Fürst Pückler richtet sich ein. Die ‘Wohnzeitschrift’ Le Garde-meuble und die Branitzer Interieurs

Einleitung

Portrait des Fürsten Pückler im Lucie-Zimmer. (SFPM, Foto: Andreas Franke)

Fürst Hermann von Pückler-Muskau (1785–1871) gehört zu jenen bekannten Persönlichkeiten, deren Leben durch zwei ereignisreiche Jahrhunderte geprägt wurde. Geboren und erzogen im ausgehenden 18. Jahrhundert wird Pückler durch seine vielseitigen Interessen zum Vorreiter in Stilfragen des 19. Jahrhunderts. Obwohl sein Name heute vor allem mit einer Speiseeisspezialität verknüpft wird, repräsentiert seine Leidenschaft für Kulinarik nur einen kleinen Teil seines Lebens und Wirkens. 

Die vielseitigen Interessen des „grünen“ Fürsten Pückler wurden in den letzten Jahren zunehmend herausgestellt. Gerade sein Beitrag zu Theorie und Praxis des Landschaftsgartens in Deutschland – etwa durch die von ihm geschaffenen Parks in seinen Residenzen Muskau und Branitz – findet dabei immer wieder Beachtung. 

Weiterhin hegte Pückler eine Vorliebe für Interieurs und Möbel. Dabei nahm er eine wichtige Rolle in der Verbreitung des zeitgenössischen Stilpluralismus ein. Seine Ideen sind vor allem in der Neuausstattung seines Alterssitzes, Schloss Branitz bei Cottbus, überliefert.

Lucie-Zimmer

Nach seiner Hochzeit 1817 hatten Pückler und seine Frau Lucie zunächst Schloss Muskau bezogen, das Erbe seiner Familie mütterlicherseits. Bereits Anfang 1820 hatte das Paar jedoch mit finanziellen Engpässen zu kämpfen. Grund dafür waren unter anderem die Kosten für die Umgestaltung des Muskauer Parks, in welchen auch das Vermögen, welches die Fürstin mit in die Ehe mitgebracht hatte, eingegangen war. Am 20. März 1845 wurde Muskau schlielich verkauft. Pückler und Lucie wagten einen Neuanfang im nicht weit entfernten Branitz, dem väterlichen Besitz Pücklers. 

Namensschild der Fürstin Lucie für ihren Reisekoffer. (GFPiB, Foto: Andreas Schubert)

Pückler, der bei der Muskauer Planung eng mit dem preußischen Hofarchitekten Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) zusammengearbeitet hatte, beschäftigte bei seinen Bauarbeiten in Branitz zahlreiche Architekten der Schinkel-Schule. Dazu zählten unter anderem Eduard Knoblauch (1801–1865), Johann Heinrich Strack (1805–1880), Martin Gottgetreu (1813–1886), Eduard Titz (1819–1890) sowie Ferdinand von Arnim (1814–1865).

Die Umgestaltung des Zimmers der Fürstin erfolgte in der ersten Phase des Umbaus des Branitzer Schlosses. Die Einrichtung wurde teilweise mit Möbelstücken aus Muskau ergänzt. Dadurch gleicht der Raum stilistisch einem Zimmer der 1820er oder 1830er Jahre. Deutlich wird dies vor allem an den Biedermeier-Sitzmöbeln. Einen wichtigen Platz nimmt dabei der Schreibtisch von Karl Friedrich Schinkel ein, der bereits Teil des Muskauer Interieurs war.

Schreibtisch von Karl Friedrich Schinkel im Zimmer der Fürstin, Schloss Branitz. (EFPiB-959, Foto: Carola Weber)

Im Schloss Sanssouci in Potsdam befindet sich ein ähnlicher Schreibtisch Schinkels im Schreibkabinett der Kronprinzessin. Beide Tische zeigen sich in subtiler Eleganz. Das Relief, das sich an den Tischseiten befindet, sowie die Ausgestaltung der Tischbeine sind typisch für Karl Friedrich Schinkels Interieurs.

Schreibtisch von Karl Friedrich Schinkel, Schloss Sanssouci, Potsdam. (Sanssouci. Schlösser, Gärten, Kunstwerke, 1980, S. 107)

Erst im Juni 1852 war das Zimmer der Fürstin fertig eingerichtet, „denn Ende September komme ich nach Branitz um Alles möglichst nach Deinen Wünschen anzuordnen und respektive auszuführen, […] Schnucke ich bin mit Dir wie ein Schmetterling der an ein Schiffstau gebunden ist.“  Pückler an Lucie von Pückler-Muskau, Genua, 18.8.1846, Pückler-Archiv, Reproduktionen aus der Sammlung Varnhagen (künftig: Slg. Varnhagen), Konvolut V 167.

Pückler und Lucie küssen sich, Zeichnung von Pückler in Brief an Lucie. (SFPM, SV, V164)

Die Einrichtung und den besonderen Blick in den Garten konnte Lucie jedoch nicht lange genießen. Sie starb bereits zwei Jahre später an einem Schlaganfall. Nach ihrem Tod nutzte Pückler das finanzielle Erbe der Fürstin, um die weiteren Räume des Schlosses umzugestalten. Für diese Planungsphase boten ihm die kolorierten und detailreichen Lithografien aus der Zeitschrift Le Garde-meuble Ancien et Moderne Vorlagen und Inspiration.

Das Le Garde-meuble-Magazin

Le Garde-meuble Ancien et Moderne, herausgegeben von dem Pariser Künstler und Verleger Désiré Guilmard (1810–1885), war eine der ersten „Wohnzeitschriften“, die von 1839 bis ungefähr 1935 zweimal im Monat in Paris erschien. Sie ist ein Zeitzeugnis der Entwicklungen der französischen Möbel-, Farb- und Mustermode. Der Titel ging dabei auf das gleichnamige Möbeldepot des französischen Königs Ludwig XIV. (1638–1715) zurück, dessen Aufgabe die Pflege und Instandhaltung der Möblierung der königlichen Residenzen war. “Ancien et Moderne” [übers. alt und modern] machte deutlich, dass im Magazin die beliebten historistischen Inneneinrichtungen des französischen Hofes, aber auch moderne Wohnstile gezeigt wurden.

