„Aus fremden Erdteilen. Geschenkt v. Söhnen der Heimat“ - Objektwege nach Westfalen-Lippe

Wie kamen außereuropäische Objekte nach Westfalen-Lippe?

  Eine Annäherung

Benin Bronzen, Elgin Marbles oder die Büste der Nofretete – die Diskussion über die Herkunft von Sammlungsgut aus ehemals kolonialisierten Ländern und den heutigen Umgang damit ist weltweit von großer Aktualität. Etwa 90 Prozent der afrikanischen Kulturgüter befinden sich heute in Europa. Einen großen Anteil daran hatten etwa Kaufleute, Beamte, Kapitäne und Missionare, die auf Schiffen in die ganze Welt gelangten. Mit Dampfern schickten sie Produkte jener Kulturen nach Deutschland, die sie kennengelernt hatten. Diese dienten dabei auch der Demonstration einer behaupteten Überlegenheit der europäischen bzw. deutschen gegenüber der anderen Kultur.

Noch heute zeugen diese Objekte von der Expansion und den Eroberungen europäischer Nationen. Aufgrund der Entwicklung hochseetauglicher Schiffe war es den Seenationen seit dem 15. Jahrhundert möglich, neue Kontinente zu erreichen. Die technologischen Erfindungen und Entwicklungen der europäischen Mächte im Kommunikations- und Transportbereich sowie schlagkräftige Waffensysteme machten die Kolonialisierung der Welt erst möglich.

2 Benin-Tafeln, 16.-17. Jahrhundert, British Museum, Wikimedia Commons

Auf welchen Wegen erfolgte die europäische Expansion?

  Auf welchen Wegen erfolgte die europäische Expansion?

Als im 19. Jahrhundert große Dampfschiffe die Weltmeere eroberten, konnten in der Folge noch mehr Güter in noch kürzerer Zeit transportiert werden. Dadurch kam der Handel in Schwung und ein Wettlauf westlicher Nationen um Einflusssphären, Land und Bodenschätze begann. Länder wie Spanien, das Britische Empire oder auch die Niederlande profitierten in hohem Maße von der kolonialen Expansion und spornten damit weitere Nationen an, ebenfalls entsprechende Gebietsansprüche durchzusetzen.

Deutschland und sein Kolonialreich 1914, Wikimedia Commons

Macht und Profitgier

  Macht und Profitgier - Wirtschaftliche Erschließung 

Erste Stützpunkte in Afrika oder Ostasien wurden im Zusammenhang mit Handelskontakten errichtet. Deutsche Kaufleute wie der Hamburger Kaufmann und Reeder Adolph Woermann waren aktiv an der deutschen Expansion und der Errichtung von deutschen Kolonien beteiligt. Die Woermann-Reederei beherrschte zeitweilig ein Viertel des Kamerunhandels und wurde schließlich größter Privatreeder der Welt. Insbesondere Handelsleute wie Woermann, der billigen Alkohol gegen teure „Kolonialwaren“, wie Kaffee, Kakao oder Tabak, für den Import nach Deutschland tauschte, waren die Profiteure der deutschen Expansion.

In Folge der wirtschaftlichen Erschließung des Landes, wurden Menschen enteignet und zur Arbeit auf den europäischen Plantagen gezwungen, wodurch diese erst profitabel wurden. Lehnten sie sich gegen die Unterdrückung durch die europäischen Mächte auf, wurden diese sogenannten Aufstände mit Gewalt niedergeschlagen.

Um die Geschichten hinter den einzelnen außereuropäischen Sammlungsbeständen in Westfalen-Lippe aufzuzeigen, wirft diese Ausstellung einen Blick auf die Wege der lokalen Akteure in der Welt. Dabei stellt sie insbesondere Männer in Machtpositionen vor: Beamte, Soldaten, Plantagenadministratoren und Kapitäne. Meist stand nur ihnen in jener patriarchalen Gesellschaft die Welt offen und mit dieser selbstverständlichen Überlegenheit betrachteten sie auch die Welt und urteilten über sie.

 

Luftaufnahme der Lüderitzbucht (benannt nach den Bremer Großkaufmännern Adolf und August Lüderitz), Wikimedia Commons

Platzhalter MS Iserlohn

Kapitäne

  Mit Objekten um die Welt 

In verschiedenen Museumssammlungen in Westfalen-Lippe sind Andenken von Schiffskapitänen an ihre Zeit im Ausland zu finden. Auch über die Kolonialzeit hinaus brachten Kapitäne und ihre Mannschaften Gegenstände aus Übersee nach Westfalen-Lippe, die deren Vorstellung des „Exotischen“ aus der Zeit des Kolonialismus und deren Gedankenwelt illustrierten. Noch heute profitieren zum Beispiel Großbritannien, Frankreich oder Deutschland von ehemaligen kolonialen Strukturen und weiterbestehenden Abhängigkeiten von vor 100 Jahren.

 

Geschenke für die Patenstadt

  Objekte aus dem Bestand des Stadtmuseums Iserlohn 

Einer dieser Kapitäne war Erich Schwarzbürger, Kapitän des Handelsdampfers „MS Iserlohn“, der nach seiner westfälischen Patenstadt Iserlohn benannt wurde. Schwarzbürger und seine Mannschaft pflegten eine enge Beziehung zur namensgebenden Stadt, während sie in Südamerika im Auftrag der Reederei HAPAG (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft) unterwegs waren. Die HAPAG war neben dem Norddeutschen Lloyd eine der großen deutschen Anbieter von Postdampferlinien, deren Liniennetz über die gesamte Weltkarte reichte.

HAPAG Mediterranean and Orient Cruises, Plakat von Otto Arpke, 1931, Sammlung Marc Wegner, Berlin, Wikimedia Commons

 

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Schiffsglocke
(Stadtmuseum Iserlohn)

Das Objekt war ursprünglich ein Geschenk der Besatzung der MS Iserlohn an die Stadt Iserlohn zu Weihnachten 1961. Die MS Iserlohn war ein Patenschiff der Stadt Iserlohn. Die Glocke ist...

