759 von seinem Freund Ewald von Kleist (1715-1759) als Geschenk. Es handelt sich, wie es in Kleists Begleitschreiben heißt, um die wohl im Jahr zuvor entstandene verkleinerte Replik des bereits 1753 in Zürich gemalten Porträts von der Hand Hans Caspar Füsslis (Privatbesitz Zürich). Der darauf folgende Brief Gleims muss eine Bemerkung zur Miene Kleists enthalten haben, denn in dessen Antwort heißt es: "Daß mein Portrait unfreundlich aus den Augen sieht wundert mich nicht. Ich war, eben wie ich gemahlt ward, so voller Boßheit und Chagrin über die groben Zürcher, von denen ich entlaufen mußte [Kleist war preußischer Werbeoffizier in der Schweiz], daß ich bald für zorn zitterte, und bald das Leben verwünschte. Ich soll nicht aufgeräumt sondern finster gemahlt werden."
Dass die augenblickliche Befindlichkeit über die Miene in das Bildnis einfloss hatte Kleist bereits in seinem wohl 1751 entstandenen Porträt (Kat.-Nr. #) erfahren: "Wie mich Hempel malte, hatte ich […] die ganze Nacht nicht geschlafen und war am Morgen ängstlich und wild, und so sah ich auch in seinem Gemälde aus." Bemerkenswert ist im Falle des Füsslischen Porträts, dass sich Kleist offenbar willentlich entschied, "nicht aufgeräumt sondern finster gemahlt" zu werden und mithin eine prekäre Seelenlage Bild werden zu lassen, die als solche nach traditioneller Kunstauffassung nicht bildwürdig war.
Das Original bezeichnete Kleist als "sehr ähnlich", die verkleinerte Replik sei allerdings "zu sehr verschönert". Bei ihrem schlechten Erhaltungszustand ist die verkleinerte Replik, was Feinheiten der Malerei und der Physiognomie angeht, nicht mehr mit dem Urbild zu vergleichen. Letzteres ist tadellos erhalten und fasziniert gerade durch den Reiz der Malerei, durch die Brillanz in der Wiedergabe der Stofflichkeit des Kostüms und des Inkarnats. Soviel immerhin ist in beiden Exemplaren zu erkennen, dass der Maler den von Kleist gewünschten finsteren Ausdruck zu einer herausfordernden Miene läuterte - weit geöffnete Augen, fest geschlossener Mund und etwas gehobene Nasenflügel. Die leicht theatralische Lichtführung wie auch die jähe Wendung des Kopfes gegen die Schultern unterstützen diesen Ausdruck.
Hirzel, der Eigentümer der ursprünglichen Fassung, stellte diese in den 1770er Jahren als Vorlage zu einer Tafel für Lavaters Physiognomische Fragmente zur Verfügung. Auch steuerte er eine Charakterisierung Kleists und kam dabei auf das Porträt zu sprechen. Ganz im Sinne der Physiognomik Lavaterscher Prägung berücksichtigte er dabei nicht die Befindlichkeit während der Porträtsitzung in ihrem Einfluss auf die Miene; vielmehr glaubte er Kleists Tugenden "Tiefsinn, Festigkeit der Seele, hohen Muth und Menschenfreundlichkeit" in dem Bildnis zu sehen.

Das vorliegende Gemälde oder die vorausgehende lebensgroße Fassung wurde 1803 von Meno Haas gestochen (Gleimhaus, Sign. Ca 828).

(Object from: GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung Original entry)

Material /Technique ...

ÖL/Holz

Measurements ...

10,5 x 8 cm

Template creation ...

... Who:

... When:1752

Was depicted (Actor) ...

... Who:

Painted ...

... Who:

... When:1757

Literature ...

  • Becker, Carl (1963): Die Bildnisse im Gleimhaus. Halberstadt
  • Lacher, Reimar F. (Hg.) (2010): Von Mensch zu Mensch. Porträtkunst und Porträtkultur der Aufklärung. Halle
  • Scholke, Horst (2000): Der Freundschaftstempel im Gleimhaus zu Halberstadt. Porträts des 18. Jahrhunderts. Bestandskatalog. Bearb. v. Horst Scholke mit einem Essay von Wolfgang Adam. Leipzig