Durch seine detailverliebten und handkolorierten Illustrationen, die eine ideale Vorlage für Polsterer- und Dekorationswerkstätten oder für Bühnenbilder liefern sollten, erlangte das Magazin seinerzeit weltweit schnell große Beliebtheit. Le Garde-meuble übte so fast ein Jahrhundert lang einen beträchtlichen Einfluss auf die Idealwohnkultur des Adels und gehobenen Bürgertums aus und verbreitete den französischen Zeitgeschmack des 19. Jahrhunderts.

Die Zeitschrift konnte im Jahresabonnement erworben werden. Eine einzelne Ausgabe (livraison) bestand aus etwa neun losen Blättern aus drei Kategorien: jeweils drei sièges (Sitzmöbel), drei meubles (z. B. Schränke, Truhen, Tische) und drei tentures (Fenster- und Bettbehängungen). 

Manchmal fanden sich auch Grundrisse und Entwürfe für Einrichtungsvorschläge ganzer Räume, welche die geeignete Anordnung von Möbeln im Raum mit passenden Tapeten, Stoffen und Deckenmustern empfahlen.

Die Blätter waren in schwarz-weiß oder koloriert erhältlich, auch konnten nur einzelne Kategorien erworben werden. So tat es vermutlich auch Fürst Pückler, dessen Garde-meuble-Sammlung keine Blätter aus der Collection de Meubles beinhaltet.

Désiré Guilmard

Désiré Guilmard war ein französischer Verleger, Möbelentwerfer und Ornamentzeichner, der 1839 Le Garde-meuble gründete. Über seine Biografie ist heutzutage nicht mehr viel bekannt. Der ursprünglich auf dem Gebiet der Kartografie ausgebildete Guilmard fertigte für Le Garde-meuble über 40 Jahre hinweg jährlich ca. 500 minutiöse Zeichnungen an, die er von Lithografen vervielfältigen ließ. Seine rege Tätigkeit als Publizist dokumentieren zahlreiche Mappen, Alben und Musterbücher sowie seine Zusammenstellung und Herausgabe von Publikationen mit Möbel- und Dekorationsentwürfen. Er interessierte sich außerdem für die Geschichte des Ornaments – ein Thema, zu dem er zwei Werke veröffentlichte. In einem der beiden, Les maîtres ornemanistes (1880/81), verzeichnet er die Meister der Ornamentik vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum 18. Jahrhundert. Es wurde zu einem Referenzhandbuch. Obwohl Guilmard nur wenige Schriften verfasste, sind seine Forschungen über Ornamente sowie seine Kenntnisse von Motiven und Stilen der französischen Möbel beachtlich. Durch Tausende von Zeichnungen trug er zu einer außerordentlichen Verbreitung des französischen Möbelstils und Einrichtungsgeschmackes bei. 


Die Abbildung zeigt eine Seite aus dem von Guilmard herausgegebenen Übersichtswerk Les maîtres ornemanistes. Ein prägender Stil des 18. Jahrhunderts, der sogenannte „Louis XV-Stil“ – auch „Régénce“ genannt –, bestimmt hier die Darstellung einer Tapisserie nach dem Entwurf von Gille-Marie Oppenort. (Désiré Guilmard: Les maîtres ornemanistes: dessinateurs, peintres, architectes, sculpteurs et graveurs: écoles française, italienne, allemande et des Pays-Bas (flamande et hollandaise), Bd. 2, Paris 1881, Tafel 46, o. S.)

 

Aufbau Garde-meuble-Blatt



Eine genaue Betrachtung dieses Blattes bezeugt also nicht nur, welche Akteure an der Herstellung und dem Vertrieb beteiligt waren, sondern zeigt auch, wie hilfreich die Informationen zu Stil und Material für Handwerker gewesen sein müssen – ein Qualitätsmerkmal des Periodikums. Die Qualität schlägt sich auch in der ungemeinen Kunstfertigkeit und dem Detailreichtum der Zeichnung von Guilmard nieder: minutiös und mit klaren Linien sind selbst die kleinteiligsten Elemente ausgearbeitet, darunter Schnitzereien und Intarsien des Holzes sowie feingliedriges ornamentales Dekor. Dass der floral gemusterte Stoff den Eindruck einer samtigen Schwere im Gegensatz zum nahezu durchscheinenden Voile-Untervorhang hervorruft, zeugt von Guilmards zeichnerischer Meisterschaft. In diesem Sinne verleihen die vielzähligen, in nuancierter Weise festgehaltenen Details den Blättern einen Status als Kunstwerke.

Die Garde-meuble-Blätter in Branitz

 




Geleitet von seiner Leidenschaft für extravagantes Mobiliar und Dekor, und insbesondere für die Trends der französischen Möbelindustrie, bezog auch Fürst Pückler die Garde-meuble-Blätter. Aus der ehemals wohl wesentlich größeren Sammlung finden sich heute noch 133 solcher Blätter im Besitz des Fürst-Pückler-Museums, welche sich in unterschiedliche “collections” (Sammlungen) unterteilen lassen. Die in deutschen Sammlungen ausgesprochen selten erhaltenen Garde-meuble-Blätter sind dabei sowohl in Bezug auf Fürst Pücklers Beziehung zur französischen Möbelkunst als auch im Kontext der Ausstattung des Branitzer Schlosses äußerst spannend.    