Messingschale aus Mexiko
(Stadtmuseum Iserlohn)

Die Schale aus Messing ist silbrig und wurde in Mexiko erworben. Sie hat auf der konkaven Seite eine Inschrift: "Geschenk der Deckmannschaft M/S Iserlohn an ihre Patenstadt Weihnachten...

Skulptur: Trommler aus Haiti
(Stadtmuseum Iserlohn)

Die Dokumentation des Stadtmuseums Iserlohn zeigt, dass der Kapitän der dritten „MS Iserlohn“, Kapitän Schwarzbürger, und seine Mannschaft der Stadt Iserlohn zwei „Trommler“ aus Haiti...

Iserlohns Trommler

  Wie ein Trommler aus Haiti nach Iserlohn gelangte?

Unter anderem schenkten sie der Stadt Iserlohn einen „Trommler“ aus Haiti, den sie bei einer ihrer Fahrten erwarben. Dabei handelt es sich um eine, rund 59 cm hohe vollplastische Figur, die einen Trommler in Aktion darstellt. Sie trägt eine Inschrift auf einem Messingschild am Sockel, welche Auskunft darüber gibt, wer die Skulptur nach Iserlohn gebracht hat: „Trommler aus Haiti überreicht von Kapitän Schwarzbürger vom Dampfer ‚Iserlohn‘ anlässlich seines Besuches in Iserlohn Oktober 1960“.

Zwischen 1904 und 1983 fuhren drei Schiffe unter dem Namen „MS Iserlohn“ auf den Weltmeeren. Sie dienten als Frachtschiffe für Erz, für den Personentransport zwischen Australien und Indien und als Versorgungsschiffe im 2. Weltkrieg zwischen Italien und Nordafrika. Die „Iserlohn“ von Kapitän Schwarzbürger trat ihren Dienst für die HAPAG im Jahr 1958 an und wurde schließlich 1983 abgewrackt.

Trommler aus Haiti, Stadtmuseum Iserlohn

Wie genau der Trommler aus Haiti in den Besitz des Kapitäns der MS Iserlohn und seiner Mannschaft gekommen ist, lässt sich heute nicht mehr genau klären. Wahrscheinlich wurde er während eines Aufenthaltes in einem haitianischen Hafen 1961 rechtmäßig erworben. Mit den geschenkten Objekten wird ein Schlaglicht auf koloniale Handelsbeziehungen geworfen, deren Auswirkungen noch heute in ungleichen Machtverhältnissen zu spüren sind.

Platzhalter Menden

„Kuriositäten“ eines Kapitäns

  Sammlung Hermann Cordier

Auch im Stadtmuseum Menden haben sich verschiedene „Mitbringsel“ eines Kapitäns erhalten: Hermann Cordier (1884-1938) überreichte sie persönlich dem Museum, wo sie noch heute unter der Überschrift „Aus fremden Erdteilen. Geschenkt v. Söhnen der Heimat“ präsentiert werden.

In zahlreichen Museen wurden außereuropäische Objekte häufig als Fenster in eine unbekannte Welt ausgestellt und dienten auch der Reproduktion von Stereotypen und rassistischem Denken. Sie wirkten als Werbung für Leben, Reisen und Handel in beziehungsweise mit den Kolonien und sollten Deutschlands Anspruch auf einen „Platz an der Sonne“ propagieren. Somit zeigt sich, dass Museen mit ihren Ausstellungen an Vorstellung und Rezeption der Kolonien beteiligt waren und noch immer sind.

 

S.M.S Lübeck. Gruss aus Wilhelmshaven, Postkarte, vor 1912, Wikimedia Commons

Hermann Cordier

  Ein Mendener in der Welt

Hermann Cordier befuhr als Kapitän von Handelsschiffen, u.a. der SMS Lübeck, die Weltmeere. Seine Arbeit führte ihn nach West- und Ostafrika, Südamerika und Ostasien. Auf seinen Fahrten sammelte er verschiedenste Dinge, unter anderem Musikinstrumente und Ruderblätter aus Kamerun, Waffen und Tierpräparate. Zur Erwerbsart seiner „Souvenire“ lassen sich nur Vermutungen anstellen, da die Forschung sich bislang auf keine aussagekräftigen Quellen stützen kann. Wahrscheinlich erwarb Cordier die diversen Gegenstände auf Märkten in den Städten, in denen er mit dem Schiff hielt. Diese einheimischen Märkte entstanden als Reaktion auf die „Sammelwut“ der Europäer:innen.

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Idiophon auf Hölzern
(Museum für Stadt- und Kulturgeschichte Menden)

Dieses Musikinstrument wurde von Hermann Cordier an das Mendener Museum geschenkt. Er erwarb es auf einer seiner vielen Fahrten als Kapitän. Es wurde auf drei zusammengebundenen Hölzern...

Gemusterte Sandalen aus Leder
(Museum für Stadt- und Kulturgeschichte Menden)

Diese Sandale gehört zu einem paar von braunen ledernen Sandalen im Stadtmuseum Menden. Sie wurden diesem vom Kapitän Hermann Cordier geschenkt. Auf der vorderen Schuhkappe befinden sich...

Panzer einer Karettschildkröte
(Museum für Stadt- und Kulturgeschichte Menden)

Dieser Panzer einer Karettschildkröte hat Kapitän Hermann Cordier im Jahr 1914 dem Mendener Museum geschenkt. Er brachte sie von einer seinen vielen Fahrten um die ganze Welt mit. Der...

