Maler der Seele und des Geistes

Porträt Johann Georg Sulzer

Sulzer, Johann Georg (1720-1779), aus Winterthur gebürtig, Direktor der Ritterakademie Berlin. Sein Hauptwerk „Allgemeine Theorie der schönen Künste“ (Leipzig 1771-1774) war die einflussreichste Ästhetik der Aufklärung in Deutschland. Seit den späten 1740er Jahren mit Gleim befreundet. Seit 1771 Graffs Schwiegervater. Die Verbindung der beiden in Berlin beziehungsweise in Dresden wirkenden Winterthurer Johann Georg Sulzer und Anton Graff, Schwiegervater und Schwiegersohn, kann nicht anders denn als kongenial bezeichnet werden. Wie Graff der bedeutendste Porträtist seiner Zeit in Deutschland war, so kann Sulzer mit seiner „Allgemeinen Theorie der schönen Künste“ als der einflussreichste Ästhetiker der deutschen Aufklärung gelten. Das Porträt definierte er hier als Darstellung der menschlichen Seele und sprach ihm infolgedessen einen hohen Rang innerhalb der Hierarchie der Bildgattungen zu. Nur einen einzigen zeitgenössischen Porträtisten erwähnte Sulzer in seiner recht ausführlichen Erörterung unter dem Stichwort ‚Porträt‘: Anton Graff. Er gilt ihm als Muster eines Porträtmalers, und es scheint fast, als habe Sulzer seinen Standpunkt und vor allem die formalen Vorgaben für die Bildnismalerei, mit denen er seinen Artikel beschließt, der künstlerischen Praxis Graffs zu verdanken. Doch auch der empfindsame Porträtkult Gleims dürfte auf Sulzers Auffassungen eingewirkt haben. Seit den 1740er Jahren war er eng mit Gleim befreundet und erlebte den Aufbau von dessen Porträtgalerie, in der er auch selbst schon früh vertreten war, aus nächster Nähe. Graff hat seinen Schwiegervater seit 1771 mehrfach gemalt. Von dem vorliegenden Brustbild (Berckenhagen Nr. 1344) befand sich 1967 eine Replik in Winterthurer Privatbesitz. Außerdem sind mehrere Zeichnungen aus Stammbüchern nachgewiesen (Berckenhagen Nr. 1349 ff.). Der Typus ist das intimste von Graffs Porträts Sulzers und vielleicht seines umfangreichen Werkes überhaupt. Sulzer erscheint im knappen Brustbild, den Kopf fast im Profil, ohne Perücke mit kurz geschnittenem Haar. Das Kolorit ist auf ein warmes Braun beschränkt, der Oberkörper dem Gesicht in den Helligkeitswerten strikt untergeordnet. Durch die Dicke des Farbauftrags hat das Gesicht beinahe materielle Präsenz gewonnen. Phänomenal an den Arbeiten Graffs ist die geistige Ausstrahlung seiner Porträtgestalten. Sulzer kommt uns mit seinem aktivischen Blick und der gebannten Miene hellwach und blitzgescheit vor. Als Erinnerungsmal an den einige Jahre zuvor verstorbenen Vater, Schwieger- und Großvater erscheint das Bildnis Sulzers (in diesem Fall allerdings im ovalen Format) 1785/86 auf dem großen Familienbildnis Graffs (Stiftung Oskar Reinhart, Winterthur). Die besondere Bedeutung gerade dieses Porträts Sulzers gibt auch die Tatsache zu erkennen, dass Graff es in einer seiner wenigen eigenhändigen Radierungen behandelt hat. Gleim hat das Bildnis 1782, offenbar als erstes Original Graffs überhaupt, von dem Maler erhalten, möglicherweise aus dem Nachlass Sulzers. Der Halberstädter Sammler nannte das Bild „vortreflich“ und rühmte die Meisterschaft Graffs: „Wär ich der Landgraf so ließ ich diesen Mahler reisen in Deutschland, zu allen den Köpfen; zu den vielen – oder den wenigen [...] und dann müßte er sie malen für meinen kleinen Musentempel! (Gleim an Johannes von Müller, 6.1.1782, zit. nach Freundschaftstempel 2004, S. 180).

(Object from: GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung Original entry)

Material /Technique ...

Öl auf Leinwand

Measurements ...

55 x 44,5 cm (mit Rahmen 58,6 x 48,3 cm)

Was depicted (Actor) ...

... Who:

Painted ...

... Who:

... When:1774

... Where:Berlin 

Literature ...

  • Becker, Carl (1911): Der Freundschaftstempel im Gleimhause zu Halberstadt. Halberstadt
  • Becker, Carl (1963): Die Bildnisse im Gleimhaus. Halberstadt
  • Jaenicke, Eduard (1865): Inventarium der zum Canonicus-Gleim’schen Nachlasse gehörigen Bücher, Handschriften, Gemälde und Kupferstiche (handschriftlich). Halberstadt
  • Körte, Wilhelm (1811): Johann Wilhelm Ludwig Gleims Leben. Aus seinen Briefen und Schriften. Halberstadt
  • Körte, Wilhelm ([1810/20]): Inventarium der zum Canonicus-Gleimschen-Nachlaße gehörigen Bücher und Handschriften, Kupferstiche und Gemälde. Angefertigt durch Dr. Wilhelm Körte, damit darnach ein wißenschaftlich geordnetes Verzeichniß demnächst angefertigt werden könne. [Halberstadt]
  • Lacher, Reimar F. (Hg.) (2010): Von Mensch zu Mensch. Porträtkunst und Porträtkultur der Aufklärung. Halle
  • Nachlassinventar (1803): Inventarium des Nachlasses des am 18ten Februar 1803 zu Halberstadt verstorbenen Canonicus und Dom-Secretair Johann Wilhelm Ludwig Gleim, .... Halberstadt
  • Niemann, Ludwig Ferdinand (1824): Die Stadt Halberstadt und die Umgebung derselben. Halberstadt
  • Scholke, Horst (2000): Der Freundschaftstempel im Gleimhaus zu Halberstadt. Porträts des 18. Jahrhunderts. Bestandskatalog. Bearb. v. Horst Scholke mit einem Essay von Wolfgang Adam. Leipzig