In Pücklers Sammlung finden sich zudem auch Exemplare von anonymen Kopien nach Le Garde-meuble. Ancien et Moderne, deren Herkunft nicht eindeutig geklärt ist. Es handelt sich um Motive, die im Original etwa im Bestand der Cooper Hewitt Library (New York) zu finden sind und im direkten Vergleich minimale Abweichungen aufweisen. Sie sind spärlich mit der Aufschrift „Taf.“ und einer Nummerierung versehen. Eine Möglichkeit wäre die Zuordnung der gekonnten Kopien nach Mainz. Wilhelm Kimbel (1786-1869), Schreinermeister und Zeichenlehrer, veröffentlichte zwischen 1835 und 1853 das “Journal für Möbelschreiner und Tapezierer” und orientierte sich dabei stark an französischen und englischen Vorlagen. Auch unmittelbare Kopien sind nachgewiesen, wobei verschiedene Publikationen das Motiv eines Damenschreibtischs aus Le Garde-meuble. Ancien et Moderne von 1841 übernahmen und es letztlich 1843 bei Wilhelm Kimbel erschien. Das Urheberrecht als Konzept existierte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht. Vielmehr sah man Vorlagenpuplikationen in der Pflicht, dem Betrachtenden die Vielfalt der Innovationen und Modeerscheinungen umfangreich vorzuführen und zugänglich zu machen.

Anonyme Kopie aus dem Nachlass Pücklers (Detail links) und Le Garde-meuble. Ancien et moderne, 53. Livraison, Nr. 149. (Foto: Courtesy of the Smithsonian Collection) (Detail rechts)

Anonyme Kopie aus dem Nachlass Pücklers (Detail links) und Le Garde-meuble. Ancien et moderne, 53. Livraison, Nr. 149. (Foto: Courtesy of the Smithsonian Collection) (Detail rechts)

 

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Stilpluralismus in Branitz

Die Inneneinrichtung von Schloss Branitz ist ein lebendiges und für Deutschland frühes Beispiel für den Stilpluralismus des 19. Jahrhunderts. Gleichzeitig zeigt sie Fürst Pücklers Charakter und einzigartigen Geschmack: Pückler war ein echter Dandy, mit einer Vorliebe für gemütlichen Schick und als Tutti-Frutti-Autor und Ananaszüchter bereits europaweit für seinen extravaganten Stil bekannt. Bei den Raumgestaltungen der 1850er und 1860er Jahre mixte der weltgewandte Fürst verschiedenste Stile, Stoffe, Muster, Farben und Formen und ließ sich von den Eindrücken seiner Reisen um den Globus inspirieren. Pückler schrieb sich mit den Branitzer Interieurs in die neuesten Entwicklungen an den europäischen Höfen ein. Modelle fand er sowohl in den Interieur-Projekten des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) als auch direkt in Paris, wo er 1854 Kaiser Napoléon III. (1808–1873) in Gartenfragen beriet.

Noch heute kann man in Branitz die original nachempfundenen Räume so besichtigen, wie sie Pückler vor rund 200 Jahren gestaltete: Drei prunkvolle sogenannte Orienträume, eine britisch anmutende Bibliothek, ein Musikzimmer im Zopfstil von 1772 und ein Speisezimmer im Stil der nordischen Renaissance in strahlendem Gelb. Die farbigen Salonräume folgen nach Art einer "Enfilade" im Stile des französischen Rokoko aufeinander: So ist es möglich, durch die in einer Linie angeordneten geöffneten Türen das Zusammenspiel von gemusterten Papiertapeten, Seidendamastbezügen, Fenster- und Türbehängen, Teppichen und edel verzierten Leuchtern zu bestaunen. 

Restauriertes Bett im Boudoir. Das Schlafkabinett mit Mobiliar wurde von Fürst Pückler 1857 eigens für einen Besuch der Königin Augusta von Preußen ausgestattet. Als diese dann am 25. Juli 1864 Branitz besuchte, verweilte sie nur kurz und das Bett blieb ungenutzt. (Foto: SFPM/Gabriela Weidner)

Diese Seite aus dem Le Garde-meuble-Magazin zeigt das Design für ein Himmelbett mit goldener Bekrönung, dicken Nackenrollen und üppigen Stofflagen, die in ihrem Muster französischer Mode nachempfunden sind. In ähnlicher Weise stattete Fürst Pückler sein Gästezimmer für hoheitlichen Besuch in Schloss Branitz aus – allerdings ohne Spiegel im Bettinneren, dafür mit üppigem Blümchen-Mix und somit ganz nach seinem Geschmack.

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Der dargestellte Alkoven nimmt eine gesamte Wand des angedeuteten Zimmers ein und wird als „Alcove avec cabinets“ betitelt. Ins Deutsche kann es als „Alkoven mit kleinen Nebenräumen“...

Amateurkabinett

 

Die Ansicht eines Arbeitszimmers im Stil der nordischen Renaissance zeigt die vielen Möglichkeiten, mit denen sich der begeisterte Liebhaber [„Amateur“] die freie Zeit vertreibt. Inmitten des üppigen Mobiliars aus Ebenholz und den Utensilien für die kultivierten Hobbies stechen diverse Waffen hervor, die in zwei Gruppen an der Wand arrangiert sind.

Zur Schau gestellt werden die Waffen und Rüstungsteile nach Vorbild adeliger Waffenkammern. Kaiser und Zaren unterhielten diese zunächst im 15. Jahrhundert, um Turnier- und Prunkwaffen aufzubewahren. Im 16. Jahrhundert begann das gezielte Sammeln von Waffen als Kunstgegenstände. Mit der musealen Staffierung wollte man folglich an die Traditionen des Adels anknüpfen, um sich als Teil einer edlen Gesellschaftsschicht zu inszenieren. Auch Fürst Pückler benutzte auf Schloss Branitz diesen Kunstgriff: Beim Betreten der Eingangshalle bot sich Besuchern unmittelbar der Blick in den mit Waffen bestückten Gang, an dessen Rekonstruktion die SFPM derzeit arbeitet. Wie die Kabinettansicht orientiert sich dieses Durchgangszimmer mit seiner „deutschen“ Holzvertäfelung (dem sog. Lambris) stilistisch ebenfalls an der nördlichen Renaissance.

Eingangshalle von Schloss Branitz mit Blick in den Waffengang (rechts). Foto: Spitzer 1910, SFPM.

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Das Blatt aus der Sammlung der Wandbehänge zeigt beispielsweise, wie das Arbeitszimmer eines „Amateurs“ gestaltet werden kann. Demonstriert werde purpurne Fenster- und Türgardinen, die in...