Kalebasse aus Japan
(Museum für Stadt- und Kulturgeschichte Menden)

Dieses Musikinstrument schenkte Kapitän Hermann Cordier dem Mendener Museum. Es wurde laut Inventarkarte von Cordier aus Japan mitgebracht. Der braune tränenförmige Körper besteht meist aus...

Sanza
(Museum für Stadt- und Kulturgeschichte Menden)

Die Sanza gehört zur Familie von Zupfinstrumenten, welche in Afrika verbreitet sind. Das Prinzip besteht darin, Metall- oder Bambuslamellen, die auf einem Holzbrettchen mit oder ohne...

Gebogenes Blashorn
(Museum für Stadt- und Kulturgeschichte Menden)

Dieses gebogen dunkelbraune leicht gebogene Horn war eine Schenkung des Kapitäns Hermann Cordier an das Stadtmuseum Menden. Es besitzt kurz unter dem spitzen Ende eine rechteckige Öffnung...

Gürteltiertasche
(Museum für Stadt- und Kulturgeschichte Menden)

Diese korbartige Tasche wurde aus dem Panzer eines Gürteltieres gefertigt. Sie ist im Inneren mit Stoff ausgekleidet. Auf dem Innenfutter befindet sich seitlich die Zahl 2699 in schwarzer...

"Exotisches Geschenk"

"Exotisches Geschenk" - Korbartige Gürteltiertasche

Bei seinen Familienbesuchen in Menden übergab Hermann Cordier außereuropäische Objekte an das Museum der Stadt. Diese erhielt 1912 einen Gürteltierpanzer, der als Korbtasche präpariert wurde, von Kapitän Cordier. Ob Cordier den Panzer bereits in dieser Form erworben hat oder ihn erst präparieren ließ, ist unklar.
Der Gürteltierpanzer, dessen Schwanz hier als Taschenhenkel diente, wurde mit Stoff ausgekleidet. Derartig präparierte Tiere waren unter Reisenden beliebt. So findet man z.B. in Lünen einen Nilpferdfuß, der als Visitenkartenhalter umfunktioniert worden ist.

Gürteltiertasche, Stadtmuseum Menden, Foto: Isabelle Christiani

Objekt Postkarte (Impfen)

Von einer solchen Reise schrieb Cordier eine Postkarte. Diese erreichte 1914 seinen Vater in Menden. Auf ihr ist eine Menschengruppe zu sehen. Die Personen gehörten laut Unterschrift der ethnischen Gruppe der Fang an, den früheren „Pangwe“. Sie sind in der Mitte des Ortes Campo in Kamerun im Halbkreis aufgestellt, um sich von einem Europäer in weißer Uniform impfen zu lassen. Hierbei könnte es sich um eine Impfaktion gegen Pocken handeln, kam es doch immer wieder zu verheerenden Ausbrüchen. Gerade hier wurde auch die 2-Klassengesellschaft deutlich, waren Krankenhäuser und eine entsprechende Pflege den Europäer:innen vorbehalten.

Gruß aus Campo, Kamerun, Impfen der Pangwe-Leute, Postkarte, vor 1914, Museum für Stadt- und Kulturgeschichte, Menden

Zitat Arzt Ludwig Külz

Der deutsche Arzt Ludwig Külz schrieb dazu sehr anschaulich:

Da der ganze Kamerun-Südbezirk keine Unterbringungsmöglichkeit für schwarze Kranke hatte, mußten die Pockenpatienten, soweit sie nicht vor dem Europäer versteckt wurden, dort liegen bleiben, wo sie gerade lagen. Ein Blätterdach gegen die gröbsten Unbilden der Witterung war der einzige Schutz, der ihnen gewährt werden konnte. Mit Palmöl beschmiert, um die entzündliche Spannung der Haut zu lindern und, falls sie nicht zu benommen dazu waren, mit einem Graswedel die zudringlichen Insekten sich vom Leibe wehrend […].

(aus: Ludwig Külz: Über Pocken und Pockenbekämpfung in Kamerun, in: Archiv für Schiffs- und Tropen-Hygiene, 1907, Band 11, Nr. 14, S. 447).

 

Die Regionen Kameruns, Wikimedia Commons

Platzhalter Erinnerung an meine Reise

Platzhalter Erinnerung an meine ReisePlatzhalter Erinnerung an meine ReisePlatzhalter Erinnerung an meine Reise

„Zur Erinnerung an meine Reise“

  Seidenstickbilder aus China in westfälischen Wohnzimmern

Von besonderer Bedeutung für die Durchsetzung kolonialer Machtansprüche war die militärische Präsenz vor Ort. Diese wurde ebenfalls über die Weltmeere abgewickelt. Oft genug kam es dabei zu Kriegen, die bis heute verharmlosend als „Aufstände“ bezeichnet werden, um von den Gräueltaten der eigenen Armeen abzulenken.

Als Erinnerungsobjekt an Aufenthalte im besiegten Land wurden in chinesischen Häfen japanische Seidenstickbilder angefertigt und an Marinesoldaten und Reisende verkauft. Aufgrund einer hohen Nachfrage nach solchen Stücken, entstand schnell ein eigener Markt für diese Bilder. In einem optimierten Herstellungsverfahren konnten vorgefertigte Musterbilder anhand von Fotografien und Namenstickereien von Person und Boot vor Ort individualisiert werden.

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Stickbild: Erinnerung an die Militärzeit in Tsingtau
(Stadtmuseum Hagen)

Die Gesellschaft im wilhelminischen Kaiserreich war stark vom Militär geprägt. Das Heer bot auch Arbeitern und Kleinbürgern gewisse Aufstiegschancen. Der geleistete Militärdienst öffnete im...

Reservistenbild
(LWL-Freilichtmuseum Detmold)

Das Reservistenandenken von H. Golücke stammt aus seiner Militärdienstzeit, die er in den Jahren 1908 bis 1910 in China verbrachte. Er war als Matrose auf der S.M.S....