Kleines Stillexikon und Stilpluralismus anhand der Garde-meuble-Blätter



„Meine Haupteigenschaft ist der Geschmack –
der in allem das möglichst Vollkommenste zu erreichen sucht,
und es zu finden versteht.“

Fürst Hermann von Pückler-Muskau
Biographie von Ludmilla Assing, 1874, S. 252


Der Stilpluralismus, wie wir ihn in den Branitzer Innenräumen sehen, ist charakteristisch für Architektur und Interieurs des 19. Jahrhunderts. Bereits im späten 18. Jahrhundert hatte die Wiederbelebung historischer Stile eingesetzt, welche ab den 1830er Jahren immer üblicher wurde: Nacheinander traten Neogotik, Neorenaissance, Neobarock und schließlich Neorokoko auf, jeweils in verschiedenen Ausprägungen wie “nordische Renaissance” oder “Style Louis XIV”. Die Verbreitung und Präsentation dieser verschiedenen, auch gleichzeitig existierenden Stilarten erfolgte verstärkt durch Vorlagenbücher und Periodika wie Le Garde-meuble

Es wurde zunehmend üblich, verschiedene Räume des gleichen Gebäudes in unterschiedlichen Stilen einzurichten. In neuen französischen Wohnungen sollte sogar jedes Zimmer im Stil einer anderen Epoche gestaltet sein: Die Salle à manger (Speisesaal) sah aus wie zu Renaissancezeiten, ausgestattet mit schweren Buffets, Etagère und Pflanzenständern aus dunklem Massivholz. Im Salon (Wohnzimmer) wollte man auf Sofas und Stühlen so speisen wie, z. B. der Sonnenkönig Ludwig XIV. und sich im Boudoir (Ankleidezimmer) zwischen Blumen und blumigen Himmelbetten wie Madame de Pompadour oder Marie Antoinette fühlen.

 

Ein Entwurf für ein blaues „Lit de Pompadour“, benannt nach der Mätresse von Ludwig XV., die bekannt für ihre fulminanten Blumenkleider war. Die Garde-meuble-Ausgaben aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zeigen oftmals Darstellungen üppig gepolsterter Möbel, die mit Posamenten (Zöpfen, Bändern und Quasten) verziert waren. Diese wurden unterschiedlich auch als “Louis XIII”, “Louis XIV”, “Henri II”oder “Renaissance” bezeichnet.
Dieses Garde-meuble-Blatt zeigt den Entwurf für eine Sitzbank mit geschwungenen Cabriole-Füßen und verspielten Rokoko-Schnitzereien. Vielleicht besaß Ludwig XV. ein ähnliches Sitzmöbel.
“Décor de Lit Genre Louis XIV” (Ein Bettentwurf in der Art Ludwigs XIV.): Ein solches Garde-meuble-Design für ein massives Holzmöbel mit schwerer Polsterung, einfarbigen Samtvorhängen mit stilisierten Blumenmotiven ist der Zeit Ludwigs XIV. nachempfunden. Dieser Stil war in den Anfangszeiten des Magazins sehr beliebt.

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Dieses Garde-meuble-Blatt zeigt den prunkvollen Entwurf für ein Einpersonenbett nach der Gattung Louis XIV mit der Anmerkung 'gold und weiß'. Der Stil des Bettes ähnelt einem 'Lit à la...

Englisches Sofa

 


Auch Pückler scheute sich nicht, diverse Stile miteinander zu kombinieren. Dieser Eklektizismus folgt jedoch keiner unmotivierten Zurschaustellung möglichst vieler Geschmäcker. Der Fürst hatte sehr genaue Vorstellungen und überließ bei der Inneneinrichtung nichts dem Zufall. Auf seinen weiten Reisen sammelte er viele Eindrücke, die er als Schriftsteller einer nicht-adeligen Bevölkerung zugänglich machte. Durch ausgedehnte Aufenthalte im Vereinten Königreich machte er sich vertraut mit der Lebensart des englischen Landadels (etwa auf Schloss Warwick), welche weitere Anregungen für die zeitgenössischen Möbel und Inneneinrichtungen lieferte.

Für Fürsten, die sich wie Pückler dem Lebensgefühl der Lords und Ladys hingeben wollten, kamen daher Möbel im “Genre Anglais” wie dieses in Frage. Die Bezeichnung “englischer Art” rührt neben dem Blümchenmuster auch von der “Kapitonierung”. In dieser sogenannten englischen Heftung wird das Polster rautenförmig mit Knöpfen fixiert. Die Sitz- und Rückenflächen werden dadurch bequemer und langlebiger – ein wichtiger Faktor bei teuren Bezügen wie Leder. Die englische Kapitonierung sowie die nach außen geschwungenen Arm- und Rückenlehnen finden sich im Möbeldesign noch heute, etwa im ikonischen Chesterfield-Sofa.

Chesterfield Sofas im University Arms Hotel, Cambridge. (Foto: Ardfern via Wikimedia Commons)

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Der komfortable Eindruck der beiden Sitzmöbel entsteht durch die rautenförmig mit Knöpfen fixierte Polsterung. Diese Kapitonierung, sowie die nach außengeschwungenen Rück- und Seitenlehnen...

Zeitalter des Komforts

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lag der Fokus adliger Raumausstattungen zunehmend auf dem Komfort, was ebenso den Bedürfnissen einer aufstrebenden bürgerlichen Gesellschaft entsprach. Behaglichkeit wurde durch farblich abgestimmte Möbelensembles und die reichliche Verwendung verschiedener Textilien erreicht. Ein farbenfroher Teppichboden, seidene Wandbespannung, aufwendig gepolsterte Möbel und drapierte Vorhänge sorgten für eine gemütliche Atmosphäre im Innenraum, die zugleich bequem als auch praktisch an die alltäglichen Gewohnheiten angepasst war.


Mit dem Wunsch nach Gemütlichkeit wurden Blumen ab den 1860er Jahren zu einem charakteristischen Dekorationselement der Interieurs. Nicht nur florale Designs in verschiedener Ausführung, sondern ebenso frische, natürliche Pflanzen dienten als Raumschmuck der Wohnlichkeit. Die durch Fenstervorhänge abgeschottete Natur wurde somit in die Innenräume transferiert. Neben Pflanzen wurden gleichermaßen Vogelkäfige in den Interieurs platziert, um die natürliche Umwelt von außen in die Zimmer zu integrieren. Blumenarrangements an den Fenstern dienten als Sichtschutz und schufen neben einem angenehmen Ambiente zusätzlich Privatsphäre und Raum für Intimität. 

 


 

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Die Lithografie zeigt einen ländlichen Salon mit polygonalem Grundriss, dessen textiles Dekor den Gesamteindruck bestimmt: Alle Wände sowie die Decke sind mit einem grünen, floral...

Industrialisierung und Luxus

Die “eigenen vier Wände” wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wichtiger und dienten breiteren Gesellschaftsschichten als Ort der Selbstrepräsentation. Grund dafür waren bedeutende politische und soziale Veränderungen, welche unter anderem Einfluss auf die Wohnkultur hatten. Mit der voranschreitenden Industrialisierung und wachsenden Urbanisierung entstanden neue Standards für das Wohnen. Die Inneneinrichtung spiegelte den steigenden Wohlstand der Bevölkerung wider und zeigte den sozialen und materiellen Status der Bewohnerinnen und Bewohner auf. 

Die Einführung der Gewerbefreiheit, die Lockerung des Zunftzwangs und der technologische Fortschritt ermöglichten eine schnelle und qualitativ hochwertige Herstellung von "Konfektionsmöbeln". Neben dem Streben nach Komfort zeichnete sich das Wohnen im gehobenen Bürgertum durch den Einsatz von Luxusgegenständen aus. In der Frühen Neuzeit hatte die “Pracht” in höfischen Räumen als fürstliche Tugend gegolten - durch technologischen Fortschritt und erhöhte Produktion erhielten nun auch breitere Bevölkerungsschichten Zugang zu edlen Materialien und hochwertigen Möbeln, die zuvor nur wenigen Menschen vorbehalten waren. Neue Drucktechniken mit chemischen Farbstoffen ermöglichten es, unterschiedliche Textilien, wie Seide, Damast und sogar Tapeten zu verzieren. Schlafmöbel und Vorhänge wurden großzügig mit maschinell hergestellten Spitzen, Bordüren, Troddeln, Schleifchen oder bunten Knöpfen versehen.

So war die Raumgestaltung nun gekennzeichnet von Opulenz und Prunkelementen. Zu einem charakteristischen Merkmal wurden die zahlreichen Polstermöbel, die als Maßstab für den angestrebten Luxus dienten. Auch im Branitzer Schloss Fürst Pücklers zeugt die üppige Verwendung von Stoffen, gepolsterten Sitzmöbeln und Luxusobjekten von den Wohnansprüchen des mittleren 19. Jahrhunderts.
Karl August Varnhagen von Ense beschrieb seinen Besuch in Branitz am 21. Juli 1858 in seinem Tagebuch mit den Worten: "Pracht und Geschmack im höchsten Verein!"

 

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Das vorliegende Blatt stammt aus der „Collection de Tentures“ und zeigt einen weißen Fenstervorhang für ein kleines Wohnzimmer mit einer dunkelroten Bordüre. Die zusätzliche Beschriftung...

Napoléon III. und Eugénie als «Trendsetter»

Ein bestimmendes Vorbild für prachtvolle und repräsentative Interieurs in Europa um 1850, und sodann maßgeblich für Fürst Pückler und sein Branitzer Schloss, waren Paris und der persönliche Einrichtungsgeschmack des französischen Kaiserpaars. Napoléon III. herrschte von 1852 bis 1870 über ein von der Revolution gezeichnetes Frankreich, in dem die Monarchie keine selbstverständliche Staatsform mehr war. So versuchte der Kaiser, die Legitimität der Staatsform zu beweisen, indem er sich unter anderem als rechtmäßigen Thronfolger in Kontinuität zu den vorhergegangenen Monarchen inszenierte. Diesen Anspruch wollten er und seine Gattin, Kaiserin Eugénie de Montijo, auch mittels des kulturellen Erbes, insbesondere auch der königlichen Möbel, zu vermitteln.

Im Rahmen der Ausstattung der kaiserlichen Residenzen entschied sich das Kaiserpaar daher für eine Einrichtung nach historischen Vorbildern. Besonders beliebt bei ihnen waren dabei das Rokoko, in Anlehnung an den Louis-quinze-Stil; der Klassizismus, wie unter Louis XVI. und Marie-Antoinette, sowie der Stil der nordischen Renaissance. Der frankophile Pückler, der mehrfach nach Paris reiste, pflegte enge Kontakte zu Louis-Philippe und Napoléon III., und hatte somit ein genaues Bild von der französischen Wohnkultur und dem vorherrschenden Zeitgeschmack.

 

Kaiserin Eugénie ließ sich in ihrem Einrichtungsgeschmack von einer “Stilikone” des 18. Jahrhunderts inspirieren: Königin Marie Antoinette (1755–1793), Ehefrau Ludwigs XVI.  Längsstreifen und Blümchen auf weißem Stoff sowie Schleifen und Bänder in Pastelltönen und dazu ein weiß-goldenes Bettgestell passten zu Marie-Antoinettes Stil; die neuen Techniken des 19. Jahrhunderts machten es darüber hinaus möglich; mittels Silber, Platin oder Quecksilber Glaces (Spiegel) an Möbeln anzubringen.  

Das Garde-meuble-Magazin orientierte sich mit seinen Möbeldesigns an den raumgestalterischen Vorlieben von Napoléon und Eugénie und unterstützte so deren stilangebende Rolle. Das Kaiserpaar schätzte neben dem Rokoko auch Möbel aus dunklem „vieux bois“ (Altholz) mit Gotik- oder Renaissanceelementen, so wie dieses Bett mit Spindeldrehungen.
Auch diese Entwürfe für einen Sessel und einen Stuhl (Fauteuil et Chaise) aus dunklem Holz mit Schnitzereien weisen typische Verzierungselemente der nordischen Renaissance auf, beispielsweise Knorpelwerk und Ohrmuscheln, und dürften dem Geschmack des Kaiserpaars Napoléon III. und Eugénie entsprochen haben.