Ein Seidenstickbild in Iserlohn

  An was wird eigentlich erinnert?

Zu jenen sogenannten Aufständen gehört auch der Boxerkrieg in China (1899-1901). Im Stadtmuseum Iserlohn befindet sich ein Objekt, ein Seidenstickbild, welches mit dem Boxerkrieg in direkter Verbindung steht. Dieses kam mit der Sammlung des Kapitänleutnants Dietrich Görke in den 1970ern ins Museum. Neben der Seidenstickerei wurde mit dem Konvolut vor allem asiatisches Kunstgewerbe aufgenommen.

Das hier gezeigte Seidenstickbild wird dominiert von einem gekrönten Anker auf blauer Seide mit Reichsadler. Der Adler ist umringt von sechs Fahnen, die für sechs Nationen stehen: das Deutsche Kaiserreich, die USA, China, Japan, Großbritannien und Frankreich. Beschriftet ist das Objekt mit den Worten: „Zur Erinnerung an meine Reise, Japan – China, 1898 – 1900, vom Fels zum Meer, S.M.S. Kaiserin Augusta“. Im unteren Teil findet sich umrankt von einem Lorbeerkranz eine Stickerei eines Schiffes mit der Kriegsflagge des Deutschen Kaiserreiches am Heck mit dem Namen „S.M.S. Kaiserin Augusta“. Diese war von Dezember 1897 bis März 1902 Teil des ostasiatischen Kreuzergeschwaders und wurde während des Boxerkrieges in China eingesetzt.

 

Iserlohns Seidenstickbild hinterfragt

  Reisemitbringsel hinterfragt

Bereits 1869/1870 waren deutsche Marineschiffe in Ostasien stationiert. Nach der Ermordung zweier Steyler Missionare kam es 1897 zur Besetzung der Bucht von Jiaozhou (Kiautschou) durch die Marine des deutschen Kaiserreiches. Als Ergebnis sicherte sich das Deutsche Reich 1898 seinen Einfluss in China. Es baute einen Marine- und Handelsstützpunkt in der Hafenstadt Qingdao (Tsingtau) auf. Das Gebiet wurde im sogenannten „Boxerprotokoll“ von 1901 für 99 Jahre an die Deutschen verpachtet, die es als „Schutzgebiet“ deklarierten.

Anders als in Afrika, wo die europäischen Mächte ihre Herrschaftsansprüche auch formal festschrieben und sich die verschiedenen Gebiete einverleibten, wollten die Deutschen sich in China zunächst einen Wirtschaftsstützpunkt aufbauen und so eine Art informelle Herrschaft erlangen. Durch die Politik der Imperialmächte, verschiedene Kriege mit Japan, England und Frankreich, zunehmende Armut und Hungersnöte, wodurch Millionen von Menschen starben, regte sich ab 1899 Widerstand gegen die westlichen Mächte.

Bucht von Jiaozhou (Kiautschou), 1905, Wikimedia Commons

Objekt als Zeugnis seiner Zeit

  Objekt als Zeugnis seiner Zeit - Was wird überliefert? 

Am 20. Juni 1900 wurde der Gesandte Freiherr von Ketteler ermordet und das Gesandtenviertel in Peking von Boxergruppen belagert. Zu dessen Befreiung sandten Deutschland, Großbritannien, die USA, Russland, Japan, Frankreich, Italien und Österreich ihre im Pazifik stationierten Truppen nach Peking.

Als Vergeltungsschlag für den Tod des deutschen Gesandten und zur Niederschlagung des Krieges schickte Kaiser Wilhelm II. am 27. Juli 1899 deutsche Truppen mit seiner sogenannten „Hunnenrede“ von Bremerhaven aus nach Peking. Aufgehetzt durch die Rede plünderten und wüteten die deutschen Soldaten bei ihrer Ankunft in Peking, trotz des bereits beendeten Krieges. Wurde das vorliegende Seidenstickbild zunächst als ein harmloses Souvenir eingeordnet, wird nach grundlegender Recherche der Bezug zum Boxerkrieg deutlich und eine erneute Kontextualisierung erscheint notwendig.

 

Wilhelm II. bei seiner Rede vor der Lloydhalle in Bremerhaven, 27. Juli 1900, Wikimedia Commons

Platzhalter Lemgo

Platzhalter LemgoPlatzhalter LemgoPlatzhalter Lemgo

„Die Flagge folgt dem Handel“

  Die treibende Kraft des Kolonialismus

Hinter den kolonialen Bestrebungen europäischer Nationen standen nicht nur in China vor allem wirtschaftliche Interessen. Oftmals profitierten einzelne Handelsgesellschaften in besonderem Maße und gelangten zu enormem Reichtum und großem Einfluss. Auch zahlreiche deutsche Handelsgesellschaften waren beteiligt und ermöglichten Transport und Verkauf der in den besetzten Gebieten „erbeuteten“ Waren. Neben großen Firmen versuchten aber auch viele Einzelpersonen in den Kolonien zu Reichtum zu kommen. Als Beispiele seien hier noch einmal der bereits genannte Adolph Woermann aus Hamburg oder Adolf Lüderitz (1834-1886) aus Bremen erwähnt.

Krokodil-Jagd, um 1905, Museum Hexenbürgermeisterhaus, Lemgo, © LWL. Das gefesselte Krokodil steht symbolisch für die Unterwerfung von Mensch und Natur in den Kolonien.

Plantagenadministratoren auf „Schatzsuche“

  Die Stadt Lemgo und ihre außereuropäische Sammlung

Auch aus Lemgo in Ostwestfalen-Lippe kamen Menschen in die Kolonien. So arbeiteten die Brüder Ernst (1868-1914) und Johannes (1862-1920) Neubourg aus Lemgo Ende des 19. Jahrhunderts in Sumatra (heute eine Insel Indonesiens) für niederländische Plantagengesellschaften. Zunächst waren sie als Assistenten tätig und stiegen später zu Administratoren auf.