Für Pücklers Branitzer Raumfolge im “Zweiten Rokoko” waren neben den neuester Pariser Trends wohl auch jene Raumausstattungen in den Potsdamer Schlössern vorbildlich, welche der preußische König Friedrich Wilhelm IV. in diesem Stil - als Hommage an sein Vorbild Friedrich II. von Preußen (1712–1786) ausführen ließ: der Damenflügel in Schloss Sanssouci etwa oder die Interieurs des Orangerieschlosses. Beide entstanden unter Beteiligung Ferdinands von Arnim, der auch die Branitzer Interieurs schuf.
Das Zweite Rokoko kann in all diesen Ausstattungen als Ausdruck eines gewissen Konservatismus verstanden werden, als ein bewusstes Anknüpfen an die Wohnkultur des europäischen Adels im Zeitalter des Absolutismus.

Elfenbeinzimmer im Orangerieschloss (Foto: SPSG, Wolfgang Pfauder)

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Transfer

Durch seine internationale Popularität fungierte das Möbelmagazin im 19. Jahrhundert bald als globales Verbreitungsmedium des Pariser Einrichtungsstils. Dies zeigt sich anhand der Bestände der europäischen Grafiksammlungen, zum Beispiel im Rijksmuseum Amsterdam, wo sich einige Kopien der Blätter befinden, aber auch weit über die europäischen Grenzen hinaus. Besonders im frankophilen Amerika des frühen 19. Jahrhunderts wurden die Lithografien gesammelt und als Inspirationsquelle genutzt. So befinden sich mehr als 400 Blätter in der Grafik-Kollektion der  Smithsonian Library in New York, während zwei Stühle im Metropolitan Museum eng am Vorbild eines Blattes (siehe Abbildung) gearbeitet sind. Auch in Philadelphia lässt sich das Abonnement nachverfolgen mittels zweier Lithografien in der Sammlung der Familie Armat-Skerett-Logan sowie anhand der Publikation An Essay on Household Furniture von George Henkel aus dem Jahre 1850. In dieser brachte  der Schreiner exemplarisch einige Möbelmodelle aus der sechs Jahre zuvor veröffentlichten Ausgabe Le Garde-meuble - album de l'exposition de l'industries ein.


Le garde-meuble, “Chaise de fantaisie” (Phantasiestuhl), D. Guilmard, kolorierte Lithographie, Paris 1839, Smithsonian Libraries, New York.

Zwei Beistellstühle, ca. 1850–55, 88.9 x 48.3 cm, Rosenholz, Metropolitan Museum of Art, New York.

 

 

Weimarer Journal des Luxus und der Moden

Schon weit vor der Veröffentlichung des Garde-meuble Ancien et moderne 1839 finden sich ähnliche Formen der seriellen Wohn- und Möbelzeitschrift. Das Journal des Luxus und der Moden (JLM) etwa wurde von 1786 bis 1827 in Weimar herausgegeben, verbreitete sich jedoch über die Ländergrenzen bis in die Niederlande, nach Frankreich, England oder Russland. Es beinhaltete neben der Kategorie „Ameublement“, die jegliche Formen von Möbeln und Raumausstattungen umfasste, auch Beiträge und Abbildungen zu Dekor, Bekleidung und vielem mehr. Anders als bei Le Garde-meuble Ancien et Moderne wurden die detailreichen, jedoch unkolorierten Lithografien im JLM von beschreibenden Texten begleitet. Dabei wurde nicht nur die mögliche Raumausstattung vermittelt, sondern auch die Funktion und Nutzungen der Möbel sowie deren Integration in den Alltag thematisiert. Text und Bild boten nicht nur vertiefende Informationen, sondern schufen verschiedene Zugangspunkte für diverse gesellschaftliche Schichten und Interessengruppen. Die Zeitschrift als leicht zu verbreitendes und zu beziehendes Medium fungierte somit durch ihre Vorlagen als Zeige- und Leitsystem, wirkte konsumsteigernd und geschmacksleitend und trug so zur Verbreitung aktueller Wohn- und Möbeltrends bei. Dabei hatten solche Zeitschriften meist auch konkret Einfluss auf die dortigen bürgerlichen oder höfischen Raumausstattungen und waren somit ein Abbild des Einrichtungsgeschmacks und -stiles ihrer Zeit.    

Beitrag aus der Kategorie „Ameublement“ des Journals des Luxus und der Moden. Gezeigt werden zwei Pariser Fenstervorhänge, wie sie später in ähnlicher Form auch bei den Garde-meuble-Blättern in der „Collection de Tentures“ zu finden sind. (Journal des Luxus und der Moden. Jahrgang 26 (1811), Ausgabe November. S. 745; zugehörige Kupfertafeln ab Seite 746.)

Verlag Duncker

Während die Garde-meuble-Blätter in Paris um 1851 im Jahresabonnement im kompletten Satz von 54 Tafeln in schwarz-weiß für 22 ½ Francs (heute etwa 78 Euro) und in handkoloriertem Format für 36 Francs (heute etwa 131 Euro) zu beziehen waren, musste die ausländische Kundschaft etwas tiefer in die Tasche greifen. Der komplette Schwarz-Weiß-Satz kostete 30 Francs und in farbiger Ausführung 45 Francs, was heute etwa 101 Euro und 153 Euro entspricht.

Wo bezog Fürst Pückler sein Konvolut an Garde-meuble-Blättern?