Johannes Neubourg trat seine Reise nach Sumatra 1885 in Hamburg auf dem Schiff „Iphigenie“ an. Er hatte Arbeit bei einer niederländischen Handelskompagnie erhalten. Nach den Schilderungen seines Bruders über seine Arbeit in Sumatra sah auch Ernst Neubourg eine Chance auf beruflichen Erfolg. Daraufhin gab er seinen „Kolonialwarenladen“ auf und fuhr 1892 mit seinem Bruder auf der SS König Albert über Genua nach Sumatra, um auf den dortigen Tabakplantagen zu arbeiten.

 

Bild Waffen

In Medan, einer bedeutenden Stadt im Norden Sumatras, lernten Ernst und Johannes Neubourg den Dresdner Georg Meissner kennen. Dieser arbeitete ebenfalls als Administrator auf einer der Tabakplantagen, die sich rund um Medan befanden und ist auch heute noch als Sammler von Batak-Kulturgut bekannt. Meissner verkaufte Bestände seiner stetig wachsenden Sammlung an Museen in Stuttgart, Berlin, Dresden, St. Petersburg, Wien und Leiden. Ob die beiden Neubourgs bei Meissner kauften, ist nicht tradiert. Es ist auch möglich, dass die Gegenstände der Neubourg-Sammlung von den Brüdern mit einheimischen Plantagenarbeiter:innen getauscht oder bei ihnen gekauft wurden.

 

Tropenjacke mit Tigerkralle, Museum Hexenbürgermeisterhaus, Lemgo

Ernst und Johannes Neubourg sammelten von 1885 bis 1913 insbesondere Kulturgüter der Toba-Batak, die sie von Erkundungen in der Batak-Region mitbrachten. Im Hexenbürgermeisterhaus in Lemgo sind davon heute mehr als 50 Objekte erhalten.

 

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Parademesser mit Scheide (piso rempu pirak)
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Der Griff dieses metallenen Parademessers und seine Scheide sind verziert. Zu sehen sind Rauten aus kleinen Silberdraht-Ringen. Die Klinge läuft vorne spitz zu. Der Griff gleicht einem...

Messer mit Scheide (piso)
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Dieses silbrige Messer aus Nord-Sumatra ist geschmückt mit einer Gravur auf dem Messerrücken sowie dem Griffansatz. Die eingravierten Formen erinnern an Pfeile, Kreisbögen und...

Objektbild Exotische Tiere

Ausgestopftes Krokodil, Museum Hexenbürgermeisterhaus, Lemgo

Für die Familie im Heimatort wurden verschiedene sogenannte „Kuriositäten“ gesammelt, an denen die Andersartigkeit der jeweiligen Kultur demonstriert werden sollte. Die daraufhin entstandene Nachfrage nach ethnologischen Produkten wurde bald von den Einheimischen genutzt. Sie reagierten auf die Wünsche der Sammelnden und verkauften ihre Produkte auf Wochenmärkten, deren Angebot an die Nachfrage der Europäer:innen angepasst wurde.

 

pustaha

Auch ehemalige Zeremonialobjekte können auf diesem Wege in die Sammlung der Pflanzer gelangt sein. Diese hatten ihre eigentliche Funktion und Bedeutung nach der Missionierung der einheimischen Bevölkerung verloren und wurden daher den Sammler:innen aus Europa angeboten.

 

pustaha, Museum Hexebürgermeisterhaus, Lemgo

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Pustaha (Faltbuch)
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Das pustaha ist ein Buch, welches von den Priestern der Batak in Nordsumatra genutzt wurde. Die leporelloartig-gefalteten Bücher enthalten in einer Ritualsprache verfasste Texte und...

Porhalan (Amulettknochen)
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Zu sehen ist hier ein Amulettknochen. Auf diesem sind oberflächliche Ritzverzierungen auf konkaver und der konvexen Seite vorhanden. Diese sind Schriftzeichen, Sternmotiv, Schlange,...

Orakel- oder Amulettknochen, Liebesorakel (porhalan)
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Diese Orakel- bzw. Amulettknochen lassen sich auffächern. Die oberflächlichen Ritzverzierungen auf konkaver und der konvexen Seite zeigen einen Drudenfuß, stilisierte menschliche Figuren,...

Horngefäß mit Holzdeckel (naga masarang)
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Das naga masarang besteht aus einem Horngefäß mit Holzdeckel sowie einem Trageseil aus Idjuk-Fasern. Aud dem Deckel und der Hornspitze des Gefäßes befinden sich geschnitzte Figuren. Der...

Anthropomorphe Holzfigur
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Diese plastische Figur aus Holz ist mit einer Schnur aus Naturfasern umwickelt. Die Plastik ist zum Schutz der Personen einer Gemeinschaft, Familie etc. vor Krankheiten, Unglück,...

Plastisch gestalteter Verschluss aus Holz: anthropomorphe Reiterfigur auf einer singa
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Der Verschluss aus geschwärztem Holz ist als anthropomorphe Reiterfigur, die auf dem Rücken einer singa (Sanskrit: "Löwe"; ein übernatürliches Wesen der Batak zum Schutz von Individuen,...

Bild Hausschmuck

Objekte wie diese wechseln in ihrer Bedeutung: Sie wurden vom Ritualwerkzeug zum Andenken und zuletzt zum Ausstellungsobjekt. Als Erinnerungsstücke dienten sie als Zeugen des Aufenthaltes im Ausland. Bereits vor Ort waren sie Repräsentationsobjekte oder Schmuck für die Wohnungen der Plantagenarbeiter.

Hausschmuck, Museum Hexenbürgermeisterhaus, Lemgo

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Hausverzierung (singa)
(Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus)

Diese Hausverzierung der Batak aus Nord-Sumatra ist auf der Vorderseite mit oberflächliche Schnitzereien überzogen. Die farblichen Verzierungen wurden in roter, schwarzer und weißer Farbe...