Visitenkarte Friedrich Puls. (BLHA, Rep. 37 Branitz, Nr. 1086)

In der Französischen Straße 21 in Berlin kaufte er nachweislich zwischen 1850 und 1851 die Livraisons 72-74. Hier ansässig war die Verlagsbuchhandlung Duncker, Fürst Pückler publizierte dort einige seiner Reiseberichte. 1838 gründete Alexander Duncker (1813-1897) sein eigenes Verlagswesen, nachdem er einige Lehrjahre im Geschäft seines Vaters Karl (1781-1869), Duncker und Humblot, genossen hatte. Im Zentrum der Hauptstadt gelegen, war das Viertel um die Französische Straße ein beliebtes Quartier für Werkstätten und Möbelgeschäfte. So war die Inspirationsquelle Le Garde-meuble und die praktische Beschaffung seines Komfortbedarfs für Pückler nah beieinander gelegen. Unweit der Verlagsbuchhandlung Alexander Dunckers befand sich das Gewerbe von Friedrich Puls, welches Meubles sowie Gardinen-Stoffe und -Verzierungen führte. In Pücklers Nachlass befindet sich noch heute dessen Visitenkarte, worauf handschriftlich vermerkt steht: “wo die eisernen Treppen sind”. War das ein kurzer Vermerk, um die genaue geografische Lage des Geschäfts zu beschreiben, oder ein Hinweis auf das Sortiment von Puls?

Die Wendeltreppe, mit der Pückler eine Verbindung seiner Privaträume im Erdgeschoss hoch zum Türkischen Kabinett schuf, könnte er dort akquiriert haben. Ob in Berlin hergestellt und vertrieben wurde, bleibt, wie vieles bei der Rekonstruktion der Fürstlichen Inneneinrichtung, offen.


Rechnungen von Alexander Duncker an Fürst Pückler. (BLHA, Rep. 37 Branitz, Nr. 331)

Transferprozesse - Le Garde-meuble und Schloss Branitz

Für Fürst Pückler bot Le Garde-meuble willkommene und gut umsetzbare Anregungen für die Innenausstattung von Schloss Branitz. Auch wenn die Vorlagen aus Fürst Pücklers Garde-meuble-Sammlung nicht eins zu eins in der Innenausstattung von Schloss Branitz übernommen worden sind, könnten sie, da sie den zeitgenössischen Einrichtungsgeschmack idealtypisch repräsentieren und konkretisieren, als Inspiration für Pückler gedient haben.

Die Interieur-Ansichten aus dem französischen Journal etwa beschrieben anschaulich die geeignete Anordnung von Möbeln im Raum und empfahlen passende Tapeten und Deckenmuster. Dabei spielten die Textilien eine besondere Rolle für das Farbkonzept und die Gesamtwirkung der Räume, auf welche der Fürst großen Wert legte. 

So gibt die Abbildung Intérieur de Salon eine Vorstellung davon, wie ein Salon im Style Louis XV eingerichtet wurde. Auch wenn das Farbschema ein anderes ist, könnte das Blatt Vorbild für den zwischen 1856 und 1862 eingerichteten Empfangssalon, den sogenannten Roten Salon, in Schloss Branitz gewesen sein.

Empfangszimmer (Roter Salon), Schloss Branitz, Cottbus. (Foto: Gabriela Weidner/SFPM)

 

Entwurfszeichnungen für die Fensterdekorationen im Empfangszimmer mit Notizen des Fürsten zur Farbgebung, um 1857. (EFPiB)

Die Form der Fensterdekorationen im Empfangszimmer folgt einer Entwurfszeichnung von 1856. Das Blatt ist mit Notizen Fürst Pücklers zur Farbgebung versehen: “Vorhänge und Guimpe cramoisi mit weißen Franzen u. cramoisi Crepine” [Vorhänge und Gimpe rot mit weißen Fransen und roter Crepine]. Auch hier finden sich einzelne Gestaltungselemente der Fensterdekoration in den Garde-meuble-Blättern wieder, jedoch lässt sich in der Sammlung keine explizite Vorlage ausmachen.


Ein bedeutender Teil der Garde-meuble-Blätter aus Pücklers Sammlung zeigt diverse Dekorationsformen für Fenster, Türen und Betten. Auch hier ist anzunehmen, dass einzelne Vorlagen Inspiration für die textile Ausstattung der repräsentativen Räume in Branitz waren. 

Besonders beeindruckend lässt sich der Transfer zwischen der französischen Zeitschrift und der Ausstattung des Schlosses jedoch an einem original erhaltenen Objekt ablesen: Das kleine Buffet im Frühstückszimmer wurde nach einem Garde-meuble-Blatt im Style Louis XV angefertigt und durch eine Beizung in tiefem Schwarz an den persönlichen Geschmack des Fürsten angepasst. Der Verbleib des Blattes, nachdem der beauftragte Bildhauer Christian Lehr das Buffet gefertigt hat, ist ungeklärt. Es wirft die Frage auf, ob sich ursprünglich auch Blätter der “Collection de meubles” -  mit Entwürfen für Schränke, Kommoden etc. - in Pücklers Sammlung befunden haben oder ob er das Blatt andernorts gesehen hat.

„Nun brauche ich noch ein kleines Büffet im Frühstückszimmer, genau wie die beifolgende Zeichnung Genre Louis XV. also ganz passend im Styl. Das Meubel soll genau nach der Zeichnung […], jedoch in verschiedenen Verhältnissen […]. Das Ganze kann aus Lindenholz gemacht werden, schwarz wie Ebenholz gebeitzt und mit der von Ihnen gefälligst anzugebenden Vergoldung, um mit den übrigen Meubeln im Frühstückszimmer zu harmoniren.“

Pückler an Christian Lehr, Schloss Branitz, o. D. [Sept. oder Okt.] 1861, Bibliotheka Jagiellonska Kraków, Sammlung Varnhagen, zitiert nach dem Digitalisat im Archiv der Stiftung Fürst-Pückler-Museum: CD 24/ 102/ 123.

Buffet im Stil Louis XV (Le Garde-meuble. Ancien et moderne, 71. Livraison, Nr. 412. Foto: Courtesy of the Smithsonian Collection). Buffet aus dem Frühstückszimmer in Schloss Branitz, Ausführung: Christian Lehr, 1861. (Foto: Gabriela Weidner/SPFM)

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Blätter mit handschriftlichen Notizen

Einige der Garde-meuble-Blätter sind mit Notizen von Pücklers Hand versehen und geben somit einen aufschlussreichen Einblick in seine Gedanken bezüglich der Innenausstattung einzelner Räume.