Platzhalter Beamte und Lünen

Platzhalter Beamte und LünenPlatzhalter Beamte und LünenPlatzhalter Beamte und LünenPlatzhalter Beamte und Lünen

Beamte in den Kolonien

  Das bürokratische Rückgrat?

Neben den bisher benannten Gesellschaftsgruppen sammelten auch Kolonialbeamte Ethnologica. Nur einem Gouverneur unterstellt, waren Beamte in den Kolonien zuständig für den Aufbau von Verwaltungsstrukturen, für Gesetzgebung und Rechtssprechung und die Ausführung von Direktiven aus dem Deutschen Reich. Seit 1907 benötigten sie eine zusätzliche Ausbildung im Seminar für Orientalische Sprachen in Berlin, die das neugegründete Reichskolonialamt vorschrieb.

 

Kolonialbeamte auf der Prinz-Albrecht-Plantage (Sisal Agaven), Ethnologische Museum, Staatl. Museen zu Berlin, Fotograf unbekannt, CC BY-NC-SA 4.0

Ein Kolonialbeamter auf Großwildjagd

  Von Lünen nach Tansania

Der Lüner Ernst Goormann (1883-1964) war als Kolonialbeamter in der deutschen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ (heute Tansania, Burundi und Ruanda) beschäftigt. Seine Ausbildung erhielt Goormann spätestens ab 1910 am Orientalischen Seminar in Berlin, wo er zunächst Kolonialwissenschaften und später die Swahili-Sprache (Kisuaheli) studierte. Nach bestandenen Prüfungen wurde er als Hilfsarbeiter an das Reichskolonialamt berufen. Schließlich sollte er 1913 zunächst den Justitiar beim Gouvernement in Dar es Salaam vertreten und später als stellvertretender Bezirksrichter in Tabora (Tansania) und Mwanza (Tansania) arbeiten. Anfang 1914 stieg er zum Bezirksrichter in Moshi im Norden von Tansania am Kilimandscharo auf, wo er bis zum 1. Weltkrieg lebte und arbeitete.

 

Moshi mit Kilimandscharo im Hintergrund, Wikimedia Commons

Reiseberichte

  Reiseberichte

Zu seiner ersten Stelle in Dar es Salaam gelangte er mithilfe der gängigsten Reisemöglichkeiten: Zug und Schiff. Der Zug brachte ihn von Lünen über Lausanne und Genf nach Marseille, wo er auf den Reichspostdampfer „Rhenania“ stieg und mit anderen Passagieren, von denen er bereits einige kannte, Richtung Tansania fuhr. Anhand von erhaltenen Postkarten und Briefen ist seine Reiseroute über Neapel und Port Said sowie seine Arbeit in Tansania gut dokumentiert. Deutlich werden in Goormanns Berichten seine Vorurteile nicht nur gegenüber Südeuropäer:innen und afrikanischen Bürger:innen sondern auch gegenüber Jüdinnen und Juden.

 

Marseille - Le Pont à Transbordeur, Postkarte, 1913, Museum der Stadt Lünen

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Postkarte "M 2774 Lausanne et les Alpes"
(Museum der Stadt Lünen)

Diese Postkarte aus der Stadt Lausanne (Schweiz) wurde am 23.02.1913 von Ernst Goormann an seine Eltern in Lünen gesendet. Sie ist adressiert an seinen Vater Franz Goormann und trägt einen...

Postkarte ""Genève - vue prise de St. Jean"
(Museum der Stadt Lünen)

Die Postkarte Ernst Goormann ist adressiert an seinen Vater Franz Goormann in Lünen. Sie zeigt eine Brücke in Genf. Er schrieb sie am 24.02.1913 auf seiner Zwischenstation in der Schweiz....

Postkarte "Marseille - Le pont à Transbordeur"
(Museum der Stadt Lünen)

Die Postkarte mit der Ansicht der Schwebefähre im Hafen von Marseille sendete Ernst Goormann am 26.02.1913 an seine Familie in Lünen von der südfranzösischen Hafenstadt ab. Es ist die...

Postkarte "Sixth Avenue, Nairobi, B.E.A."
(Museum der Stadt Lünen)

Die Postkarte, welche die Sixth Avenue in Nairobi zeigt, wurde von Ernst Goormann am 21.02.1914 während seiner Zeit als Kolonialbeamter im östlichen Afrika verschickt. Er schrieb darin an...

Reiseroute

  Reiseroute

Sein Weg führte ihn im Februar 1913 zunächst von Lünen nach Marseille, wo er auf das Schiff „Rhenania“ von der Ost-Afrika-Linie einschiffte. Auf seinem Weg nach Dar es salaam durchquerten sie die Meerenge von Messina sowie den Suezkanal.

 

Mitbringsel einer Reise

  Mitbringsel einer Reise

Wie viele seiner Kolleg:innen sammelte Goormann unsystematisch kulturelle und alltägliche Gegenstände aus den Gegenden, in denen er sich während seiner Dienstzeit (1913-1918) aufhielt. Heute befinden sich in der Goormann-Sammlung in Lünen unterschiedlichste Objekte. Größtenteils erwarb er Kunsthandwerk, welches ihn ästhetisch ansprach und den stereotypen Vorstellungen über afrikanische Kunst und Kultur entsprach. Dazu zählen u.a. Armreifen aus Silber oder ein Elefantenkopf aus Mahagoniholz.

 

Elefantenkopf aus Mahagoni, Museum der Stadt Lünen

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Ovales Elfenbeinschälchen
(Museum der Stadt Lünen)

Dieses ovale Elfenbeinschälchen wurde von dem Juristen Dr. Ernst Goormann aus Tansania nach Lünen gebracht. Das Schälchen besteht aus einer Unterseite aus dunklem Holz und einer ovalen...

Fußreif aus Silber
(Museum der Stadt Lünen)

Dieser Fußreif aus dem 19. Jahrhundert wurde von Ernst Goormann während seiner Zeit als Kolonialbeamter in Tansania erworben. Das Schmuckstück wurde aus Silber hergestellt. und mit feinem...

Nilpferdfuß, präpariert als Gefäß
(Museum der Stadt Lünen)

Diesen Nilpferdfuß ließ Ernst Goormann in Leipzig vom Hoflieferanten Max Erler zu einem "Cigarrenbehälter" präparieren. Die drei anderen Füße, des auf einer Großwildjagd in Ostafrika...

Bild Nilpferdfuß, Anzeige Präparator, Rechnung für Goormann

Zum Bestand gehört außerdem ein präparierter Nilpferdfuß. Dieser stammt von einem Nilpferd, welches Goormann auf einer Großwildjagd schoss, die unter den Kolonialbeamten und Plantagenarbeitern als Zeitvertreib sehr beliebt waren. Auch die Neubourg-Brüder in Sumatra gingen an ihren freien Tagen jagen. Am Präparat, das ein beeindruckendes Tier verstümmelt zeigt, wird deutlich, das es am Respekt vor der Natur und dem Lebensraum der Einheimischen fehlte.

Über eine Nilpferdjagd berichtete Ernst Goormann in seinem Brief vom 17.12.1913 aus Mwanza. Darin erwähnt er auch die Teile des Tieres, die er behalten wollte: den Kopf, die Zähne und die Füße. Goormann ließ einen Fuß als Visitenkartenhalter präparieren, die anderen wurden zu Blumentöpfen und Weinkühlern umfunktioniert. Im Museum der Stadt Lünen hat sich eine Rechnung erhalten, die an seinen Vater ausgestellt ist, der ihm wahrscheinlich als Mittelsmann in Deutschland diente.

 

Präparierter Nilpferdfuß, Museum der Stadt Lünen

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Preisliste Max Erler, Leipzig
(Museum der Stadt Lünen)

Die "Preisliste für das Gerben, Naturalisieren u. Verarbeiten eingesandter Felle" von dem Hoflieferanten aus Leipzig Max Erler listet die Preise zur Präparierung verschiedenster exotischer...

Rechnung und Beleg Max Erler
(Museum der Stadt Lünen)

Diese Rechnung vom Hoflieferanten und Präparator Max Erler in Leipzig wurde am 18.6.1915 an Franz Goormann ausgestellt. In der oberen linken Ecke ist neben einem roten Löwen ein Eckhaus in...

Goormanns Erbe

  Goormanns Erbe

Im Bestand Ernst Goormanns befindet sich ein Kolonialorden, der sogenannte „Löwenorden“. Er war eine inoffizielle Auszeichnung vom 1922 gegründeten Deutschen Kolonialkrieger-Bund in der Zeit der Weimarer Republik, welche von 1922 bis 1935 verliehen wurde. Es existierten zwei Stufen von Orden. Der hier abgebildete silberne Orden war eine Auszeichnung erster Stufe, die aus Bronze gefertigt und versilbert war. Ihn erhielten ehemalige Angehörige der kaiserlichen Schutztruppe, des Ostasiatischen Expeditionskorps, der Besatzungstruppen in China und der ehemaligen deutschen kaiserlichen Marine.

In der Weimarer Republik sowie in der NS-Zeit gab es die Forderung konservativer Gruppen, die ehemaligen deutschen Kolonien wiederzuerlangen, die nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages nicht mehr unter deutscher Herrschaft standen. In der Weimarer Republik wurde im Auswärtigen Amt sogar eine Abteilung mit dem Namen „Kolonialabteilung“ eingerichtet und auch die NSDAP richtete ein kolonialpolitisches Amt ein. Ernst Goormann war nach dem 2. Weltkrieg noch Mitglied im 1955 gegründeten „Verband ehemaliger Kolonialtruppen“.

 

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Kolonialorden in Aufbewahrungskästchen
(Museum der Stadt Lünen)

Der hier zu sehende Orden wurde auch „Löwenorden“ genannt. Er war eine inoffizielle Auszeichnung vom Deutschen Kolonialkriegerbund in der Zeit der Weimarer Republik. Er wurde von 1922 bis...

Fahne Gronauer Kolonial-Pfadfinder
(Drilandmuseum)

Rechteckige Fahne aus türkisfarbenen Tuch mit einem senkrechten, gelb-ockerfarbenen Seitenstreifen. Die eine Seite trägt als zentrales Symbol der Pfadfinderbewegung das aufgenähte Emblem...

Was bleibt am Ende?

 

Was bleibt am Schluss? Was können wir aus den bisherigen Forschungsergebnissen ziehen? Vielleicht so viel: Auch, wenn den konkreten Objekten bislang keine gewaltsame oder unrechtmäßige Aneignung nachgewiesen werden konnte, so sind sie doch im Zusammenhang mit deutschem und europäischem Kolonialismus zu sehen. Denn auch wenn die Gegenstände ohne Gewalteinwirkung erworben wurden, wurden mit Sicherheit die vorhandenen Machtgefälle der kolonialen Strukturen ausgenutzt.

Gerade die Schifffahrt ist eng mit Kolonialpolitik verknüpft – ohne sie wäre die Ausweitung europäischer Macht- und Wirtschaftsinteressen über alle Kontinente gar nicht erst möglich gewesen. Auch harmlos erscheinende Erinnerungsstücke, wie insbesondere das Seidenstickbild von Dietrich Görke zeigt, sollten hinterfragt und in einen kolonialismuskritischen Kontext gesetzt werden.