Die handschriftlichen Notizen sind eindeutige Hinweise darauf, dass Pückler mithilfe der Garde-meuble-Blätter Anregungen für seine Zimmereinrichtungen fand und konkrete Vorstellungen entwickelte, wo und in welcher Form einzelne Dekorationselemente im Schloss Branitz übernommen werden sollten. In seiner Sammlung lassen sich acht originale Blätter und eine der oben erwähnten „anonymen Kopien“ mit Pücklers handschriftlichen Notizen finden. Einige Notizen sind verständlich und leserlich, andere wiederum sind verblasst oder bestehen nur aus Zahlen und Abkürzungen. 

Neben die Garde-meuble-Abbildung L.106 Nr. 306 eines Alkoven mit violetten Vorhängen in reicher Faltenlage schrieb er die Notiz: „für Portiere im Treppenhaus“. Leider lassen sich im Treppenhaus keine Hinweise darauf finden, dass dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt wurde. Auf der anonymen Lithografie Tafel XII , welche zwei Toilettentische zeigt, die aufwendig mit drapierten Behängen und Spiegeln in vergoldeten Rahmen gestaltet sind, notierte er: „Toilettenzeug wie oben bei […]“, jedoch finden sich hier ebenso keine überlieferten Vergleichsbeispiele in den Schlossräumen von Branitz. Lediglich die blumenverzierten, weiß-blauen Fenstervorhänge auf einem anderen Blatt weisen Parallelen mit der floralen Raumgestaltung des Boudoirs im Schloss Branitz auf, allerdings notierte Pückler neben die Abbildung einen Verweis auf das Schlafkabinett.



Besonders herausstechend sind bei den Notizen die Blätter L.67 N.190, L.64 N.182 und L.95 N.274, die fortlaufend Beschriftungen „zum Silberzimmer 1, 2 und 3“ aufweisen und damit die einzigen zusammenhängenden Beschriftungen Pücklers ausmachen. An welchen Raum könnte Pückler hier gedacht haben? Die im Hauptgeschoss vorhandene Silberkammer hat er damit sicherlich nicht gemeint, da diese als schlichter Zweckraum zur Unterbringung seines Tafelsilbers gedacht war. In Pücklers Aufzeichnung lässt sich jedoch eine Anweisung an seinen Hofbaurat Ferdinand von Arnim finden, die vermuten lässt, dass der Blaue Salon, der darin mit den Worten „in blau und Silber“ beschrieben wird, das hier vermerkte „Silberzimmer“ sein könnte. Die Broschüre „Salons im Schloss Branitz“ beschreibt den Rekonstruktionsprozess des blauen Salons und weist die Raffhalter der Vorhänge als Kopien noch vorhandener Originale aus, die, ebenso wie die Zierleiste, einen Vergleich zu den Blättern mit den Notizen „zum Silberzimmer 1 und 2“ zulassen. 

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Senfgelber Vorhang mit Grisaille-Ornamenten und blauen Akzentuierungen. Oben rechts Pücklers Notiz: "Zum Silberzimmer 1". Die goldene Gardinenblende ist mit einer zentral angelegten...

Senfgelber Fensterbehang mit türkisen Ornamenten und Posamenten verziert. Oben rechts auf dem Blatt Pücklers handschriftliche Notiz: "Zum Silberzimmer 2" Der goldene Giebel ergibt sich...

Das vorliegende Blatt stammt aus der „Collection de Tentures“ und zeigt einen grünen Fenstervorhang für einen Salon. Die Zierleiste ist aus dunklem Holz mit goldenen floralen Elementen und...

Schluss

Die Garde-meuble-Blätter in Pücklers Sammlung und die auf ihnen erhaltenen eigenhändigen Notizen stellen für die Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz heute eine Quelle von unschätzbarem Wert dar.

Die Blätter bieten einen aufschlussreichen Einblick in die von Stilpluralismus, Komfortbedürfnis und Prachtentfaltung geprägten Wohnwelten des mittleren 19. Jahrhunderts und  in die Mechanismen der Entstehung und Verbreitung von Moden in fürstlichen und großbürgerlichen Einrichtungen.

Pücklers Auswahl der Kollektionen, vereinzelte Quellenaussagen und die Notizen auf den Blättern in den Jahren der Neueinrichtung von Schloss Branitz  lassen den Prozess der Inspiration, Auswahl und Umsetzung von Garde-meuble-Designs in Pücklers vier Wänden anschaulich werden.

Nicht zuletzt waren die detailreichen Blätter essentiell für die Rekonstruktion der fürstlichen Wohnwelt Pücklers, welche die Stiftung seit ihrer Gründung verfolgt.

 

 

Impressum

Eine Ausstellung der Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz (SFPM), erarbeitet von Studierenden des Masterstudiengangs Kunstgeschichte der Universität Leipzig im Rahmen des Moduls “Forschungspraxis” (Prof. Dr. Nadja Horsch).

Robinienweg 5, 03042 Cottbus
info@pueckler-museum.de
+49 (0) 355 7515-0

Die Ausstellung wurde mit dem Modul md/story erstellt und auf der Plattform museum-digital.de präsentiert.

Realisierung:  Josepha Marie Arnold, Franziska Kempiak, Lasse Herm, Viktoriya Machulskaya 

Konzeption und Texte: Josepha Marie Arnold, Tabea Mirjam Federlin, Lasse Herm, Anja Hinze, Nadja Horsch, Linda Kleinhubbert, Melanie Krause, Jasmin Lorenz, Viktoriya Machulskaya, Anne Richter, Celina Maria Spieth, Jennifer Agnes Winkler und Pia Wormsbächer

Besonderen Dank an Franziska Kempiak und Dr. Stefan Rohde-Enslin.

Urheber- und Nutzungsrechte: © SFPM