Daher ist es umso wichtiger, heutige Museumssammlungen zu untersuchen, Objekte zu kontextualisieren, deren Provenienz zu klären und gegebenenfalls zu problematisieren. Eine offene Herangehensweise und der Mut,  seine Sammlungsgeschichte zu erforschen und zu hinterfragen sind dabei unerlässlich. Nur so können wir den Gedanken einer Dekolonialisierung im musealen Raum vorantreiben.


Ein kleines Museum in Sachsen hat hier bereits erste Schritte unternommen:

      • Siehe Videobeitrag
        Titel: Geraubt, erpresst oder gekauft - Wie afrikanische Schätze nach Sachsen kamen
        Quelle: 25.05.2022, Echt, MDR-Fernsehen
        Link: https://www.mdr.de/tv/programm/sendung-756938.html

 

https://www.mdr.de/tv/programm/sendung-756938.html

 

Impressum & Team

 

Die Ausstellung wurde erstellt von:

  • Isabelle Christiani, wissenschaftliche Volontärin Provenienzforschung
    LWL-Museumsamt für Westfalen
    Salzstraße 38
    48143 Münster

unter Mitarbeit von:

  • Dr. Ute Christina Koch, Wiss. Referentin für das südliche Westfalen
    - Ansprechperson Kunst und Provenienzforschung -
    LWL-Museumsamt für Westfalen
    Salzstraße 38
    48143 Münster

  • Manon Krause, Fachberaterin für digitale Kommunikation
    LWL-Museumsamt für Westfalen
    Salzstraße 38
    48143 Münster


  • Die Ausstellung wurde mit dem Modul md/story erstellt und auf der Plattform museum-digital.de präsentiert.

 

Kooperationspartner:

  • Museen: Stadtmuseum Iserlohn (Dr. Sandra Hertel), Museum Hexenbürgermeisterhaus, Lemgo (Fabian Schröder), Museum der Stadt Lünen (Katja Stromberg), Museum für Stadt- und Kulturgeschichte, Menden (Jutta Törnig-Struck)
  • Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen
  • Konzeption: Isabelle Christiani, Dr. Ute Christina Koch
    Texte: Isabelle Christiani, Dr. Ute Christina Koch
    Redaktion: Julia Bursa, Isabelle Christiani, Dr. Ute Christina Koch
    Technische Umsetzung und Design: Manon Krause
    Objektfotografie: Isabelle Christiani (sofern nicht anders angegeben)

 

Unser Dank geht auch an:

  • AG Westfalen-Kolonial (Julia Bursa, Dr. Barbara Frey, PD Dr. Felicity Jensz, Julia Schafmeister, Dr. Amir Theilhaber)

Abbildungsverzeichnis

 

  • 2 Benin-Tafeln, 16.-17. Jahrhundert, British Museum, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/be/Benin_Bronzes.jpg
  •  Deutschland und sein Kolonialreich 1914, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/5b/Map_of_the_German_Empire_-_1914.PNG
  • Luftaufnahme der Lüderitzbucht (benannt nach den Bremer Großkaufmännern Adolf und Agust Lüderitz), Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2c/L%C3%BCderitzbucht_aerial.jpg"&gt
  • HAPAG Mediterranean and Orient Cruises, Plakat von Otto Arpke, 1931, Sammlung Marc Wegner, Berlin, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8e/HAPAG-Plakat_Mediterranean_and_Orient_Cruises_von_Otto_Arpke_1931_Sammlung_Marc_Wegner_Berlin.png
  • MS Iserlohn, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/35/StateLibQld_1_140963_Iserlohn_%28ship%29.jpg
  • Ansicht Iserlohn, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8b/Iserlohn-Ansicht1-Asio.jpg/1502px-Iserlohn-Ansicht1-Asio.jpg
  • S.M.S Lübeck. Gruss aus Wilhelmshaven, Postkarte, vor 1912, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/e8/WP_SMS_L%C3%BCbeck_1912.jpg/1024px-WP_SMS_L%C3%BCbeck_1912.jpg
  • Die Regionen Kameruns, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/78/Kamerun-karte-politisch.png
  •  S.M.S Kaiserin Augusta, 1893, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/4a/SMS_Kaiserin_Augusta_1_1893.jpg/1024px-SMS_Kaiserin_Augusta_1_1893.jpg
  • Bucht von Jiaozhou (Kiautschou), 1905, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/4/41/083_kiautschou-bucht-mit-tsingtau.png/800px-083_kiautschou-bucht-mit-tsingtau.png
  • Wilhelm II. bei seiner Rede vor der Lloydhalle in Bremerhaven, 27. Juli 1900, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/72/Bundesarchiv_Bild_183-B0313-0014-067%2C_Bremerhaven%2C_Verabschiedung_Ostasientruppen.jpg
  • Marktplatz in Lemgo, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9f/Marktplatz_in_Lemgo_%28Oswald_Rei%C3%9Fert%29.jpg"&gt
  • Krokodil-Jagd, um 1905, Museum Hexenbürgermeisterhaus, Lemgo, © LWL, Link: https://www.lwl.org/pressemitteilungen/daten/bilder/012000/12274.jpg
  •  Archivar Lünen, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/78/Archivar_L%C3%BCnen.jpg/800px-Archivar_L%C3%BCnen.jpg
  • Kolonialbeamte auf der Prinz-Albrecht-Plantage (Sisal Agaven), museum-digital: Ethnologisches Museum, Staatl. Museen zu Berlin: Fotograf unbekannt, CC BY-NC-SA 4.0, Link: https://smb.museum-digital.de/singleimage?resourcenr=18746
  • Moshi mit Kilimandscharo im Hintergrund, Wikimedia Commons, Link: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b3/Kilimanjaro_Moshi.jpg/1920px-Kilimanjaro_Moshi.jpg
  • Karte Ernst Goormann: Museum-Digital, Link: https://nat.museum-digital.de/oak?&s=goormann#map=3.36/2350157.53/3095287.86/0"&gt

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